Zuweilen (XII) - Das wäre ein Abgang gewesen, Günter Amendt ...
Zuweilen bemerkt man erst (wie ich schon häufiger feststellte), wenn man vom Tod eines Menschen erfährt, wie wichtig er einem war. Günter Amendt war Mitglied des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds (SDS) und Mitarbeiter am Hamburger Institut für Sexualforschung. In den siebziger Jahren veröffentlichte er die einflußreiche Streitschrift Sexfront sowie Das Sex-Buch (1979). In seinen späteren Arbeiten setzte sich Amendt kritisch mit dem Thema Drogenpolitik auseinander. Außerdem war er einer der wichtigsten Dylanologen im Lande.
Amendt war für mich einer der wirklich wichtigen Aufklärer. Sein "Sex-Buch" habe ich damals im Unterricht (an einem Mädchen-Gymnasium) eingesetzt, wenn es um weibliches Selbstbewusstsein, Verhütung, Abtreibung ... ging. Ohne ihn hätte ich das nicht machen können ...
In einer wunderbaren Würdigung von Bob Dylans 2007er Europatournee schrieb er:
... Wenn ich das Konzert in Mailand zu einem meiner Favoriten erkläre, dann hat das mit Denny Freeman an der Lead guitar zu tun. Denn die leichten Qualitätsschwankungen zwischen den verschiedenen Shows hängen - neben der Songauswahl - eng mit Freemans Tages- beziehungsweise Abendform zusammen. Oft hat man das Gefühl, Freeman suche nach seinen Soli, so als wisse er nicht genau, wie weit er gehen darf. In Mailand hatte er alle Scheu abgeworfen. Er ging sehr weit. Tony Garnier am Baß hält den Laden mit seinem ständig wechselnden Personal noch immer zusammen. Und George Recile an den Drums treibt die Band mit Peitschenhieben voran. Der Mann ist großartig. Raffiniert ist auch die Setdramaturgie, die Dylan über die ganze Tour hinweg beibehält. Songs, die er einwechselt, bringt und singt er "in the mood" ihrer Vorgänger. Der ständige Rhythmus- und Stimmungswechsel schafft ein Erregungsniveau, das sich schon nach wenigen Stücken auf das Publikum überträgt. In Mailand fiel ein Mann, so um die Vierzig, bei "Like a Rollin' Stone" in Ohnmacht. Nachdem wir ihn rausgeschafft hatten, schoß mir durch den Kopf: Das wäre ein Abgang...
Ein solcher Abgang war ihm nicht vergönnt. Am 11. März hat ihn ein bekifftes Arschloch an einer Kreuzung in Hamburg einfach totgefahren.
Für Günter Amendt: Steve Gibbons' Dylan Project: Ring them Bells
Zwei angemessene Nachrufe:
Volker Breidecker in der SZ: Der Sex und die Sechziger
Ulrike Baureithel im Freitag
Jan Feddersen in der taz: Im Dienste der Lust
Demnächst erscheint:
Günter Amendt/Gunter Schmidt/Volkmar Sigusch
Sex tells
Sexualforschung als Gesellschaftskritik
Amendt war für mich einer der wirklich wichtigen Aufklärer. Sein "Sex-Buch" habe ich damals im Unterricht (an einem Mädchen-Gymnasium) eingesetzt, wenn es um weibliches Selbstbewusstsein, Verhütung, Abtreibung ... ging. Ohne ihn hätte ich das nicht machen können ...
In einer wunderbaren Würdigung von Bob Dylans 2007er Europatournee schrieb er:
... Wenn ich das Konzert in Mailand zu einem meiner Favoriten erkläre, dann hat das mit Denny Freeman an der Lead guitar zu tun. Denn die leichten Qualitätsschwankungen zwischen den verschiedenen Shows hängen - neben der Songauswahl - eng mit Freemans Tages- beziehungsweise Abendform zusammen. Oft hat man das Gefühl, Freeman suche nach seinen Soli, so als wisse er nicht genau, wie weit er gehen darf. In Mailand hatte er alle Scheu abgeworfen. Er ging sehr weit. Tony Garnier am Baß hält den Laden mit seinem ständig wechselnden Personal noch immer zusammen. Und George Recile an den Drums treibt die Band mit Peitschenhieben voran. Der Mann ist großartig. Raffiniert ist auch die Setdramaturgie, die Dylan über die ganze Tour hinweg beibehält. Songs, die er einwechselt, bringt und singt er "in the mood" ihrer Vorgänger. Der ständige Rhythmus- und Stimmungswechsel schafft ein Erregungsniveau, das sich schon nach wenigen Stücken auf das Publikum überträgt. In Mailand fiel ein Mann, so um die Vierzig, bei "Like a Rollin' Stone" in Ohnmacht. Nachdem wir ihn rausgeschafft hatten, schoß mir durch den Kopf: Das wäre ein Abgang...
Ein solcher Abgang war ihm nicht vergönnt. Am 11. März hat ihn ein bekifftes Arschloch an einer Kreuzung in Hamburg einfach totgefahren.
Für Günter Amendt: Steve Gibbons' Dylan Project: Ring them Bells
Zwei angemessene Nachrufe:
Volker Breidecker in der SZ: Der Sex und die Sechziger
Ulrike Baureithel im Freitag
Jan Feddersen in der taz: Im Dienste der Lust
Demnächst erscheint:
Günter Amendt/Gunter Schmidt/Volkmar Sigusch
Sex tells
Sexualforschung als Gesellschaftskritik
gebattmer - 2011/03/14 18:10
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