Kapitalismus braucht keine Demokratie, aber (hierzulande) Antisemitismus
Die FAS heute: Politiker von Koalition und Opposition haben die Herabstufung wichtiger Euro-Länder durch die Rating-Agentur Standard&Poor‘s (S&P) als Angriff gegen den Euro bewertet. Der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Michael Fuchs sprach gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (F.A.S.) von „Attacken auf den Euro“. Der Europa-Politiker Elmar Brok (CDU) sagte, die Herabstufung käme in der Konsequenz „fast einem Währungskrieg“ gleich. Der Vorsitzende der Sozialistischen Fraktion im Europaparlament Martin Schulz nannte die Herabstufung gegenüber der F.A.S. einen „gezielten Angriff auf die Stabilität des europäischen Rettungsschirms“.
Brok äußerte den Verdacht, dass die Agenturen „anglo-amerikanische Interessenpolitik“ betreiben.
Der WELT fällt immerhin auf: Sprache ist verräterisch... Wer "anglo-amerikanisch" statt etwa das geläufigere "angelsächsich" sagt, tut das gemeinhin, um möglichst viel Abstand zu gewinnen.
Weil im "sächsischen" eben auch immer der deutsche Ursprung durchschimmert. Und wir haben ja nun gar nichts mit diesen "raffenden" Finanzjongleuren zu tun, wie die Nazis es ausdrückten, die ebenfalls gerne das Wort vom "anglo-amerikanischen Finanzkapital" benutzen – genauso gern wie linksradikale Kapitalismuskritiker.
Diese Begrifflichkeit dient dazu, die Finanzwelt als etwas Andersartiges, den Deutschen und den Europäern Fremdes auszugrenzen, um einen externen Sündenbock für die Euro-Krise zu finden. Und sie hat einen antisemitischen Unterton, denn, nicht wahr (zwinker, zwinker), wir wissen ja, wer an der New Yorker Börse eigentlich die Strippen zieht.
Es gibt inzwischen erstaunlich viele Politiker, die explizit wie Brok oder nur andeutungsweise an einer Verschwörungstheorie stricken, wonach London und New York den Euro kleinkriegen wollen.
Der Rest des Artikels geht der WELT voll in die Hose, weil die Krise wiedermal Ergebnis einer anderen Verschwörung ist – ... einer zwischen Regierenden und Regierten ... Aber immerhin nimmt da einer etwas wahr, das wahrzunehmen ich schon dachte, sei skuril geworden, weil ich "anglo-amerikanisch" immer noch mit den Luftlagemeldungen des OKW assoziiere: Anglo-Amerikanische Bomberverbände im Raum Hannover-Braunschweig im Anflug auf die Reichshauptstadt, also mit einem dummen, antisemitisch aufgeladenen Antiamerikanismus ... und mich schäme, wenn das jemand heute so ohne jedes Bewusstsein (oder gerade im vollen Bewusstsein) der historischen Kontexte rausrotzt.
Im Übrigen und was das Downrating angeht: Willkommen in der Realität, Michel!
Alles Leugnen, Hoffen und Betteln hilft nicht. Der ökonomischen Kontraktion wird sich die Bundesrepublik nicht entziehen können. Man darf gespannt sein, wie diejenigen, für die vor ein paar Monaten eine Rezession „nicht in Sicht“ war, mit der kommenden Entwicklung umgehen werden. Potenzielle Sündenböcke sollten schon mal Deckung suchen.
Es gibt ein paar einfache ökonomische Regeln, die nicht nur von Politikern gern übersehen oder nicht verstanden werden. Eine davon ist die nicht auszumerzende Verwechslung von „Bedürfnissen“ mit „Nachfrage“. Sie kennen das unselige Beispiel vom Krieg. Alles sei kaputt, deshalb gebe es eine hohe Nachfrage. Leider falsch. Es gibt unzählige Bedürfnisse, aber Nachfrage heißt, dass ich auch etwas anbieten kann. Wer nichts hat, fragt auch nichts nach.
Auch die schlichten Zusammenhänge zwischen den Exporten eines Landes und den Importen der Abnehmerländer sind offenbar aller Einfachheit zum Trotz unklar. Dabei ist das Prinzip einfach. Was niemand im Ausland nachfragt, das kann ich dort niemandem verkaufen. Haben mögliche Käufer weniger Mittel für Käufe im Ausland hergestellter Waren, dann sinkt die Nachfrage nach diesen und mit der Nachfrage schrumpfen auch meine Exporte. Zuerst zeigt sich ein Rückgang der Nachfrage bei den Auftragseingängen. Der unlängst für die deutsche Industrie gemeldete Einbruch auf Jahresbasis war der stärkste seit Oktober 2009. Willkommen zurück. ... Weiterlesen bei Bankhaus Rott!
S&P’s downgrade of a bunch of European sovereigns was no surprise. What was somewhat surprising — and which went unmentioned in almost all the news stories I’ve read — was why S&P has gotten so pessimistic. From their FAQs:
German chancellor Angela Merkel has called on eurozone governments speedily to implement tough new fiscal rules after Standard & Poor’s downgraded the credit ratings of France and Austria and seven other second-tier sovereigns.
Still barreling down the road to nowhere.
Quelle: Paul Krugmans Blog via nds
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Anmerkung: Es empfiehlt sich immer mal auf die Eigentumsverhältnisse zu schauen:
... Kritiker meinen, die Ratingagenturen machten von Nordamerika aus bewusst Politik gegen europäische Staaten und Banken und zugunsten amerikanischer Spekulanten. Dabei wird jedoch geflissentlich übersehen, dass Fitch zu 60 Prozent einer Holding gehört, die wiederum mehrheitlich von Marc Ladreit de Lacharrière kontrolliert wird – von einem Franzosen. Ist es ein Zufall, dass nun die französische Agentur Fitch den französischen Staat öffentlichkeitswirksam aus der Schusslinie des Finanzmarktes zu nehmen versucht – während S & P und Moody’s weiter damit drohen, Frankreichs Bonitätsnote herabzustufen? Klar ist nur: Falls es S & P oder Moody’s 2012 wagen sollten, an Frankreichs Zahlungsfähigkeit zu zweifeln, ist garantiert, wer zu den vermeintlich Bösen zählt und wer zu den vermeintlich Guten.
Badische Zeitung - Eilmeldung: Es passiert nichts
Brok äußerte den Verdacht, dass die Agenturen „anglo-amerikanische Interessenpolitik“ betreiben.
Der WELT fällt immerhin auf: Sprache ist verräterisch... Wer "anglo-amerikanisch" statt etwa das geläufigere "angelsächsich" sagt, tut das gemeinhin, um möglichst viel Abstand zu gewinnen.
Weil im "sächsischen" eben auch immer der deutsche Ursprung durchschimmert. Und wir haben ja nun gar nichts mit diesen "raffenden" Finanzjongleuren zu tun, wie die Nazis es ausdrückten, die ebenfalls gerne das Wort vom "anglo-amerikanischen Finanzkapital" benutzen – genauso gern wie linksradikale Kapitalismuskritiker.
Diese Begrifflichkeit dient dazu, die Finanzwelt als etwas Andersartiges, den Deutschen und den Europäern Fremdes auszugrenzen, um einen externen Sündenbock für die Euro-Krise zu finden. Und sie hat einen antisemitischen Unterton, denn, nicht wahr (zwinker, zwinker), wir wissen ja, wer an der New Yorker Börse eigentlich die Strippen zieht.
Es gibt inzwischen erstaunlich viele Politiker, die explizit wie Brok oder nur andeutungsweise an einer Verschwörungstheorie stricken, wonach London und New York den Euro kleinkriegen wollen.
Der Rest des Artikels geht der WELT voll in die Hose, weil die Krise wiedermal Ergebnis einer anderen Verschwörung ist – ... einer zwischen Regierenden und Regierten ... Aber immerhin nimmt da einer etwas wahr, das wahrzunehmen ich schon dachte, sei skuril geworden, weil ich "anglo-amerikanisch" immer noch mit den Luftlagemeldungen des OKW assoziiere: Anglo-Amerikanische Bomberverbände im Raum Hannover-Braunschweig im Anflug auf die Reichshauptstadt, also mit einem dummen, antisemitisch aufgeladenen Antiamerikanismus ... und mich schäme, wenn das jemand heute so ohne jedes Bewusstsein (oder gerade im vollen Bewusstsein) der historischen Kontexte rausrotzt.
Im Übrigen und was das Downrating angeht: Willkommen in der Realität, Michel!
Alles Leugnen, Hoffen und Betteln hilft nicht. Der ökonomischen Kontraktion wird sich die Bundesrepublik nicht entziehen können. Man darf gespannt sein, wie diejenigen, für die vor ein paar Monaten eine Rezession „nicht in Sicht“ war, mit der kommenden Entwicklung umgehen werden. Potenzielle Sündenböcke sollten schon mal Deckung suchen.
Es gibt ein paar einfache ökonomische Regeln, die nicht nur von Politikern gern übersehen oder nicht verstanden werden. Eine davon ist die nicht auszumerzende Verwechslung von „Bedürfnissen“ mit „Nachfrage“. Sie kennen das unselige Beispiel vom Krieg. Alles sei kaputt, deshalb gebe es eine hohe Nachfrage. Leider falsch. Es gibt unzählige Bedürfnisse, aber Nachfrage heißt, dass ich auch etwas anbieten kann. Wer nichts hat, fragt auch nichts nach.
Auch die schlichten Zusammenhänge zwischen den Exporten eines Landes und den Importen der Abnehmerländer sind offenbar aller Einfachheit zum Trotz unklar. Dabei ist das Prinzip einfach. Was niemand im Ausland nachfragt, das kann ich dort niemandem verkaufen. Haben mögliche Käufer weniger Mittel für Käufe im Ausland hergestellter Waren, dann sinkt die Nachfrage nach diesen und mit der Nachfrage schrumpfen auch meine Exporte. Zuerst zeigt sich ein Rückgang der Nachfrage bei den Auftragseingängen. Der unlängst für die deutsche Industrie gemeldete Einbruch auf Jahresbasis war der stärkste seit Oktober 2009. Willkommen zurück. ... Weiterlesen bei Bankhaus Rott!
S&P’s downgrade of a bunch of European sovereigns was no surprise. What was somewhat surprising — and which went unmentioned in almost all the news stories I’ve read — was why S&P has gotten so pessimistic. From their FAQs:
- We also believe that the agreement [the latest euro rescue plan] is predicated on only a partial recognition of the source of the crisis: that the current financial turmoil stems primarily from fiscal profligacy at the periphery of the eurozone. In our view, however, the financial problems facing the eurozone are as much a consequence of rising external imbalances and divergences in competitiveness between the EMU’s core and the so-called “periphery”. As such, we believe that a reform process based on a pillar of fiscal austerity alone risks becoming self-defeating, as domestic demand falls in line with consumers’ rising concerns about job security and disposable incomes, eroding national tax revenues.
German chancellor Angela Merkel has called on eurozone governments speedily to implement tough new fiscal rules after Standard & Poor’s downgraded the credit ratings of France and Austria and seven other second-tier sovereigns.
Still barreling down the road to nowhere.
Quelle: Paul Krugmans Blog via nds
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Anmerkung: Es empfiehlt sich immer mal auf die Eigentumsverhältnisse zu schauen:
... Kritiker meinen, die Ratingagenturen machten von Nordamerika aus bewusst Politik gegen europäische Staaten und Banken und zugunsten amerikanischer Spekulanten. Dabei wird jedoch geflissentlich übersehen, dass Fitch zu 60 Prozent einer Holding gehört, die wiederum mehrheitlich von Marc Ladreit de Lacharrière kontrolliert wird – von einem Franzosen. Ist es ein Zufall, dass nun die französische Agentur Fitch den französischen Staat öffentlichkeitswirksam aus der Schusslinie des Finanzmarktes zu nehmen versucht – während S & P und Moody’s weiter damit drohen, Frankreichs Bonitätsnote herabzustufen? Klar ist nur: Falls es S & P oder Moody’s 2012 wagen sollten, an Frankreichs Zahlungsfähigkeit zu zweifeln, ist garantiert, wer zu den vermeintlich Bösen zählt und wer zu den vermeintlich Guten.
Badische Zeitung - Eilmeldung: Es passiert nichts
gebattmer - 2012/01/15 21:36