Archäologie CXC: Die Ästhetik des Hässlichen: Hermes Phettbergs "Nette Leit Show"
Es gab Zeiten, da konnte man im öffentlich-rechtlichen Fernsehens (hier: 3Sat) Erstaunliches, gar Verstörendes sehen, wenn man wollte: z. B. Hermes Phettbergs Nette Leit Show.
Manche hielten das damals wie heute für Trash-Talk. Abgesehen davon, dass solch eine Sendung heute wohl nicht mehr vorstellbar ist, kann die Auseinandersetzung mit dem Trash-Verdikt einiges klären helfen.
Eine Wikipedia-Definition hilft noch nicht wirklich weiter:
Halten wir fest: Trash --> Antikunst als Kunst, wenn Selbstironie (im Spiel mit dem offiziellen Geschmackskanon) im Spiel ist (also Distanz) = Aufhebung des Negativschönen im Lachen. Der doofe Kult-Begriff bringt in diesem Zusammenhang gar nichts, weil die Verklärung zum "Kultstatus" nur die Glorifizierung des selbstblinden Trash will, m. a. W. die Selbstenteierung des Rezipienten. Es stellt sich allerdings die Frage, was bleibt, wenn die Erosion des offiziellen Geschmackskanons durch den Kult, d. h. die Machtergreifung des schlechten Geschmacks oder besser des Ungeschmacks, gar kein Spiel mehr zulässt, mithin das Hässliche sich nicht mehr in dieser Bewegung von seiner hybriden selbstischen Natur befreien kann??
Dennoch oder gerade deshalb hier ein wunderbarer Ausschnitt aus der Nette-Leit-Show mit Hermes Phettberg und Manfred Deix und die Ankündigung einer neuen Rubrik mit ironiefreiem Trash = echtem Müll, der auch nicht nachträglich ironisch aufgeladen werden kann, sondern einfach nur die Scheißigkeit der Verhältnisse verdeutlicht, in denen er entstanden ist.
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Manche hielten das damals wie heute für Trash-Talk. Abgesehen davon, dass solch eine Sendung heute wohl nicht mehr vorstellbar ist, kann die Auseinandersetzung mit dem Trash-Verdikt einiges klären helfen.
Eine Wikipedia-Definition hilft noch nicht wirklich weiter:
- Trash – engl. Müll, Abfall – bezeichnet als Lehnwort der Postmoderne ein kulturelles Produkt mit geringem geistigen Anspruch, an dem gerade der Aspekt der Geistlosigkeit genossen wird. Auch übt die oft unfreiwillige Komik eine große Faszination auf die Konsumenten aus.
- Trash ist mehr als einfach nur ein schlechter Film. Trash ist Antikunst als Kunst - ein Fest der Geschmacklosigkeit, eine ekstatische Absage an die bildungsbürgerlichen Werte. Wo in der klassischen Tragödie die Reinigung der Seele angestrebt wird, steht im Trash-Film das "guilty pleasure": Die Lust am Abartigen, am Sensationellen um seiner selbst Willen, am Schockierenden, am Geistlosen an "Unterhaltung unter Niveau", kurz: an all dem, was uns in unserer guten Kinderstube ausgetrieben worden ist. Was ein ordentlicher Trash-Film sein will, der hinterlässt nach erfolgtem Konsum ein dumpfes Schuldgefühl. Schlechtes Gewissen darüber, eineinhalb Stunden kostbare Lebenszeit unwürdig vertan zu haben.
Der Umgang mit Trash erfordert eine gehörige Portion Ironie als Zugeständnis an den offiziellen Geschmackskanon. Schlechte Filme ohne jede Ironie sind einfach schlecht. Schlechte Filme mit auch nur einen Funken Selbstironie haben das Zeug zum Kultstatus. Trash beginnt dort, wo mit schlechtem Geschmack kokettiert wird und endet dort, wo schlechter Geschmack zum künstlerischen Stilmittel wird.
Halten wir fest: Trash --> Antikunst als Kunst, wenn Selbstironie (im Spiel mit dem offiziellen Geschmackskanon) im Spiel ist (also Distanz) = Aufhebung des Negativschönen im Lachen. Der doofe Kult-Begriff bringt in diesem Zusammenhang gar nichts, weil die Verklärung zum "Kultstatus" nur die Glorifizierung des selbstblinden Trash will, m. a. W. die Selbstenteierung des Rezipienten. Es stellt sich allerdings die Frage, was bleibt, wenn die Erosion des offiziellen Geschmackskanons durch den Kult, d. h. die Machtergreifung des schlechten Geschmacks oder besser des Ungeschmacks, gar kein Spiel mehr zulässt, mithin das Hässliche sich nicht mehr in dieser Bewegung von seiner hybriden selbstischen Natur befreien kann??
Dennoch oder gerade deshalb hier ein wunderbarer Ausschnitt aus der Nette-Leit-Show mit Hermes Phettberg und Manfred Deix und die Ankündigung einer neuen Rubrik mit ironiefreiem Trash = echtem Müll, der auch nicht nachträglich ironisch aufgeladen werden kann, sondern einfach nur die Scheißigkeit der Verhältnisse verdeutlicht, in denen er entstanden ist.
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gebattmer - 2012/02/20 19:12
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