Allemagne douze points
Der Kommentar von Rainald Grebe via zeitgeist, ansonsten dazu die notiz: la lena. Und noch diese eine Bemerkung: Toll war am Sonntag in der ARD-Pro7-Sondersendung vom Flughafen Hannover, wie die sich selbst feiernden Medien-Fuzzies den Ministerpräsidenten zum Deppen gemacht haben. Der stand immer in der zweiten oder dritten Reihe und wollte doch die Grüße der Kanzlerin überbringen: Postdemokratie ...
Oder: Kremer und Konsorten dazu, wie die Marke Lena kommuniziert wird:
- Viele Marken werden sehr geübt kommuniziert, mit Wissen vollgepumpt präsentiert, jede Regung einstudiert und in kalkulierten Dosen genau auf die richtigen Menschen im exakt richtigen Moment losgelassen. Ja, alles wird richtig gemacht und erstickt genau in dieser glatten Richtigkeit.
Wissen muss man wirklich alles, man muss es aber im richtigen Moment vergessen oder elegant mit dem Wissen brechen, meinetwegen auch naiv. Denn dann entstehen Begegnungen mit großem Momentum. Die große Kunst besteht darin, Marken im richtigen Moment dosiert das falsche machen zu lassen. Oder nichts. Gerne auch das genaue Gegenteil.
So funktioniert die Marke Lena. Auf die Frage, ob und wie sie Lampenfieber hat, verzieht sie das Gesicht zur Fratze und stößt einen Uuargh-Laut aus. Alle Antworten anderer Sternchen gehen in der Belanglosigkeit der fleißig geübten Erklärung unter. Das Uuargh ziert zahllose Überschriften in ganz Europa.
Wir möchten Ihnen nicht raten, Uuargh-Markenlaute von sich zu geben, aber wir möchten Ihnen raten, dem akademisch komponierten Marketinggesang, emotional und intellektuell überraschende Laute hinzuzufügen...
Nachtrag und Schluss damit:
Was dabei herauskommt, wenn man - wie Herr Grimm in meiner LieblingsHAZ - meint, man müsse die nationale Karte spielen (vermutlich, weil das mal wieder irgendein -linkes- Tabu bricht*), und statt eines guten Abendessens sich solch schwüle Gedanken zum Traum von Unschuld macht:
Siegeszug der Sympathie
Ein solcher Siegeszug der Sympathie
einer einzelnen Person ist ohne Beispiel
in Deutschland. Nur wenige Wochen
brauchte die Schülerin, um ein ganzes
Land um den Finger zu wickeln. Das zeigt
auch, wie groß die Sehnsucht war nach
einem Märchen, nach einem Traum von
Unschuld in Zeiten von Finanzkrise, Terrorismus und Krieg.
Den Eurovision Song Contest konnte man immer
als Kaleidoskop der europäischen Befindlichkeiten
lesen, als Spiegelbild der musikalischen
Annäherung. Er war damit fast eine Art
kultureller Gegenpol zum politischen Einigungsprozess
Europas. Nun hat Deutschland auch hier seinen Platz gefunden,
hat nach links und rechts genickt
und ist angekommen in der Normalität
als Land unter Gleichen.
Die Zeit der Selbstkasteiung ist vorbei.
und die im Leitartikel ablässt und dazu weiter hinten solche - identification friend or foe - Übersichten druckt

- was also dabei herauskommt, wenn die Zeit der Selbstkasteiung für beendet erklärt wird = hochkommt an antisemitischem, faschistischem Dreck, das dokumentiert der MARXblog: Null Punkte aus Israel:

via Metalust & Subdiskurse Reloaded
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* Zum Stellenwert des Tabubrechens im akutellen Debatten-Unwesen vgl. unbedingt:
Georg Seeßlen im Freitag:
Man wird ja wohl noch
Bevor der nächste Sarrazinwesterwellesloterdijk kommt – bescheidene Anmerkungen eines schüchternen Debatten-Liebhabers:
... Boff! Wusch! Twäng!
In der Unterhaltungsindustrie zählen neben dem großen Auftritt nur die Debatten-Beiträge, die sich auf einen Satz reduzieren lassen, und zwar auf einen kurzen: Es gibt keine Geschichte mehr. Boff! Wir haben eine Kleptokratie. Wusch! Ghettobewohner machen kleine Kopftuchträgerinnen. Twäng. Und dann gibt es noch einen Nachsatz, den man nur in Deutschland benötigt: „Das wird man doch noch mal sagen dürfen“.
Was zeigt: Alle „Debatten“ hierzulande werden offensichtlich im Blick einer drohenden, irgendwie undeutschen, irgendwie linken Instanz geführt, die die Forderung der Bild-Zeitungskampagne nach jenem Mutigen, der eine „Wahrheit“ erst einmal aussprechen müsse, konterkariert. Der Sieger einer „intellektuellen Debatte“ in unseren Medien ist – das, wie gesagt steht von vornherein fest – jener oder jene, der oder die „endlich mal sagt, was die meisten nur denken“...
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Im Übrigen bin ich geneigt, mein Lieblingszitat (von dem ich nicht weiß, von wem es ist) diesmal Herrn Grimm zu widmen:
Eine Wortkotze ohnegleichen, syntaktisch hemmungslos und mit schwach verankerten Sinngeländern!
Oder haben Sie schonmal ohne Schaden zu nehmen versucht, den Eurovision Song Contest als Kaleidoskop der europäischen Befindlichkeiten zu lesen? Oder sich vorzustellen, wie Deutschland nach rechts und links nickt, oder was passiert, wenn nicht eine Schülerin, sondern ein Gefreiter aus Braunau nur wenige Wochen braucht, um ein ganzes Land um den Finger zu wickeln?
gebattmer - 2010/05/30 19:02
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