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Augen-Blicke: Hohwachter Bucht - verstört: Abiturvorbereitung für Lehrer mit Günter Grass

Es war wieder einmal wunderbar in der Hohwachter Bucht.

Hohwacht0514
Dieses wunderbare Aquarell von Frau S. (von gestern) mag einen Eindruck vermitteln von einem Blick auf die Bucht, - die Stimmung, die Farben und die Formen, die man dort wahrnehmen kann, - ein möglicher Blick - anders als jedes Foto (das eben keinen möglichen, sondern den Augen-blicklich verbindlichen Blick abbilden würde)

Leider gibt es dort auch die Kieler Nachrichten - und die meldeten an diesem Wochenende:
Abiturvorbereitung für Lehrer mit Günter Grass
Literaturnobelpreisträger Günter Grass (86) will Deutschlehrern bei der Vorbereitung von Abituraufgaben helfen. Bei einer Lehrerfortbildung am 7. Juli werde er Fragen der Pädagogen zu seiner Novelle "Im Krebsgang" beantworten, teilte das Günter-Grass-Haus am Mittwoch mit.

Ich hätte da zwei bis drei Fragen:
- Wie fanden Sie Nacht fiel über Gotenhafen, 1959, Regie Frank Wisbar?
- Wie war's so in der SS??
- Wer sucht sowas für das Zentralabitur aus??

Na gut: Man muss ja die Kieler Nachrichten nicht lesen, wenn man die Hohwachter Bucht genießen will, - was sehr empfohlen sei ...

"Verborgen hinter blauäugiger Nettigkeit trinke ich, in der Hitze der Nacht, Blut." Zum 100. Geburtstag von George Tabori

Autodafé. Erinnerungen

tabori „Was ich immer erzählen muss, immer sagen muss: dass ich keine Heimat habe, dass ich ein Fremder bin, und das meine ich nicht pathetisch, sondern als gute Sache. Weil ein Schriftsteller, nach meinem Geschmack, muss ein Fremder sein.“
– George Tabori: Deutschlandfunk, 23. Oktober 2002

Anlässlich seines 100. Geburtstages rezensiert DLF noch einmal "Autodafé/Exodus", Wagenbach Verlag, Berlin 2014 , 156 Seiten, 19,90 Euro:
Ein melancholischer Clown in finsteren Zeiten

sowie Neuerscheinungen zum 100. Geburtstag.

Dazu das Kalenderblatt: "Fremdsein gehört zu meinem Beruf"
Allesamt hörenswert!

Hommage an George Tabori zum 90. aus dem Berliner Ensemble vom 24.05.2004, - hier ein Auszug mit der großartigen Senta Berger, die aus des Dichters "Der siebente Akt" liest:

Abschreckend : Heike Schmoll über Christian Kracht. Edgar Wibeau und Friedrich Karl Kaul hohnlachen: "Die quantitative Übergewichtigkeit der Zentralfigur führt zur qualitativen Begrenztheit des realistischen Wirklichkeitsgehalts"

Das Zitat stammt von Rainer Kerndl: Junger Werther in Blue Jeans. Zur Uraufführung von Ulrich Plenzdorfs »Die neuen Leiden des jungen W.« im Landestheater Halle. In: Neues Deutschland, 8.Juni 1972. S. 4,- zitiert nach Georg Jäger: Ein Werther der DDR - Plenzdorfs Neue Leiden des jungen W. im gespaltenen Deutschland:
Friedrich Karl Kaul, der mit massiven Anwürfen die Diskussion um Plenzdorf in der Akademie der Künste (31.Okt. 1972) und in der führenden Literaturzeitschrift Sinn und Form auslöste, vermißte das »sozial-politische Gegengewicht« in Gestalt einer positiven Figur und lastete dem Werk eine »gewichtsmäßige Verfälschung« des »sozialistischen Seins und Werdens« der DDR an, die einhergehe mit einer Art Verhunzung der überlieferten klassischen Kultur ... vor allem in Gestalt eines Fäkalienvokabulars (in: Sinn und Form 25 (1973), H. 1, S. 220)

Wie der Kaul, so das Mietmaul, das die Schmoll da bemüht

Sie merken: Es geht um Literaturkritik. Heike Schmoll (verantwortlich für die Seite „Bildungswelten“ der FAZ), die das Gymnasium liebt, sich dabei allerdings metaphernmäßig zuweilen voll in die Ruine setzt, hat kürzlich einen gefunden, der als früherer Deutschlehrer und Didaktiker durchgeht und der ihr dem Kracht sein Faserland einer abstrusen Kritik unterzieht, die letztlich nur beweisen soll - weil "Faserland" in Niedersachsen heuer Abiturthema war - , dass die Nordländer kein ordentliches Abitur können (vgl. die Debatte dazu auch in der Süddeutschen Zeitung).
Was der an "Faserland" auszusetzen hat, können Sie hier nachlesen: Schmähkritik (544): “Faserland” von Christian Kracht; interessante Anmerkungen zu dem Artikel finden Sie auch bei den Gleisbauarbeiten: Kanon-Bildung: ABSCHRECKEND .

Abschreckend-Schmoll

Abgesehen von den recht durchsichtigen unmittelbar politischen Hintergründen (dazu müsste man etwas sagen über die Hildesheim-Connection in der niedersächsischen Bildungspolitik und darüber, wem hier ans Bein gepinkelt werden soll - was aber hier nicht so interessant ist), stellt sich die Frage nach dem Niveau der Auseinandersetzung:

Wenn man die unsägliche Popliteratur der 90er Jahre kritisieren will, kann man das machen auf dem Niveau eines Georg Seeßlen: Bedeutis und Wixis - Was kann die Popliteratur, und was meint sie zu können - oder man sollte es lassen, sonst muss man sich gefallen lassen (siehe oben) mit der Literaturkritik des Neuen Deutschland à la Kerndl in einem Boot zu sitzen. Darüber hinaus wäre ja auch noch zu fragen, für wie blöde man eigentlich Schülerinnen und Schüler hält, wenn man ihnen nicht zutraut, sich kritisch mit einem Protagonisten auseinanderzusetzen, der ein nicht gerade menschenfreundlicher Zyniker mit einer Vorliebe für fäkalsprachliche Ausdrücke und abartige Phantasien ist. Haben die in den (verbleibenden) zwei Jahren gymnasialen Deutschunterrichts nicht gelernt, zwischen Verfasser und Erzähler zu unterscheiden und - wenn sie denn unterschieden haben - nicht nur die Erzählfigur, sondern auch einen Verfasser-Flachkopf wie Kracht mit seiner und anderer schnöseliger "Tristesse Royale" kritisch wahrzunehmen?

Würde man Goethes Werther mit dem verkniffenen Blick des von Frau Schmoll bemühten Rezensenten lesen, müsste man das Werk wohl als ungeeignet für die Schullektüre verwerfen. Ich habe - das gebe ich zu - in Deutschkursen sogar ein Werk behandelt, in dem ein offensichtlich Verwirrter sich mit Gustaf Gründgens einlässt, eine Minderjährige vögelt (um es mal auf den Schmollpunkt zu bringen!), die er verlässt, als sie schwanger und daran irre wird, und in dem der Autor die Figuren sich so äußern lässt:

Faust (mit der Jungen tanzend):

Einst hatt ich einen schönen Traum
Da sah ich einen Apfelbaum,
Zwei schöne Äpfel glänzten dran,
Sie reizten mich, ich stieg hinan.

Die Schöne:

Der Äpfelchen begehrt ihr sehr,
Und schon vom Paradiese her.
Von Freuden fühl ich mich bewegt,
Daß auch mein Garten solche trägt.

Mephistopheles (mit der Alten):

Einst hatt ich einen wüsten Traum
Da sah ich einen gespaltnen Baum,
Der hatt ein ungeheures Loch;
So groß es war, gefiel mir's doch.

Die Alte:

Ich biete meinen besten Gruß
Dem Ritter mit dem Pferdefuß!
Halt Er einen rechten Pfropf bereit,
Wenn Er das große Loch nicht scheut.


....

Ganz offensichtlich ist [zumindest einer] der Protagonist[en] ein nicht gerade menschenfreundlicher Zyniker mit einer Vorliebe für fäkalsprachliche Ausdrücke und abartige Phantasien ...
.

Abschreckend!

»Quasikristalle« (II): We are all facets of someone else’s internalization

Ganz wunderbar: gestern Abend im Literarischen Salon der Universität Hannover:
Joachim Otte und Eva Menasse
Ein sehr anregendes Gespräch über Perspektiven, Verweise und über das Erzählen überhaupt, das auch Aufschluss darüber gab, warum so viele Rezensenten den Roman für "gescheitert" erklären ... - und doch die einzelnen Kapitel als Erzählungen für gelungen bis große Kunst halten. Das sind sie zweifellos, insbesondere das Auschwitz-Kapitel. Aber warum werden dennoch viele Rezensionen dem Text nicht gerecht?
Ich vermute, es liegt an einer Vorstellung vom Individuum, das das Zentrum eines Romans, der eine Lebensgeschichte erzählt, zu sein habe. Diese Vorstellung eines Zentrums aber zerstört Eva Menasse mit ihrer Erzählweise und gerade das ist das Faszinierende an dem Roman.
Ray Davies hat das in X-Ray schon einmal - ähnlich, mit anderen Metaphern - sehr schön formuliert:

Perhaps everyone exists half in somebody else’s imagination. No one is totally human. We are all facets of someone else’s internalization. Visions of what they want us to be.

Eva-Menasse
Gesprächsmitschnitt [110 Min.]

Visions of what they want us to be
sind das in den Quasikristallen ja nicht, eher Wahrnehmungssplitter von einer Person, die sich erst beim Leser zusammenfügen und zum Bild eines Indiviuums verdichten müssen. Das kann gelingen. Viele Rezensionen lassen darauf schließen, dass es häufig nicht gelingt, - was aber nicht am Text liegt ... Problematischer eher: Der Text ist merkwürdig zeitenthoben. Wo würden Sie Xane jeweils historisch verorten?: Das würde mich schon interessieren, um etwas rauszukriegen nicht nur über die Wahrnehmung bzw. das Wahrgenommen-Werden eines Menschen aus unterschiedlichen Perspektiven, sondern auch darüber, was da eigentlich gesellschaftlich s0 abgeht. Das ist aber wohl nur oder eher den jeweiligen Perspektiven eingeschrieben und muss herausgelesen werden ...
Die Frage, woran sich Erzählweisen zu bewähren haben ...


»Quasikristalle« - Eva Menasse liest

Quasikristallmäßig erhellend auch der Bruder: Wozu Europa? - Robert Menasse.

»Quasikristalle« - Eva Menasse liest

Hymnisch bespricht Rezensentin Sandra Kegel - in der FAS vom 09.02. - Eva Menasses Roman "Quasikristalle". Allein der Titel, der auf die von dem Nobelpreisträger Daniel Shechtmann entdeckten, als "verbotene Symmetrien" bezeichneten Kristalle verweist, versetzt die Kritikerin in Entzücken. Geradezu genialisch gelinge es Menasse, die chemischen Strukturen in Literatur umzusetzen, schwärmt Kegel, die hier der multiperspektivisch erzählten, zwischen "Wahrnehmung und Wahrheit" oszillierenden Geschichte der Heldin Xane Molin folgt.... perlentaucher

Leseprobe beim Perlentaucher : Lohnend! Vielversprechend!!



Ein längerer Ausschnitt erscheint wohl demnächst ist zu sehen und zu hören bei zehnseiten.de - einer empfehlenswerten Seite, die deshalb so heißt, weil man dort Autorinnen/Autoren zehn selbst ausgewählte Seiten aus einem Buch vorlesen lässt!

Hier noch eine Erzählung aus "Lässliche Todsünden" (2009), ebenfalls von der Autorin selbst gelesen; - bei Literaturport.de, wo Sie sich ebenfalls von Autorinnen und Autoren was vorlesen lassen können! --> Tipp: Wilhelm Genazino: Wenn wir Tiere wären

Arno Schmidt (* 18. Januar 1914 - † 3. Juni 1979)

KueheinHalbtrauer

Ges­tern, am 18. Ja­nu­ar, wäre Arno Schmidt 99 Jahre alt ge­wor­den.

Via Audioarchiv kritischer Theorie & Praxis:
Die Schreckensmänner
Ein Ra­dio-​Es­say von Arno Schmidt

Der Al­ter­s­zy­ni­ker und Meis­ter des in­ne­ren Mo­no­logs hat in der Nach­kriegs­zeit neben zahl­rei­chen Er­zäh­lun­gen und sei­nem Haupt­werk Zet­tels Traum auch ei­ni­ge Ra­dio-​Es­says pro­du­ziert – eine Hör­form, die heute fast gänz­lich aus­ge­stor­ben ist. Ge­ra­de in sei­nen Ra­dio-​Es­says wird die um­fas­sen­de Kennt­nis deut­lich, die Schmidt von der ge­sam­ten deut­schen Li­te­ra­tur ge­habt hat, wobei er sich mit Vor­lie­be ver­ges­se­nen und nicht wie­der auf­ge­leg­ten Li­te­ra­ten ge­wid­met hat. In sei­nem Ra­dio-​Es­say Die Schre­ckens­män­ner von 1958 er­zählt Schmidt die düs­te­re Le­bens­ge­schich­te des Schrift­stel­lers und Frei­mau­rers Karl Phil­ipp Mo­ritz und be­spricht des­sen Haupt­werk, den (zum Teil au­to­bio­gra­fi­schen) Roman Anton Rei­ser. Dabei stellt Schmidt die be­eng­ten deut­schen Ver­hält­nis­se des 18. Jahr­hun­derts mit ihrem Hang zu Quie­tis­mus, ver­bohr­ter In­ner­lich­keit und Lei­bes­feind­lich­keit äu­ßerst plas­tisch dar.
Down­load ...

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"Intelligenz lähmt, schwächt, hindert? Ihr werd't Euch wundern! Scharf wie'n Terrier macht se!" – Das steinerne Herz

"Ich finde Niemanden, der so häufig recht hätte, wie ich!" – Die Umsiedler (EA 1953), Bargfelder Ausgabe I.1, S. 275

"Und was heißt schon New York? Großstadt ist Großstadt; ich war oft genug in Hannover." – Trommler beim Zaren, Bargfelder Ausgabe, Werkgruppe I, Band 4, S. 129
http://de.wikiquote.org/wiki/Arno_Schmidt

Arno Schmidt zum vorläufig vorläufigen Wahlergebnis in Niedersachsen:

Die halbe Nazion iss irre; (& die andre Hälfde nich ganz bei Groschn!)

Die Schule der Atheisten, 1971, BA IV/2, 195

Archäologie CVXVVXXXXIII: Martin Walser - Kunstbericht

Literatur-Konkret 1981, S. 9

EINIGE reisen mit ihrer Verzweiflung von einer Gelegenheit zur anderen. Sie sind aber sehr künstlerisch und heikel. Bevor sie zusagen, ihre Verzweiflung zu dem und dem Zeitpunkt in einer bestimmten Stadt auszustellen, verlangen sie phantastische Garantiesummen. Würden ihnen die nicht gewährt, möchten sie sich mit ihrer Verzweiflung gar nicht mehr von der Stelle rühren. Aber die Summen werden garantiert, weil man ihre Verzweiflung endlich auch aus der Nähe erleben will. Dann hat man also diese wunderbare Verzweiflung in unserer Stadt. Man streichelt sie, die Verzweiflung. Man frägt ihn, den Besitzer, ob seine Verzweiflung auch uns streicheln könne. Nur einmal, bitte. Oder ob sie, die in der glanz- und elendsvollen, also unübertrefflich geschmackssicher entworfenen Koje kauert, wenigstens einmal die Augenlider heben könne zu einem einzigen Verbindlichkeitsblick. Aber während wir noch sprechen, verfinstert sich das Gesicht des Verzweiflungsbesitzers auf eine Weise, daß das Licht im Umkreis der 27-Kubikmeter-Koje einfach weggefressen wirkt. Wir haben eine Fehlbitte getan. Das sieht uns gleich. Bitte, antworten Sie uns nicht, Herr der Verzweiflung, wir nehmen die törichte Bitte zurück. Wir sehen schon, daß Ihre Verzweiflung mit uns nichts gemein haben will. Sie haben eine Verzweiflung, an die können wir nicht einmal hinriechen. Obwohl wir das gern täten. Aber gegen Ihre Verzweiflung sind wir einfach der letzte Dreck. Ja, ja, sagen Sie's uns nur immer wieder ins Gesicht, Sie höherer Mensch, Sie. Wir scheiden von Ihnen noch zerknirschter als wir gekommen sind. Rückwärts gehend verschwinden wir. Die Verzweiflung selber rührt sich natürlich nicht. Sie läßt sich nicht anmerken, ob sie uns überhaupt bemerkt hat. Sie sitzt einfach, Hände zwischen den Knien, ein Bild ihrer selbst. Man kann sie nicht erreichen, aber ehren. Lieben. Man möchte sie umarmen. Vielleicht hat sie paradiesische Ekzeme. Gerüche. Schwarze Unterhosen. Tätowierungen, die Erdteile zeigen, in denen noch niemand war. Nichts weiß man von ihr. Das will er so, der Besitzer. Wir grüßen. Wir gehen. Wir träumen. Als der Herr mit seiner Verzweiflung schon weitergereist ist, fangen wir an zu diskutieren. Hatte sie wirklich die Hände zwischen den Knien? Hatte sie nicht vielmehr die Beine übereinandergeschlagen? Und was wäre für eine so schöne Verzweiflung die richtige Haltung? Wir wissen es nicht. Uns muß es gesagt werden. Zum Glück gibt es Zeitungen, in denen alles steht, was wir über jene einmalig schöne Verzweiflung wissen müssen. Seit langem lesen wir nun in den besten Zeitungen, wie überall in der Welt jene herrliche Verzweiflung aufgenommen wird. Inzwischen ersetzt uns die Zeitung die Verzweiflung, gewissermaßen. Wenn wir uns genau prüften, würden wir wahrscheinlich feststellen: Zeitung und Verzweiflung, das ist eins. Der Herr der Verzweiflung ist der Herr der Zeitung. Es gibt nur eine Messe und das ist seine Messe. Und auf dieser Messe nur eine Koje und das ist seine Koje. Und in dieser Koje nur eine Verzweiflung und das ist seine Verzweiflung. Und die hat die Hände voller Zeitung, und das ist seine Zeitung, denn Zeitung und Verzweiflung, das ist eins. Das sollten wir, die Leute draußen im Land, eigentlich längst gelernt haben. Aber anstatt zu lernen, diskutieren wir, beugen uns in die Zeitung, beziehungsweise in die Verzweiflung.

BILD-Interview (12.07.2011) mit Schriftsteller Martin Walser (83) „Die Politik hat Sarrazin töricht schnell verurteilt“ -

Update:


via berlintürk.de

Archäologie CVXVVI: Franz Kafka - Der Process / Hörspiel I

10 Stunden Hörspiel und Download; - der Bayerische Rundfunk muss gelobt werden ob dieses Projekts:

kafka3

Ohne Anfang
Max Brod, der Freund Franz Kafkas, meinte es gut, als er, ein Jahr nach dessen Tod, im Verlag Die Schmiede einen Roman herausbrachte, der genau genommen gar nicht existierte:
Der Prozess, 1925 veröffentlicht, begründete tatsächlich den Weltruhm Kafkas. Doch nicht einmal Anfang und Ende dieses Werks können als gesichert gelten, auch nicht der einleitende, seit frühester Lektüre so vertraute und markante Satz:

Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.

Denn der Autor hinterließ nur sechzehn, nicht nummerierte handschriftliche Konvolute, und diese wollte er obendrein vernichtet wissen.

Das Konzept, 16 files ohne eine eindeutige Reihenfolge anzubieten, entspricht dem der historisch-kritischen Ausgabe sämtlicher Handschriften, Drucke und Typoskripte zu Franz Kafkas fragmentarischem Werk Der Process, die Roland Reuß und Peter Staengle 1997 im Verlag Stroemfeld/Roter Stern publizierten.


Der Process
Mit Rufus Beck, Samuel Finzi, Corinna Harfouch, Jürgen Holtz, Milan Peschel, Jeanette Spassova, Thomas Thieme, Manfred Zapatka
Ton: Andreas Meinetsberger
Regie: Klaus Buhlert
BR 2010, 16 Teile

Franz-Kafka-Der-Process-10-Stunden-Hoerspiel-und-Download-Hoerspiel-und-Medien_2011-01-06_22-48-27

Zum Download unbedingt empfohlen!
Ursendung: bis 6. Januar 2011, täglich 20.30 Uhr, Bayern 2
Download: abgeschlossen am 28. Januar 2011, Hörspiel Pool
Hörbuchveröffentlichung: 14. Januar 2011, Der Hörverlag

Nach wie vor faszinierend:
Kafka-The-Trial-1962-Trailer
The Trial (1962)

Directed by Orson Welles
Starring Andy Perkins, Orson Welles, Jeanne Moreau, Romy Schneider, Elsa Martinelli

Zuweilen XI: Man könnte natürlich vor die Tür gehen und allen einen guten Tag sagen

Zuweilen bemerkt man erst, wenn man vom Tod eines Menschen erfährt, dass er einem eigentlich schon länger gefehlt hat.
peter-o-chotjewitz-151210-2-540x304
Peter O. Chotjewitz ist am 15. Dezember im Alter von 76 Jahren gestorben.
Vor kurzem hatte er sich von der Konkret-Redaktion noch ein Buch zur Rezension gewünscht: Sabine Peters' Roman über seinen Schriftstellerkollegen Christian Geissler, mit dem der ehemalige Rechtsanwalt Chotjewitz das politische Engagement, insbesondere für die Gefangenen der RAF, teilte und der 2008 ebenfalls an Krebs gestorben war. Da er die Buchbesprechung nicht mehr schreiben konnte, bat Chotjewitz am 1. Dezember KONKRET-Redakteurin Marit Hofmann, ihn spontan zu seiner Lektüre zu interviewen.
Das kurze Gespräch, in dem auch die Themen Krebs und Tod zur Sprache kamen, ist auf Seite 64 in der Printausgabe nachzulesen. Bis zuletzt war er bemüht, seine Gesprächspartnerin aufzumuntern.


...
Vor einem Jahr hast du einen Text über den Umgang mit dem Krebs unter dem Titel "Tod den Ärtsten" geschrieben. Siehst du Parallelen dazu, wie Geissler auf die Krankheit und den Medizinbetrieb reagiert hat?

Auch Geissler hat, wie ich es nun tun werde, die Therapien abgebrochen.




christian geissler
zutraulich


als dein jagender atem
niedergemacht hatte klein
all meine wörter

zum trösten

sind um
dich her
ins bersten

geflogen

flüsternamen
aus deiner liebe
viele

jeder

hat seinen gesagt
leise
als wind

unter die last deiner geflügelten angst



Nicht niedergemacht und kleingemacht die Wörter schrieb Chotjewitz zuletzt:

... Die 68er sind jetzt um die 68 und dürfen, prekär verrentet, noch einmal das 68er-Wohlfühl-Gefühl genießen, und die Enkel erleben das, wovor ihre Eltern sie immer gewarnt haben. "Stuttgart 21" wiederbelebt, das muss man der Baumafia lassen, einen historischen Erfahrungshorizont, der Identität stiftet und dem Aussteiger in spe, der gerne auf die Chance verzichtet, überhaupt einzusteigen, die Chance bietet, am eigenen Leib zu erleben, wie sich das angefühlt hat, als Oma beim Schahbesuch eine Dachlatte auf den Kopf kriegte. Funktionierende Gesellschaften brauchen Niederlagen, um dumm zu bleiben. Jahrzehntelang war das 68er-bashing ein Volkssport. Jetzt flattern sie wieder über den Bildschirm, vorbildlich.
chotjewitz_tazblog
Vergessen wir auch nicht: Was einst im römischen Kolosseum der Kampf mit den wilden Tieren war, ist heute die Demo, die mit hoheitlicher Zwangssaftigkeit aufgelöst wird, egal ob angemeldet: Erschütternde Szenen fürs Herz, blau geschlagene Augen, blutende Nasen, hysterische Mütter, jauchzende Kleinkinder, feixende Jugendliche, vermummte Gestalten (zumeist Ordnungshüter), Polizisten, die um ihre Frühstückseier fürchten.

Oppositionelle Kundgebungen dienen der öffentlichen Frustabfuhr, das ist ihre Aufgabe, ihre historische Dimension, sozialpsychologische Hygiene. Die Väter des Grundgesetzes beiderlei Geschlechts wussten um den Verfassungsrang des Demonstrationsrechts. Gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei sind die Rülpser und Fürze der Demokratie, befreiende Magenwinde, die den schmerzenden Leib von den schädlichen Faulgasen befreien, die das Leben in dieser irrationalen und lange überholten ökonomischen, sozialen und politischen Ordnungsödnis uns tagtäglich zumutet.

Die gequälte Volksseele ist eine echte Kassandra. Lange hat sie geschwiegen. Stumm wie Homer zugeschaut, wie die Geldverwalter ihre Stadt in eine verspiegelte Fata Morgana verwandelt haben. Jetzt schlägt sie ihre zweischneidige Streitaxt dem trojanischen Pferd in die Flanken, um die Laokoons der Bad Banks zu erwürgen, wie eine schreckliche Seeschlange und ihre politischen Kommissionäre aus dem Muff ihrer gepanzerten Leibwächter und sonnenbebrillten Dienstwagen und Villen zu vertreiben. Schluss mit dem Fortschritt durch fortschreitende Vernichtung...




Im Frühjahr erscheint von Peter O. Chotjewitz der Erinnerungsband: Mit Jünger einen Joint aufm Sofa, auf dem schon Goebbels saß, herausgegeben von Jürgen Roth (Verlag Büchse der Pandora).

Peter O.Chotjewitz: Eine vage Geschichte

Metamorphosis I

Nabokov Improves On Kafka's 'Metamorphosis'
Well, not of interest to everyone, but this is the corrected text of master writer Fraz Kafka's 'Metamorphosis' by the Russian master writer Vladimir Nabokov.
WOF loves both these writers and we think that maybe, just maybe, Nabokov is correct is saying that his work has improved on Kafka.
We shall, as always leave the final decision to you, dear readers
.
nabokov_on_kafka723818

Interessant wäre es, die Varianten - z.B. im Deutsch-Leistungskurs, wenn es den denn noch gäbe und die Spielräume, solche Fragen zu verfolgen! - zu vergleichen - oder sogar Verschiebungen von Bedeutungsnuancen in Übersetzungen zu untersuchen: etwa a. B.
fand er sich zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt --> gigantic insect <--> monstrous insect ...

Wise Man Says

"Es gibt so viele Arschloch-Typen wie es menschliche Funktionen, Tätigkeiten und Interessengebiete gibt. Und auf jedem Gebiet kann das Verhältnis von AQ zu IQ ein anderes sein. Kein noch so kopfdenkerisches Verhalten bei einem Thema bietet Gewähr dafür, dass nicht schon beim nächsten der Arschdenk mit voller Wucht einsetzt." Charles Lewinsky, Der A-Quotient

Wise Man Says II

"The illusion of freedom will continue as long as it's profitable to continue the illusion. At the point where the illusion becomes too expensive to maintain, they will just take down the scenery, they will pull back the curtains, they will move the tables and chairs out of the way and you will see the brick wall at the back of the theater." Frank Zappa

Haftungsausschluss

The music featured on this blog is, of course, for evaluation and promotion purposes only. If you like what you hear then go out and try and buy the original recordings or go to a concert... or give money to a down on his luck musician, or sponsor a good busker, it may be the start of something beautiful. If your music is on this blog and you wish it removed, tell us and it shall be removed.

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