Updated: Autoritärer Kapitalismus - Desintegration - Merkelianismus und die autoritär-nationalradikale Revolte
Die AfD stellt vor allem das Deutsch-Sein in den Mittelpunkt - Deutsch-Sein wird als Anerkennungsressource aktiviert
Der Soziologe Wilhelm Heitmeyer über die Erfolge der AfD in Gelsenkirchen, der ärmsten Stadt Deutschlands und der Hochburg der AfD im Westen, und die Unterschiede zwischen Ost und West (Telepolis, 25. Oktober 2017)
(Interview von Markus C. Schulte von Drach in der Süddeutschen vom 4. Oktober 2017)
Wilhelm Heitmeyer, 72, war bis 2013 Direktor des Institus für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld. Seit den 80er Jahren untersuchte er Rechtsextremismus, von 2002 bis 2012 lief seine Langzeitstudie zur "gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit". --> Heitmeyer bei GBlog!
Vgl. Autoritärer Kapitalismus - Desintegration - Merkelianismus und die autoritär-nationalradikale Revolte
Leseempfehlungen:
Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 42-43/2017)
(Anti-)Faschismus
Das weltweite Erstarken nationalistischer, autoritärer und gegen Minderheiten gerichteter Strömungen hat neues Interesse am historischen (Anti-)Faschismus geweckt. Ab wann ist es gerechtfertigt, rechtsgerichtete Bewegungen und Regierungen als faschistisch zu bezeichnen? Wie real ist die Gefahr des Faschismus heute, wer sind seine Gegner?
Hier als pdf.
... fällt auf, dass die alte Bundesrepublik angesichts aktueller globaler Unsicherheit und Identitätskrisen mehr und mehr romantisiert und idealisiert wird, es wächst die Sehnsucht nach dem scheinbar heimeligen Rheinischen Kapitalismus und dem Biedermeier von Helmut Schmidt und »Wetten Dass?«. In ihrer aus ihren Büchern gespeisten Rückschau erinnern Witzel und Felsch an die untergründige Gewalt und die Düsternis der alten BRD , die ihr ideales Aushängeschild eher in Eduard Zimmermann als in Frank Elstner fand...
Frank Witzel, Philipp Felsch
BRD Noir
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Volker Weiß: Die autoritäre Revolte
Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes
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Der Soziologe Wilhelm Heitmeyer über die Erfolge der AfD in Gelsenkirchen, der ärmsten Stadt Deutschlands und der Hochburg der AfD im Westen, und die Unterschiede zwischen Ost und West (Telepolis, 25. Oktober 2017)
- ... Integration darf man nicht nur für Migranten reservieren, denn auch Teile der ursprünglichen Deutschen sind nicht integriert. Das gilt für Anerkennungsressourcen, und auch politisch wird diese Gruppe nicht gehört. Sie fühlen sich dann vernachlässigt und die Schlüsselkategorie wird das Deutsch-Sein. Man kann an vielen Stellen Arbeitsplätze verlieren, man kann politisch nicht gehört werden, die sozialen Beziehungen in Familien oder Milieus können zerbrechen, aber das Deutsch-Sein kann einem niemand nehmen und daran koppelt sich die AfD...
(Interview von Markus C. Schulte von Drach in der Süddeutschen vom 4. Oktober 2017)
Wilhelm Heitmeyer, 72, war bis 2013 Direktor des Institus für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld. Seit den 80er Jahren untersuchte er Rechtsextremismus, von 2002 bis 2012 lief seine Langzeitstudie zur "gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit". --> Heitmeyer bei GBlog!
- ... Ich habe bereits 2001 vor einer Entwicklung gewarnt, deren Gewinner ein rabiater Rechtspopulismus sein würde. Unsere These war damals: Mit Hilfe der Globalisierung breitet sich ein autoritärer Kapitalismus aus, der einen erheblichen Kontrollgewinn über die Gesellschaft erzielt. Zugleich führt er zu einem Verlust der Kontrolle nationalstaatlicher Politik.
In Teilen der Bevölkerung wird es außerdem so wahrgenommen, dass sie auch selbst Kontrolle verlieren - über die eigene Biografie, und auch über die Politik. Das führt bei ihnen zu einer Demokratie-Entleerung und zu Desintegration. Dadurch wächst die Gefahr, dass diese Menschen ihr Heil bei den Rechten suchen, die ihnen versprechen, ihnen die Kontrolle zurückzugeben.
Integriert sein bedeutet, dass Menschen Zugang zu den Institutionen der Gesellschaft wie dem Arbeitsmarkt, dem kulturellen und politischen Leben haben, und auch - das ist sehr wichtig - dass sie sich als anerkannt wahrnehmen. Das Wahrgenommenwerden und die Anerkennung sind für viele aber nicht gewährleistet. Das gilt nicht nur für Zugewanderte und Flüchtlinge, sondern auch für Einheimische, vor allem für viele Menschen im Osten. Nach der Wiedervereinigung wurde bei vielen die Leistung eines ganzen Lebens entwertet. Ganze Landstriche sind dort desintegriert.
Menschen haben das Gefühl, dass sie oder die Gruppe, der sie sich zugehörig fühlen, in der Politik keine Stimme haben, dass sie überhaupt nicht wahrgenommen werden. Und bekanntlich ist der, der nicht wahrgenommen wird, ein Nichts. Das wiederum schwächt den Glauben an die Demokratie. Sie verliert an Bedeutung. Es kommt zu einer Demokratie-Entleerung. Das heißt, der Apparat läuft zwar wie geschmiert, aber die notwendige Substanz des Vertrauens verflüchtigt sich.
Das geschieht schleichend schon seit langem. Bereits 2002 konnten wir feststellen, dass etwa 20 Prozent der Bevölkerung rechtpopulistisch eingestellt sind. Ein Teil war wahlpolitisch gesehen bei anderen Parteien unterwegs oder ausgeklinkt. Oder sie sind in ihrer Hoffnungslosigkeit und ihrem Unterlegenheitsgefühl in eine wutgetränkte Apathie verfallen. Bei Pegida und der AfD haben dann viele offenbar das Gefühl gehabt, hier gebe es einen Ort, wo sie sich endlich Gehör verschaffen können.
...
Für mich steht die(se) Partei ... für einen neuen Typus eines autoritären Nationalradikalismus. Eben weil es in erster Linie um die autoritäre Wiederherstellung von Kontrolle geht - über das eigene Leben, über die sozialen Verhältnisse, über die Grenzen. Und auch über die herrschende Politik, die sie nach rechts treiben will...
Vgl. Autoritärer Kapitalismus - Desintegration - Merkelianismus und die autoritär-nationalradikale Revolte
Leseempfehlungen:
Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 42-43/2017)
(Anti-)Faschismus
Das weltweite Erstarken nationalistischer, autoritärer und gegen Minderheiten gerichteter Strömungen hat neues Interesse am historischen (Anti-)Faschismus geweckt. Ab wann ist es gerechtfertigt, rechtsgerichtete Bewegungen und Regierungen als faschistisch zu bezeichnen? Wie real ist die Gefahr des Faschismus heute, wer sind seine Gegner?
Hier als pdf.
... fällt auf, dass die alte Bundesrepublik angesichts aktueller globaler Unsicherheit und Identitätskrisen mehr und mehr romantisiert und idealisiert wird, es wächst die Sehnsucht nach dem scheinbar heimeligen Rheinischen Kapitalismus und dem Biedermeier von Helmut Schmidt und »Wetten Dass?«. In ihrer aus ihren Büchern gespeisten Rückschau erinnern Witzel und Felsch an die untergründige Gewalt und die Düsternis der alten BRD , die ihr ideales Aushängeschild eher in Eduard Zimmermann als in Frank Elstner fand...
Frank Witzel, Philipp Felsch
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Volker Weiß: Die autoritäre Revolte
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gebattmer - 2017/10/25 19:33
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