Zuweilen VIII
bemerkt man erst, wenn man vom Tod eines Menschen erfährt, dass er einem eigentlich schon länger gefehlt hat.
Christian Geissler starb fast 80-jährig am 26. August 2008 in Hamburg.
Christian Geissler war einer der im deutschen Literaturauftrieb nicht aufging, sondern ihm fremd blieb. Sein Engagement vertrug sich nicht mit der üblichen Geschäftigkeit. Er schrieb über Klassenkampf und Gewalt, über die Vernichtung der europäischen Juden und den Nationalsozialismus in einer kargen, rythmisierten und manchmal schroffen Sprache, die manchmal verschlüsselt wirkte, aber eigene Perspektiven eröffnete. Weder "kamalatta" noch "Anfrage", auch kein anderer Roman und keiner seiner Gedichtbände sind heute noch über den Buchhandel erhältlich. Ein schöner Nachruf von Oliver Tolmein. (nachgerufen haben ihm auch die junge welt und der deutschlandfunk und freitag. sonst kaum jemand.) "Das Brot mit der Feile" hat mich damals stark beeindruckt; geradezu ungeheuerlich sind seine Gedichte 80/82 "spiel auf ungeheuer" und dort unter "lieder aus dem altersheim" dies:
zutraulich
als dein jagender atem
niedergemacht hatte klein
all meine wörter
zum trösten
sind um
dich her
ins bersten
geflogen
flüsternamen
aus deiner liebe
viele
jeder
hat seinen gesagt
leise
als wind
unter die last deiner geflügelten angst
Ich möchte nicht vergessen, dass es einen gab, der solche Worte fand.
Dieser Autor schreibt unbeirrbar an seinem Programm, an seiner eigenen Autorsprache; er verlangt vom Leser, daß er sich in diese Sprache einarbeitet, daß er zur Schönheit dieser Sprache vordringen muß, die anders nicht zu haben ist - und diese Schönheit ist etwas Schwieriges, das immer neu entsteht und nicht sofort zu erkennen ist.
Helmut Böttiger im Büchermarkt des dlf vom 01.01.1980.
Christian Geissler starb fast 80-jährig am 26. August 2008 in Hamburg.
Christian Geissler war einer der im deutschen Literaturauftrieb nicht aufging, sondern ihm fremd blieb. Sein Engagement vertrug sich nicht mit der üblichen Geschäftigkeit. Er schrieb über Klassenkampf und Gewalt, über die Vernichtung der europäischen Juden und den Nationalsozialismus in einer kargen, rythmisierten und manchmal schroffen Sprache, die manchmal verschlüsselt wirkte, aber eigene Perspektiven eröffnete. Weder "kamalatta" noch "Anfrage", auch kein anderer Roman und keiner seiner Gedichtbände sind heute noch über den Buchhandel erhältlich. Ein schöner Nachruf von Oliver Tolmein. (nachgerufen haben ihm auch die junge welt und der deutschlandfunk und freitag. sonst kaum jemand.) "Das Brot mit der Feile" hat mich damals stark beeindruckt; geradezu ungeheuerlich sind seine Gedichte 80/82 "spiel auf ungeheuer" und dort unter "lieder aus dem altersheim" dies:
zutraulich
als dein jagender atem
niedergemacht hatte klein
all meine wörter
zum trösten
sind um
dich her
ins bersten
geflogen
flüsternamen
aus deiner liebe
viele
jeder
hat seinen gesagt
leise
als wind
unter die last deiner geflügelten angst
Ich möchte nicht vergessen, dass es einen gab, der solche Worte fand.
Dieser Autor schreibt unbeirrbar an seinem Programm, an seiner eigenen Autorsprache; er verlangt vom Leser, daß er sich in diese Sprache einarbeitet, daß er zur Schönheit dieser Sprache vordringen muß, die anders nicht zu haben ist - und diese Schönheit ist etwas Schwieriges, das immer neu entsteht und nicht sofort zu erkennen ist.
Helmut Böttiger im Büchermarkt des dlf vom 01.01.1980.
gebattmer - 2008/09/04 19:22
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