GBlog&search

 

GBlog&count



GBlog&listen


Van Morrison
Roll with the Punches


Chilly Gonzales und Jarvis Cocker
Room 29


Blackfield (Aviv Geffen & Steven Wilson)
Blackfield V


Jeff Beck
Loud Hailer




Daniel Hope
Escape to Paradise


Daniel Hope
Spheres


Jonathan Rudess
Explorations


Animals As Leaders
The Joy Of Motion


Colosseum
Valentyne Suite


Jack Bruce
Harmony Row


Spooky Tooth
Spooky Two



Utopia
Ra


Richie Havens
Nobody Left to Crown




Dimitri Schostakowitsch, Mariss Jansons
Sinfonien 1-15


Moondog & the London Saxophoni
Sax Pax for a Sax

GBlog&read - Nutzen Sie die Hinweise zur Orientierung und kaufen Sie dann beim Buchhändler um die Ecke



Uwe Timm
Ikarien



Christoph Ransmayr:
Cox oder Der Lauf der Zeit





Steffen Kopetzky
Risiko


José Saramago
Kain


Eva Menasse
Quasikristalle


Roberto Bolaño
2666


Tschingis Aitmatow
Der erste Lehrer


Uwe Timm
Rot


Leonardo Padura
Adiós Hemingway


Antonio Skarmeta
Mit brennender Geduld


Jose Saramago
Die Stadt der Blinden


Edgar Hilsenrath
Nacht: Roman



Rolf Dubs
Lehrerverhalten

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Was ist heute eingreifendes Denken? (II): Die Macht der Dinge und die Ohnmacht der Menschen als Widerspruchszusammenhang - Alexander Kluge: Jeden Morgen liest Hegel Zeitung

Danke, Herr Kluge: "Widerspruchszusammenhang" erfasst präziser, was ich neulich mit Brecht zu klären versuchte: Begriffe: »Die Griffe, mit denen man die Dinge bewegen kann« - Was ist heute eingreifendes Denken?

In seiner Dankesrede zur Verleihung des Heinrich-Heine Preises der Stadt Düsseldorf (- mein Gott, wie schwer hat man sich getan, den Heine als Sohn der Stadt anzunehmen!), die heute in der Süddeutschen Zeitung abgedruckt ist (no link available), finde ich à propos Begriffe eine faszinierende Passage zur alten Frage aus dem Universalienstreit:
    Was war zuerst, die Begriffe oder die
    Dinge? Das Selbstbewusstsein der Men-
    schen oder ihre Ohnmacht? In dieser Frage,
    sagst Du, sei ich kein Nominalist, aber auch
    kein Realist. Ich möchte Dir das bestätigen
    an dem Beispiel, das Du anführst; von den
    Bombenentschärfern im Luftschutzkeller.
    Das sind erfahrene Klempner, selbstbe-
    wusste Fachleute. Sie schrauben jede Bom-
    be auseinander, wenn sie als Blindgänger
    am Boden liegt. Im Moment aber sind sie
    dem Bombengeschwader oben ausgelie-
    fert, das seine Bombenschächte über der
    Stadt entleert. Hier weht kein Weltgeist, son-
    . dem die Dinge schlagen zu. Die Macht der
    Dinge (das Geschwader, die Bombe) und die
    Ohnmacht der Menschen (die Lage der Kel-
    lerinsassen) bilden eine antagonistische Re-
    alität. Alle diese Elemente sind keine Nomi-
    na und sie sind keine Realia. Sie sind ein Wi-
    derspruchszusammenhang, Wir Menschen
    sind deshalb nicht ohnmächtig.
An anderer Stelle in der Rede - im Kontext der doppelten Souveränität, der europäischen und der eigenen, nationalen, von der sein Freund Habermas so gerne spricht - bezieht sich Kluge auf Heine und Marx. Und dass passt nun zu der Rede vom Widerspruchszusammenhang:
    Das ist der Blick
    Heines, wenn er sagt: "Ich bin der inkar-
    nierte Kosmopolitanismus". Er ist einge-
    fleischter Weltbürger und Liebhaber zwei-
    er Länder, über den Rhein hinweg.
    "Wo wird einst des Wandermüden
    letzte Ruhestätte sein?
    Unter Linden an dem Rhein?
    Und als Totenlampen schweben
    nachts die Sterne über mir."
    Diese Verse stellt sich Heine als seine
    Grabinschrift vor.
    In den drei Jahren vor seinem Tod tobt
    1853-1856 der Krimkrieg.
    Die Namen Sewastopol und Krim haben
    für uns eine zeitgenössische Konnotation.
    Es lohnt sich, mit Heines witzerfülltemAu -
    ge den Koalitionskrieg des damaligen Wes-
    tens zu betrachten: England, das theatrali-
    sche Weltausstellungs-Frankreich Napole-
    ons m., Piemont-Sardinien, also der Em-
    bryo Italiens, und das Osmanische Reich
    gegen das Russland des Zaren. Das ist der
    erste moderne Krieg. Anders noch als in
    den napoleonischen Kriegen wird eine
    Massenpresse zum Garanten der Kriegs-
    verlängerung. Erstmals Kriegsfotografie,
    Telegrafie (noch in der Schlacht von Water-
    l00 gibt es nur Brieftauben).
    Karl Marx hat in einer New Yorker Zei-
    tung Tag für Tag über diesen Krieg berich-
    tet. Er beschreibt, wie zaristische Staatsan -
    leihen über die Bankhäuser in Hamburg,
    Wien und London die Börse anfachen. Die-
    se Anleihen gewährleisten die russische
    Rüstung. Der Boom, befeuert durch die ho-
    hen Zinsen der russischen Papiere, finan-
    ziert die Rüstungen der Alliierten gegen
    Russland. Diese ersten Schritte zur Globali-
    sierung der Kriegskosten wird Heine ge-
    nauso beurteilt haben wie Marx.
By the way: hochaktuell und sehr interessant zu lesen, wie Marx als Korrespondent der New-York Daily Tribüne über den Krim-Krieg berichtet. (Nachzulesen in MEW 10, S. 516 ff.)

Nicht im Hinblick auf die Krim, aber am Beispiel eines anderen Konflikts und im Hinblick auf die Wahrnehmung und begriffliche Fassung von Einzelheit, Besonderem und Allgemeinem - denn darum geht es doch wohl - sei hier noch eine Leseprobe von Kluge als literarischem Autor empfohlen:
[Ich gehe davon aus, dass die Veröffentlichung als Leseprobe die Wiederveröffentlichung als Leseprobe erlaubt. Suhrkamp ist vermutlich ja auch mit sich selbst beschäftigt ...]

    Jeden Morgen liest Hegel Zeitung

    Der Philosoph las außer den Berliner Blättern täglich die Edinburgh Review. Er war auf das Detail kapriziert. Das findet sich im Rohmaterial der Nach­richt, nicht in der Meinung. Hegel brauchte mehrere Zeitungen, um unter der Tünche der Meinung die Einzelheiten wiederzuerkennen: Er las nicht, er pro­duzierte. Stets neugierig auf die Wirklichkeit, bestehend aus unbezwinglicher EINZELHEIT (zum Beispiel Familien), dem BESONDEREN und dem ALLGE­MEINEN. Diese Dreiheit ist als Durcheinander und nicht als Nebeneinander wirklich. So zeigt die Wahrheit lange Zeit ihr Medusenhaupt und dann in einem glücklichen Blitz auch ihr Gesicht.
    Während er an Teil IV A seiner Phänomenologie schrieb, fesselten ihn die Be­richte über den Sklavenaufstand in St. Domingue, das wir heute Haiti nennen. Die schwarzen Plantagenarbeiter hatten sich zu Soldaten erklärt und kämpf­ten mit dem Leitsatz: Freiheit oder Tod gegen Franzosen, Briten und Spanier. Die revolutionäre Bewegung hatte 500 000 Seelen erfaßt, die über einen Zeit­raum von hundert Jahren von Afrika in die Karibik geschafft worden waren. Sind sie bereit, ihr Leben für die Freiheit zu wagen, so haben sie den Status von Herren, schloß Hegel. Niemanden aber haben sie zum Knecht, fuhr er in der Rekonstruktion des Rohmaterials der Nachricht fort: die britischen Händler nicht, die Franzosen auch nicht. Er hatte bisher nichts davon gehört, daß diese schwarzen Republikaner ihre eigenen Leute zum Knecht machen wollten, der die Arbeit leistet. Einen Herrenstatus wiederum, folgerte Hegel, konnten sie aus ihrer wilden Heimat in Afrika nicht mitgebracht haben. Er hätte auch nicht ihrer Identität während der Sklaverei entsprochen, die sie doch in jedes neue Leben mitnahmen, weil ein Mensch Identitäten nicht ein­fach ablegen und sich neue aussuchen kann, davon ging Hegel aus. Vielmehr schien ihm die Verwandlung von ehemaligen Sklaven in »Herren« auf einem blitzartigen Impuls des Bewußtseins zu beruhen, der in einer revolutionären Situation entsteht, indem ein Mensch sich am anderen entzündet.
    Währenddessen lieferten die britischen Schiffe weiterhin Zucker nach Euro­pa. Er kam aber von Plantagen auf anderen Inseln als Haiti. Die Revolutio­näre schienen seinerzeit abgeschnitten vom Weltmarkt. Selbst wenn sie auf den großen Plantagen weiterhin gearbeitet hätten (das taten sie aber wohl nicht), hätten sie keine Herrschaft darüber gehabt, wie man das wertvolle Luxusprodukt bis zu den Kaffeetassen von Leipzig und in die Münder der Menschen bringt. Besser, sagte sich Hegel, sie wären wieder Sklaven und hät­ten Arbeit.

    Er schwankte, ob es einen menschlichen Status als Zwitter oder Amphibie gebe, so daß im gleichen Bewußtsein (wie die Köpfe eines Doppeladlers, und wir besitzen zwei Hemisphären des Gehirns) Herr und Knecht zur Kooperati­on kämen. Der eine Teil des Bewußtseins verwandelt sich zu jedem Zeitpunkt in den anderen, und die gegenseitige Anerkennung bringt sowohl den Mut, das Leben einzusetzen, wie die (jetzt aber nicht als Furcht vor dem Herrn be­gründete) Willigkeit zur Arbeit hervor. Das dachte Hegel beim Zeitunglesen, schrieb es aber, so wie er es empfand, nicht ins Manuskript. Ab 11 Uhr, wie es seine Gewohnheit war, begann Hegel mit dem Schreiben. Täglich waren fünfzehn Seiten sein Pensum. An diesem Tage kam er bis zu den Sätzen:
    »Das Individuum, welches das Leben nicht gewagt hat, kann wohl als Per­son anerkannt werden; aber es hat die Wahrheit dieses Anerkanntseins [. . .] nicht erreicht. Ebenso muß jedes auf den Tod des anderen gehen [. . .]. Es verschwindet aber damit aus dem Spiele des Wechsels das wesentliche Mo­ment, sich in Extreme entgegengesetzter Bestimmtheit zu versetzen; und die Mitte fällt in eine tote Einheit zusammen [. . .]. Ihre Tat ist die abstrakte Negation, nicht die Negation des Bewußtseins, welches so aufhebt, daß es das Aufgehobene aufbewahrt und erhellt [. . .].«
    (aus: Alexander Kluge: Das fünfte Buch. Neue Lebensläufe. Suhrkamp Verlag: Berlin 2012, S. 157-158.)
Wie wäre es, wenn Hegel einen Artikel über die Kämpfer des ISIS läse?
Schwankte er, ob es einen menschlichen Status als Zwitter oder Amphibie gebe, so daß im gleichen Bewußtsein Herr und Knecht zur Kooperati­on kämen. Der eine Teil des Bewußtseins verwandelt sich zu jedem Zeitpunkt in den anderen, und die gegenseitige Anerkennung bringt sowohl den Mut, das Leben einzusetzen, wie die Willigkeit zur Arbeit hervor. Hätte Hegel das beim Zeitunglesen gedacht, und hätte er es, so wie er es empfand, abermals nicht ins Manuskript geschrieben, sondern wieder so?
»Das Individuum, welches das Leben nicht gewagt hat, kann wohl als Per­son anerkannt werden; aber es hat die Wahrheit dieses Anerkanntseins [. . .] nicht erreicht.«

Wunderbar, wie Kluge hier erkennbar macht, dass der große Dialektiker hinter den Denkmöglichkeiten von Widerspruchszusammenhängen zurückbleibt und in einem begrifflichen Totalitarismus landet, den auch ein Abu Bakr al-Baghdadi pflegt! Insofern stellt sich nochmal die Frage nach der Bedeutung der Begriffe, aber auch die nach der Berufbarkeit auf eine Aufklärung, die uns - abendländisch - den Anderen so überlegen erscheinen lassen soll ...

Die Herausforderung also: Das was geschieht oder was geschehen ist ("Geschichte") nicht länglich zu denken, sondern als Haufen , - eben als Widerspruchszusammenhang.
Ausgewählte Beispiele:
- Update Ukraine (XXXIII) & Syriana: Staatsattrappen, Rackets, Regime und Milizen - Tomasz Konicz
- Pepe Escobar - The Roving Eye (Das wandernde Auge)
- Georg Seeßlen: Die drei großen Leugnungen. Kleines Statement zur Lage der Dinge

Trackback URL:
https://gebattmer.twoday.net/stories/1022378326/modTrackback

Wise Man Says

"Es gibt so viele Arschloch-Typen wie es menschliche Funktionen, Tätigkeiten und Interessengebiete gibt. Und auf jedem Gebiet kann das Verhältnis von AQ zu IQ ein anderes sein. Kein noch so kopfdenkerisches Verhalten bei einem Thema bietet Gewähr dafür, dass nicht schon beim nächsten der Arschdenk mit voller Wucht einsetzt." Charles Lewinsky, Der A-Quotient

Wise Man Says II

"The illusion of freedom will continue as long as it's profitable to continue the illusion. At the point where the illusion becomes too expensive to maintain, they will just take down the scenery, they will pull back the curtains, they will move the tables and chairs out of the way and you will see the brick wall at the back of the theater." Frank Zappa

Haftungsausschluss

The music featured on this blog is, of course, for evaluation and promotion purposes only. If you like what you hear then go out and try and buy the original recordings or go to a concert... or give money to a down on his luck musician, or sponsor a good busker, it may be the start of something beautiful. If your music is on this blog and you wish it removed, tell us and it shall be removed.

Archiv

Mai 2018
April 2018
März 2018
Februar 2018
Januar 2018
Dezember 2017
November 2017
Oktober 2017
September 2017
August 2017
Juli 2017
Juni 2017
Mai 2017
April 2017
März 2017
Februar 2017
Januar 2017
Dezember 2016
November 2016
Oktober 2016
September 2016
August 2016
Juli 2016
Juni 2016
Mai 2016
April 2016
März 2016
Februar 2016
Januar 2016
Dezember 2015
November 2015
Oktober 2015
September 2015
August 2015
Juli 2015
Juni 2015
Mai 2015
April 2015
März 2015
Februar 2015
Januar 2015
Dezember 2014
November 2014
Oktober 2014
September 2014
August 2014
Juli 2014
Juni 2014
Mai 2014
April 2014
März 2014
Februar 2014
Januar 2014
Dezember 2013
November 2013
Oktober 2013
September 2013
August 2013
Juli 2013
Juni 2013
Mai 2013
April 2013
März 2013
Februar 2013
Januar 2013
Dezember 2012
November 2012
Oktober 2012
September 2012
August 2012
Juli 2012
Juni 2012
Mai 2012
April 2012
März 2012
Februar 2012
Januar 2012
Dezember 2011
November 2011
Oktober 2011
September 2011
August 2011
Juli 2011
Juni 2011
Mai 2011
April 2011
März 2011
Februar 2011
Januar 2011
Dezember 2010
November 2010
Oktober 2010
September 2010
August 2010
Juli 2010
Juni 2010
Mai 2010
April 2010
März 2010
Februar 2010
Januar 2010
Dezember 2009
November 2009
Oktober 2009
September 2009
August 2009
Juli 2009
Juni 2009
Mai 2009
April 2009
März 2009
Februar 2009
Januar 2009
Dezember 2008
November 2008
Oktober 2008
September 2008
August 2008
Juli 2008
Juni 2008
Mai 2008
April 2008
März 2008
Februar 2008
Januar 2008
Dezember 2007
November 2007
Oktober 2007
Juli 2007
Juni 2007
Mai 2007
April 2007
März 2007
Februar 2007
Januar 2007
Dezember 2006
November 2006
Oktober 2006
September 2006
August 2006
Juli 2006
Juni 2006
Mai 2006
April 2006
März 2006
Februar 2006
Januar 2006
Dezember 2005
November 2005
Oktober 2005
September 2005
August 2005
Juli 2005
Juni 2005
Mai 2005
April 2005
März 2005
Februar 2005
Januar 2005

Credits


Aesthetik
Archäologie
Ästhetik des Widerstands
Aus der sozialen Überdruckkammer
Bildung
Futurologie
Kritische Psychologie
Lernen
Literatur unterrichten
Medial
Musik
Musikarchiv
Politik unterrichten
Trash
Unterrichten
Welterklaerung
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren