Archäologie (CDI): Vom Lachen der Killer - Oder auch: NS-Konjunkturen im deutschen Nachkriegskino und das (fehlende/falsche) Psychogramm der Tötungslust
Eine historische Revision
Von Dietrich Kuhlbrodt, nebst notwendiger Ergänzungen und Anmerkungen von Klaus Theweleit:- Nach 1945 gab es vier Strategien, den Deutschen, die nun Ex-Nazis geworden waren, zu versichern, dass vorbei nicht vorbei ist. Wir sind nach wie vor Deutsche. Und dass es nur das nach wie vor feindliche Ausland ist, das Deutsche als Nazis vorführt. Solche Filme galten als „antideutsch“.
Sie hatten keine Chance im Kino. Ein Film wie „Casablanca“ wurde um das Antideutsche bereinigt und von 120 auf 80 Minuten gekürzt. United Artists übte „aus verleihtechnischen Gründen“ Selbstzensur und brachte den Film 1952 ins Kino. Den wirtschaftlichen Erwägungen der ausländischen Verleihe, denen sich in der jungen Bundesrepublik Deutschland (BRD) ein relevanter Markt eröffnete, kam bereits 1949 die Britische Besatzungsmacht zur Hilfe, die die Einfuhr des dänischen Films „Die roten Wiesen“ untersagte, da “der Streifen antideutsch sei und deshalb unter den Zuschauern unerwünschte Regungen hervorrufen könnte“.
In den 1950er Jahren wurde im deutschen Film die Strategie des Wir-Deutsche-waren-keine-Nazis schon aus dramaturgischen Gründen verbessert. Es gab im Einzelfall doch einen Nazi, und der war der Böse. Das hatte den Vorteil, dass alle anderen Deutschen die Guten waren. Die vielen Militärfilme dieser Zeit waren nach dem Muster gestrickt, dass es in der Wehrmacht keine Nazis gab, ja dass alles gutgegangen wäre, wenn es nicht einen Verräter, Spion, Kommunisten oder einen fiesen Gestapobonzen gegeben hätte. Zu diesen Filmen zählt auch „Nacht fiel über Gotenhafen“ (1959), der erste deutsche Film über den Untergang der Wilhelm Gustloff 1945 in der Ostsee. Da es seit März 2008 den zweiten deutschen Gustloff-Film („Die Gustloff“) gibt, haben wir Anlass, die Filme „Der Untergang“ und „Die Gustloff“ zu vergleichen... Vgl. Gotenhafen revisited - ein Seelischer Stunt
- Ende der 1990er Jahre veränderte sich die Stimmung. In Berlin/Zürich/New York waren 1999 Piotr Uklanski’s „The Nazis“ erschienen: seine Sammlung von Postern und Filmstills, die Hollywoods Schauspielerelite in Naziuniformen zeigte. Das Buch kommentierte die ganzseitigen Posen nicht (mehr dazu auf ikonenmagazin.de). Die Nazis waren geil geworden.
Psychogramm der Tötungslust
In Klaus Theweleits "Das Lachen der Täter: Breivik u.a., Psychogramm der Tötungslust" geht es um die Lust zu töten - nicht gezwungen, nicht befohlen, sondern weil man will. Und es geht um den Körper, um Erfahrungen, darum, was in ihnen gespeichert ist. Dabei hat der Autor eine ganz eigene Sprachform entwickelt...Sehr lesenswert die Rezension von Frank Hertweck beim Deutschlandfunk
- Klaus Theweleit: Das Lachen der Täter: Breivik u.a., Psychogramm der Tötungslust, Residenz Verlag, 246 Seiten, 22,90 Euro
__________________
Ergänzung zu den NS-Konjunkturen im deutschen Nachkriegskino; hier zur Rolle Fassbinders:
Illusion Travels By Streetcar #58
The First Fassbinder Episode (1966-1970)
gebattmer - 2015/05/15 18:28
Trackback URL:
https://gebattmer.twoday.net/stories/1022432830/modTrackback