Harun Farocki: Die Bilder sollen gegen sich selbst aussagen
- Ich trete für ein filmisches Verfahren ein, das seine Bilder nicht wie einen Rohstoff behandelt, den die Montage einschmiltzt. Vielmehr bedenkt es die Eigenheit jeder Einstellung. Die Montage selbst soll dises Bedenken sein: Welchen Wert hat eine Einstellung, was sagt sie, auch neben dem und jenerseits vom dem, was ich mit ihr mitteilen will? Harun Farocki
Wie sich im Bereich der Material- und Warenprüfung etwas vom Wesen unseres Gebrauchs der Dinge mitteilt, die Essenz menschlichen Alltagshandelns hervortritt, so wird in dem vielfältigen Probieren, Nach- und Rollenspielen etwas sichtbar von jener Regelhaftigkeit, die aus den Weltvorstellungen verschiedenster Mächte ersichtlich ist, die nicht restlos in die Menschen aufgehen. Die Realitätspartikel, aus denen LEBEN - BRD besteht, setzen ein simuliertes Leben zusammen, verknüpft sind diese Bestandteile fiktional, spielfilmmäßig. Dieses Zeitbild ist montiert nach Assoziationen, Oppositionen, Stichworten, Bewegungsabläufen und Gesten (...) und nach zeitgenössischem Sprachgebrauch in den Spielszenen; aus unterschiedlichen Gesprächssituationen wird ein fortgesetzter Dialogablauf zu einer Sequenz geschnitten. (Jörg Becker über Harun Farocki - Leben - BRD (1990))
Im Herbst 2009 filmten wir auf dem Stützpunkt der Marine in 29 Palms, Kalifornien, eine Übung. Vier Marines, die in einem Klassenraum saßen, stellten die Besatzung eines Panzerfahrzeugs dar. Sie hatten Laptops vor sich, auf denen sie das eigene Fahrzeug und andere des Verbandes durch eine Computer-Animationslandschaft lenkten und fahren sahen. Das simulierte Afghanische Gelände geht auf die geografischen Daten Afghanistans zurück. Eine Straße in der Computer-Landschaft verläuft so, wie sie auch im wirklichen Afghanistan verläuft; das gleiche gilt für jeden Baum, den Bewuchs des Bodens oder die Höhenzüge. Der Ausbilder platziert Sprengsätze und setzt im Gelände „insurgents“, Aufständische, aus. Ein Heckenschütze erschoss den Bordschützen des Panzerfahrzeugs, das wir mit der Kamera dokumentierten. Wenn ein Panzerfahrzeug über das Brachland fährt, wirbelt es einen Staubschweif auf. Je mehr Bewuchs es gibt, desto weniger Staub. Auf der Asphaltstraße gar kein Staub. Bei all dieser Treue im Detail ist der Tod im Computerspiel etwas anderes als der reale. (Harun Farocki - Spiele I: Watson ist hin (2010))
Fragwürdige Bilder - Andrew Stefan Weiner über „The Image in Question: War-Media-Art" im Carpenter Center for the Visual Arts, Harvard University, Cambridge (Texte zur Kunst)
Tipp zum Nachhören:
Der Filmemacher Harun Farocki im Gespräch mit Joachim Scholl (dradio 04.11.12)
Zwischentöne ohne Musik - mit Harun Farocki vom 04.11.2012, Teil 1 - MP3
Zwischentöne ohne Musik - mit Harun Farocki vom 04.11.2012, Teil 2 - MP3
gebattmer - 2012/11/05 16:42
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