Rückkehr der Rechten - Klasse, Scham und die Linken
Rückkehr der Rechten
Klasse, Scham und die Linken. Luxemburg Lecture von Didier Eribon
Mittwoch, 30.11.2016 | 19:00 Uhr bis 21:00 Uhr
Die Veranstaltungwird auch wurde im LIVESTREAM übertragen und ist dort oder bei Youtube nachzusehen.
- Eribon: »Die Linke ist schuld am Aufstieg der Rechten«. Der französische Soziologe Didier Eribon über das Verschwinden der Arbeiterklasse in der öffentlichen Debatte (nd, 01.12.2016)
- Deutsche Leitkultur (IX) / Dispositiv (IX): Wieso Jürgen von Manger schon 1967 erklären konnte, warum auch die Arbeiterklasse zuweilen rechts wählt
Vieles davon scheint mir wert aufgegriffen zu werden. Weiter zu verfolgen zB hier:
Alex Demirović (Hrsg.): Transformation der Demokratie – demokratische Transformation (zum Download hier)
In diesem Zusammenhang noch ein wichtiger Gedanke - von Jens Berger: Modernisierungsverlierer? Globalisierungsverlierer? Die Politik verhöhnt ihre Opfer (NDS 01.12.16)
Weiter zum Thema mit ExKurs ...
Klasse, Scham und die Linken. Luxemburg Lecture von Didier Eribon
Mittwoch, 30.11.2016 | 19:00 Uhr bis 21:00 Uhr
Die Veranstaltung
- Das sei schwer empfohlen - Brillante Analysen von Didier Eribon und Christina Kaindl (ab 00.46.00)!!
- Eribon: »Die Linke ist schuld am Aufstieg der Rechten«. Der französische Soziologe Didier Eribon über das Verschwinden der Arbeiterklasse in der öffentlichen Debatte (nd, 01.12.2016)
- Deutsche Leitkultur (IX) / Dispositiv (IX): Wieso Jürgen von Manger schon 1967 erklären konnte, warum auch die Arbeiterklasse zuweilen rechts wählt
„Autoritärer Populismus“ vs. „Populare Demokratie“
Den aktuellen Debatten anlässlich der Erfolge der sog. Populisten fehlt - darauf weist Christina Kaindl hin - das Gedächtnis bzw. schlicht das Wissen von dem, was sozialwissenschaftliche Theorie dazu bereits vorgelegt hat: ZB Stuart Hall und die Cultural Studies. Halls kritische Analyse des Thatcherismus und von New Labour zB als Analyse sich verschiebender Kräfteverhältnisse.- Eine solche Verschiebung werde in einer Situation möglich, wo „das Alte stirbt und das Neue nicht zur Welt kommen kann“, so Hall mit einem Zitat von Antonio Gramsci. Der Thatcher-Regierung sei „die ideologische Transformation im Feld des praktischen Alltagsverstands“ gelungen, indem erstens das Feld popularer Moral um Themen wie Verbrechen und soziale Ordnung re-artikuliert worden sei und es zweitens gelungen sei, sich als die Partei des kleinen Mannes darzustellen, „die archetypische kleinbürgerliche ‚Ladenbesitzer-Figur‘“ als Subjekt anzurufen. Das Instrumentarium der Analyse stammt, wie der Kundige bemerken wird, außer von Gramsci von Louis Althusser und Ernesto Laclau. Das Thatcher-Regime charakterisiert Hall als „autoritären Populismus“ mit einer spezifischen Verbindung von Zwang und Zustimmung im Unterschied zu „popularer Demokratie“. Dem Thatcherismus sei das Kunststück gelungen, sich in der ideologischen Selbstdarstellung anti-staatlich zu geben und zugleich dirigistisch zu verfahren... (Rezension zu: Stuart Hall: Populismus, Hegemonie, Globalisierung, socialnet)
- In der mittlerweile kaum noch zu überschauenden Literatur, die sich dem Phänomen des seit Ende der achtziger Jahre mehrenden Erfolgs rechtsextremer/-populistischer Parteien und Gruppierungen widmet, scheint relativ einhellig die Meinung vorzuherrschen, dass dieses Phänomen in einem engen Zusammenhang mit den Globalisierungsprozessen seit jener Zeit steht. Genauer noch: es wird ein kausaler Zusammenhang gesehen mit der neoliberalen Form der Globalisierung, ihrer Staatskritik, dem Abbau wohlfahrtsstaatlicher Leistungen, ihrer sozialdarwinistischen Leistungsideologie, verknüpft mit der Forderung nach gesellschaftlicher Ungleichheit als Notwendigkeit (Hayek 1981, 38) und, damit verbunden, der zunehmenden Prekarisierung des Lebens für immer größere Gesellschaftsschichten bei gleichzeitiger Häufung ökonomischer Krisen in immer kürzeren Abständen.
Festgestellt wird weiterhin, dass in diesem Prozess die Parteien die ihnen zugedachte Aufgabe der politischen Willensbildung und Interessenvermittlung in immer geringerem Maße erfüllen können. Die Verlagerung politischer Entscheidungsbildungsprozesse auf inter- oder subnationale Gremien lassen sie und die nationalstaatlichen Parlamente immer machtloser erscheinen.
Auf diese Entwicklungen, so die These, ist es eine nur zu verständliche Reaktion, dass die partei- und politikverdrossenen WählerInnen rechtspopulistische Parteien wählen, die mit ihrer Kritik an "denen da oben", verbunden mit der Mobilisierung rassistischer und wohlstandschauvinistischer Ressentiments, das Legitimätsdefizit der herrschenden Parteien effektiv für sich zu nutzen wissen.
Was in dieser Debatte jedoch auffällt ist, dass i.d.R. so getan wird, als ob der Neoliberalismus gleichsam tabula rasa mit den fordistischen Demokratien gemacht habe. Der neoliberale Umbau der ehemaligen fordistisch-keynesianischen Wohlfahrtsstaaten unter dem Verdikt der Verschlankung und Effizienz, gegen das Kartell der Besitzstandswahrer scheint mit den fordistischen Staaten radikal gebrochen zu haben.
Entgegen dieser These möchte ich unter Rückgriff auf Analysen Nicos Poulantzas', die dieser Ende der siebziger Jahre entwickelte, herausstellen, dass es einen institutionellen Übergang in der autoritären, entdemokratisierenden Entwicklung vom Fordismus hin zum (neoliberalen) Postfordismus gibt, wovon die aktuelle Konjunktur rechtspopulistischer Bewegungen zeugt. Im Fordismus selbst und in der Art und Weise wie die fordistischen Sicherheitsstaaten auf die Krise reagierten, wurde gleichsam das Fundament gelegt für diese autoritären Entwicklungen. Das aktuell beklagte Legitimitätsdefizit der Parteien und Parlamente findet hier seine (besondere) Grundlage.
Vieles davon scheint mir wert aufgegriffen zu werden. Weiter zu verfolgen zB hier:
Alex Demirović (Hrsg.): Transformation der Demokratie – demokratische Transformation (zum Download hier)
In diesem Zusammenhang noch ein wichtiger Gedanke - von Jens Berger: Modernisierungsverlierer? Globalisierungsverlierer? Die Politik verhöhnt ihre Opfer (NDS 01.12.16)
- „Wir müssen und wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt“. (Gerhard Schröder, Davos 2005)
- ... Wer Niedriglöhne sucht, der findet sie ... im Dienstleistungsbereich: In der Alten- und Krankenpflege, im Sicherheitsgewerbe, bei den Raumpflegerinnen, im Einzelhandel und in der Gastronomie sind schlechte Löhne bekanntlich alles andere als selten. Aber die Altenpflegerin aus Wuppertal steht ja gerade eben nicht mit ihrer Kollegin aus Sofia im Wettbewerb. Der Wachmann aus Passau kann nicht durch einen kostengünstigen Ersatz aus Thailand ausgetauscht werden, die Raumpflegerin und die Kassiererin nicht nach Mexiko ausgelagert und der Kellner gegen einen effizienteren Chinesen ersetzt werden. Die niedrigen Löhne dieser Menschen haben nichts mit der Globalisierung zu tun!
Auch mit Angela Merkels „Modernisierung“ haben die niedrigen Löhne nichts zu tun. Mir wäre zumindest nicht bekannt, dass unsere Altenpflegerin so wenig bekommt, weil sie sonst gegen einen Pflegeroboter eingetauscht würde oder unser Wachmann im Wettbewerb mit einem Telearbeiter aus Bangalore steht, der dank der IT-Revolution nun in Passau Streife gehen kann. Putzroboter mag es ja geben; dass eine Raumpflegerin gegen einen Roboter ausgetauscht wurde, habe ich aber noch nicht gehört und auch unser Kellner steht nun nicht eben im Verdacht, ein Opfer der Modernisierung zu sein. Leider sind unsere Medien doch bereits so denkfaul, dass sie derlei Dummheiten unkommentiert durchgehen lassen.
Und auch in anderen Bereichen sieht es so aus: Ist die Verödung der ostdeutschen Regionen eine Folge der Modernisierung? Umgekehrt wird ein Schuh draus! Dank IT und dank der Möglichkeit, über einen „Telearbeitsplatz“ auch aus der brandenburgischen Pampa heraus in vielen modernen Jobs gut arbeiten zu können, haben diese Regionen wieder einen Lichtstreif am Horizont.
Die politisch gewollte Zerstörung der gesetzlichen Rente hat doch auch nichts, aber auch gar nichts, mit der Globalisierung zu tun. Oder stehen unsere Rentner jetzt schon im Wettbewerb mit alten Indern, die schon für viel weniger Geld in Rente gehen würden? Ist an der katastrophalen Bildungspolitik etwa das Internet schuld? Sind Pisa und Bologna also direkte Folgen der Modernisierung? Aber nicht doch. Ist der steigende wirtschaftliche Erfolg der Tigerstaaten in Südostasien dafür verantwortlich, dass die deutschen Landesregierungen keinen ordentlichen sozialen Wohnungsbau mehr unternehmen und die Bestände an Heuschrecken verscherbeln, die gleich erst mal die Mieten erhöhen? ...
Weiter zum Thema mit ExKurs ...
gebattmer - 2016/11/29 19:21
Trackback URL:
https://gebattmer.twoday.net/stories/1022597199/modTrackback