Archäologie (CCXXXIV): ISTANBUL SENFONISI / Istanbul Symphony
Klassische Konzerte können manchmal politisch werden. So im Fall des Sinfoniekonzerts im Ring A, mit der Istanbul Symphony von Fazil Say als Hauptwerk. Die erste Sinfonie jenes Mannes, der sich zurzeit in der Türkei vor einem Gericht verantworten muss: wegen Verunglimpfung des Islam.
Als Pianist und Komponist wird Fazil Say weltweit gefeiert. Nun hat Say, der phänomenale Pianist, Improvisator und Komponist, durchaus ein kritisches Verhältnis zu seiner Heimat und deren Glaubenstraditionen. Und doch versucht gerade er immer wieder, mit seiner Musik eine Brücke zwischen Orient und Okzident zu schlagen. Auch in der Istanbul Symphony, die nicht nur etliche türkische Instrumente verwendet, sondern im zweiten Satz die faszinierende Aura religiöser Riten beschwört...
Unter Leitung von Łukasz Borowicz hat die NDR Radiophilharmonie Fazil Says erste Sinfonie gespielt. Solist am Klavier war Dejan Lazic. (NDR Kultur)
Vgl. unbedingt auch: Archäologie CVXV: Planet Galata – Eine Brücke in Istanbul
Hier sehen Sie: FAZIL SAY - ISTANBUL SENFONISI
Ich bin ja nicht sicher, ob man unbedingt twittern muss (ich finde das Wort schon doof und die damit bezeichnete Tätigkeit eines ernsthaften Menschen unwürdig), aber immerhin ist die Frage, die Say stellt, ja nicht doof:
"Ich weiß nicht, ob ihr es gemerkt habt? Überall wo es Schwätzer, Gemeine, Sensationsgierige, Diebe, Scharlatane gibt, - sie alle sind übertrieben gläubig. Ist das ein Paradoxon?"
Am 17. Oktober 2012 begann vor der 19. Strafkammer des Friedensgerichts in Istanbul der Prozess. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft war Say mit seinen (re-)tweeteten Bemerkungen und eigenen Kommentaren zu weit gegangen und habe „die religiösen Werte, die ein Teil der Bevölkerung für sich anerkennt, öffentlich herabgesetzt“. Man hielt den Straftatbestand der Verunglimpfung religiöser Werte für erfüllt und forderte eine Gefängnisstrafe von eineinhalb Jahren für Say. Der Pianist wies sämtliche Vorwürfe zu Beginn des Prozesses zurück und forderte seinen Freispruch. Die Verhandlung wurde bereits nach etwa einer Stunde auf den 18. Februar 2013 vertagt. (s. o.)gebattmer - 2012/12/16 22:00
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