Die Beerdigung der Sargträger
Mario Scalla im Freitag über Diverse Biografien und lehrreiche Bücher von, mit und über Joschka Fischer & Co KG
Was ist das "rot-grüne Projekt"? Wie mit vielem, von dem andauernd die Rede ist, so ist auch hier unklar, was gemeint sein könnte. Der "ökologische Umbau der Industriegesellschaft", die Förderung alternativen Wirtschaftens, die sozial etwas weniger brutale politische Ausgestaltung der Globalisierung, das sind einige der Antworten, die im Umlauf sind. Dass dieses Projekt von Karrieristen verraten wurde, ist eine gängige Sichtweise.
Plausibel wiederum ist die Ansicht, ein solches Projekt habe es nicht gegeben.
Allerdings erscheinen zwei Einwände sinnvoll. Es gab ein rot-grünes Projekt, das 1990 bei der Bundestagswahl, zu der Oskar Lafontaine als Kanzlerkandidat antrat, reale Chancen besaß, und es war zuvörderst und zuerst ein grün-alternatives. Mit ökologischen, anderen bürgerrechtlichen oder sozialkulturell motivierten Bewegungen konnten die Sozialdemokraten nichts anfangen. Es gab einige vorzeigbare Galionsfiguren, Lafontaine, Eppler und andere Versprengte und Wohlmeinende, die Einfluss gewannen, weil vieles, was aus diesen Bewegungen kam, unter großem Aufwand und Mobilisierungskraft in den achtziger Jahren, in der Gesellschaft mehrheitsfähig geworden war. Aber diese Entwicklung sollte nicht überschätzt werden; in seiner Partei musste ein Kanzler Schröder keine nennenswerten Korrekturen vornehmen.
Mit dem Wahlsieg 1998 stellte sich nicht mehr die Frage, ob dieses grüne und alternative Projekt in Politik umgesetzt werden könnte. Es ging darum, wie die gesellschaftlichen Mehrheiten, etwa für den Atomausstieg, gegen Rüstungsexporte oder für die Abkehr von der neoliberalen Politik, bekämpft und unschädlich gemacht werden können. Wenn jetzt also allerorten Abgesänge auf das "rot-grüne Projekt" zu lesen sind, ist zu entgegnen: Diejenigen, die bald abtreten, sind die, die das grüne und alternative Projekt beerdigten. Es geht also bei der anstehenden Wahl, kurz gesagt, um die Beerdigung der Sargträger.
Wie die Grünen für das Establishment zu nützlichen Personen werden konnten, ist zuweilen explizit, manchmal zwischen den Zeilen in diversen Publikationen nachzulesen. Natürlich steht dort auch, was für große Strategen diese Protagonisten doch sind, aber das ist für die jeweilige Gemeinde geschrieben und soll hier nicht weiter interessieren. Bemerkenswert ist auf jeden Fall, wie mit denen verfahren wird, die dem Aufstieg der Porträtierten im Weg standen. Wie etwa Michael Schwelien in seiner schon etwas zurück liegenden Biografie Joschka Fischers - mit dem bezeichnenden Untertitel Eine Karriere - mit den von den Medien als "Fundamentalisten" etikettierten Personen umgeht, ist kaum zu glauben. Jutta Ditfurth und andere figurieren als eine Art Roadkill, als Kröten, denen vorsätzlich keine Auffangzäune gebaut werden. Mit welcher Schäbigkeit gemeinhin die Geschichte der Sieger erzählt wird, hat man in diesem Milieu gut gelernt.
Wie das so funktioniert, der große soziale Aufstieg, auch dazu findet sich gelegentlich in dieser sonst wenig ergiebigen Biografie der ein oder andere Hinweis. So hielt Fischer 1996 auf Einladung der Herbert-Quandt-Stiftung, die leider nicht weiter beschrieben wird, aber für Anlässe dieser Art berufen zu sein scheint, eine Rede in Maryland, USA. Selbige wurde unter anderem von Horst Teltschik, dem ehemaligen Kohl-Berater, als ministrabel gelobt und fortan der Kandidat als kooptierbar anerkannt. Die zweite Anekdote spielt nach der erfolgreichen Wahl 1998, aber noch vor der Amtseinführung der neuen Regierung. Bill Clinton bedrängte die neu gewählte Führungsspitze, seiner Kriegsdrohung für das Kosovo zuzustimmen. Der alte Kanzler Kohl signalisierte Zurückhaltung, der neue soll Fischer ultimativ gedroht haben, wenn er diesem Kurs nicht zustimme, könne er seine Amtsträume begraben. Auf diese Weise wurde die verbliebene systemische Inkompatibilität diesem grünen Prätendenten ausgetrieben und etwas später bekanntlich ähnlich rüde mit dem grünen Umweltminister verfahren.
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Was ist das "rot-grüne Projekt"? Wie mit vielem, von dem andauernd die Rede ist, so ist auch hier unklar, was gemeint sein könnte. Der "ökologische Umbau der Industriegesellschaft", die Förderung alternativen Wirtschaftens, die sozial etwas weniger brutale politische Ausgestaltung der Globalisierung, das sind einige der Antworten, die im Umlauf sind. Dass dieses Projekt von Karrieristen verraten wurde, ist eine gängige Sichtweise.
Plausibel wiederum ist die Ansicht, ein solches Projekt habe es nicht gegeben.
Allerdings erscheinen zwei Einwände sinnvoll. Es gab ein rot-grünes Projekt, das 1990 bei der Bundestagswahl, zu der Oskar Lafontaine als Kanzlerkandidat antrat, reale Chancen besaß, und es war zuvörderst und zuerst ein grün-alternatives. Mit ökologischen, anderen bürgerrechtlichen oder sozialkulturell motivierten Bewegungen konnten die Sozialdemokraten nichts anfangen. Es gab einige vorzeigbare Galionsfiguren, Lafontaine, Eppler und andere Versprengte und Wohlmeinende, die Einfluss gewannen, weil vieles, was aus diesen Bewegungen kam, unter großem Aufwand und Mobilisierungskraft in den achtziger Jahren, in der Gesellschaft mehrheitsfähig geworden war. Aber diese Entwicklung sollte nicht überschätzt werden; in seiner Partei musste ein Kanzler Schröder keine nennenswerten Korrekturen vornehmen.
Mit dem Wahlsieg 1998 stellte sich nicht mehr die Frage, ob dieses grüne und alternative Projekt in Politik umgesetzt werden könnte. Es ging darum, wie die gesellschaftlichen Mehrheiten, etwa für den Atomausstieg, gegen Rüstungsexporte oder für die Abkehr von der neoliberalen Politik, bekämpft und unschädlich gemacht werden können. Wenn jetzt also allerorten Abgesänge auf das "rot-grüne Projekt" zu lesen sind, ist zu entgegnen: Diejenigen, die bald abtreten, sind die, die das grüne und alternative Projekt beerdigten. Es geht also bei der anstehenden Wahl, kurz gesagt, um die Beerdigung der Sargträger.
Wie die Grünen für das Establishment zu nützlichen Personen werden konnten, ist zuweilen explizit, manchmal zwischen den Zeilen in diversen Publikationen nachzulesen. Natürlich steht dort auch, was für große Strategen diese Protagonisten doch sind, aber das ist für die jeweilige Gemeinde geschrieben und soll hier nicht weiter interessieren. Bemerkenswert ist auf jeden Fall, wie mit denen verfahren wird, die dem Aufstieg der Porträtierten im Weg standen. Wie etwa Michael Schwelien in seiner schon etwas zurück liegenden Biografie Joschka Fischers - mit dem bezeichnenden Untertitel Eine Karriere - mit den von den Medien als "Fundamentalisten" etikettierten Personen umgeht, ist kaum zu glauben. Jutta Ditfurth und andere figurieren als eine Art Roadkill, als Kröten, denen vorsätzlich keine Auffangzäune gebaut werden. Mit welcher Schäbigkeit gemeinhin die Geschichte der Sieger erzählt wird, hat man in diesem Milieu gut gelernt.
Wie das so funktioniert, der große soziale Aufstieg, auch dazu findet sich gelegentlich in dieser sonst wenig ergiebigen Biografie der ein oder andere Hinweis. So hielt Fischer 1996 auf Einladung der Herbert-Quandt-Stiftung, die leider nicht weiter beschrieben wird, aber für Anlässe dieser Art berufen zu sein scheint, eine Rede in Maryland, USA. Selbige wurde unter anderem von Horst Teltschik, dem ehemaligen Kohl-Berater, als ministrabel gelobt und fortan der Kandidat als kooptierbar anerkannt. Die zweite Anekdote spielt nach der erfolgreichen Wahl 1998, aber noch vor der Amtseinführung der neuen Regierung. Bill Clinton bedrängte die neu gewählte Führungsspitze, seiner Kriegsdrohung für das Kosovo zuzustimmen. Der alte Kanzler Kohl signalisierte Zurückhaltung, der neue soll Fischer ultimativ gedroht haben, wenn er diesem Kurs nicht zustimme, könne er seine Amtsträume begraben. Auf diese Weise wurde die verbliebene systemische Inkompatibilität diesem grünen Prätendenten ausgetrieben und etwas später bekanntlich ähnlich rüde mit dem grünen Umweltminister verfahren.
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gebattmer - 2005/09/06 18:02
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