American Utopia: Reden und reden lassen
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Reden und reden lassen
1975 hat David Byrne die "Talking Heads" gegründet. Heute denkt er über Politik und Gesellschaft nach.
Interview von Torsten Groß - Süddeutsche 12. März 2018
- Ihr neues Album heißt "American Utoptia". Eine solche lag der amerikanischen Verfassung zugrunde. Ist der amerikanische Traum überholt?
Im Grunde gab es folgenden Deal: Wenn du dich anstrengst, einen Beruf lernst und hart arbeitest, werden deine Kinder es besser haben als du. Was ist aus diesem Deal geworden? Es gibt ihn nicht mehr. Irgendwo auf dem Weg haben wir unsere Ideale verloren. Das ärgert die Leute, und weil sie die tieferen Gründe nicht erkennen, geben sie Migranten und "denen da oben" die Schuld.
Aber war der amerikanische Traum nicht schon immer eine reine Utopie, erfunden von weißen Männern für weiße Männer?
Es gibt viele Dinge, die schon lange hätten korrigiert werden müssen, aber so sehr wie heute klafften Anspruch und Realität noch nie auseinander.
Gibt es für Sie einen historischen Punkt, der diese Wende markiert?
Vor einiger Zeit habe ich "De la démocratie en Amérique" von Alexis de Tocqueville gelesen. Der französische Historiker und Publizist hatte die amerikanische Verfassung und unsere Auffassung von Demokratie in den Dreißigerjahren des 19. Jahrhunderts relativ illusionslos als großes Experiment beschrieben. Das Buch enthält einige aus heutiger Sicht interessante, nahezu prophetische Beobachtungen. Früher oder später, so Tocqueville, werde die Schande der Sklaverei das Land zerreißen. Seine These ist, dass Sklaverei natürlich in erster Linie schädlich für die Sklaven selbst ist - aber auf lange Sicht auch für die Sklavenhalter.
Weil sich Menschen nicht dauerhaft unterdrücken lassen?
Der bis heute andauernde Rassismus der schwarzen Bevölkerung gegenüber sowie unser Umgang mit den indigenen Völkern sind die Schattenseite und der Konstruktionsfehler des amerikanischen Traums. Die ursprüngliche Idee war sehr gut. Aber so was kann auf Dauer nur funktionieren, wenn Teilhabe für alle vorgesehen ist. Spätestens an diesem Punkt der Geschichte sollten wir uns nun fragen: Wie kommen wir auf den richtigen Weg zurück, wie kriegen wir das in den Griff?
gebattmer - 2018/03/13 18:37
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