Sarrazin und die Sarazenen: Robuster Tabubruch
"Immer fällt mir, wenn ich an den Indianer denke, der Türke ein. Das hat, so sonderbar es scheinen mag, doch seine Berechtigung." Karl May, Winnetou I
Die Wikipedia zur Etymologie des Begriffes Sarazenen:
Griechisch Sarakenoi, syrisch Sarkaye und lateinisch Saraceni bezeichnete in der Spätantike (2. bis 4. Jahrhundert) zunächst einen oder mehrere Nomadenstämme auf der Sinaihalbinsel, und zwar nach der Darstellung von Ptolemaios im Gebiet von Nabatäa. Die Herkunft des Wortes ist nicht sicher. Unter den zahlreichen Etymologien, die in moderner Zeit vorgeschlagen wurden, begegnet am häufigsten eine seit dem 18. Jahrhundert aufgekommene Herleitung aus arabisch scharqi („östlich, orientalisch, Orientale“). Ebenfalls bedenkenswert erscheint als mögliche arabische Wurzel sariq, Plural sariqin („Plünderer“).
Bedeutungsentwicklung
Die Bedeutung wurde seit der Spätantike sukzessive erweitert, zuerst auf die übrigen arabischen Stämme der vorislamischen Zeit (Eusebius, Hieronymus), und dann im Laufe der kriegerischen Auseinandersetzungen mit maurischen und arabischen Armeen in Europa auf die islamischen Völkerschaften schlechthin. In dieser erweiterten Bedeutung wurde das Wort seit der Zeit der Kreuzzüge aus dem Griechischen und Lateinischen auch in die europäischen Volkssprachen übernommen.
Der Gebrauch im christlichen Schrifttum war hierbei geprägt von einer die bezeichneten Völker abwertenden, gelehrten Volksetymologie. Bereits bei Hieronymus und Sozomenos, also in vorislamischer Zeit, erscheint die Worterklärung, dass die Agarener (oder Hagarener), die Nachfahren der Hagar, der verstoßenen Sklavin und Nebenfrau Abrahams, sich fälschlich als „Sarazenen“ bezeichnet hätten, um sich als Abkömmlinge der Sarah, der Freien und Ehefrau Abrahams auszugeben und sich dadurch aufzuwerten. Diese Worterklärung, die die Sarazenen als verkappte Agarener, und damit in Anknüpfung an die paulinische Deutung des alttestamentlichen Themas (Gal. 4,21-31) als Angehörige eines von Gott heilsgeschichtlich verstoßenen Volkes deutete, wurde bei den christlichen Autoren des Mittelalters seit dem Aufkommen des Islam zu einem anti-islamischen Topos, der in der europäischen Literatur über die Kreuzzüge und den Islam weitere Verbreitung erlangte.
Das Wort saracenus und seine volkssprachlichen Entsprechungen haben im Verlauf ihrer mittelalterlichen Bedeutungsentwicklung neben der primären ethnischen oder religiösen Bedeutung „islamischen Völkern zugehörig“ zum Teil auch die weitere Bedeutung „heidnisch“ oder allgemein „fremdartig, alt“ angenommen (so in Bezeichnungen von Bauwerken oder Ruinen der römischen Antike als „sarazenisch“, daher auch engl. sarsen (stone) für Megalithen in prähistorischen Monumenten), außerdem in bestimmten Zusammenhängen die übertragene Bedeutung „schwarz, dunkel“. Sprach- und sachgeschichtlich ist deshalb oft schwer oder nur anhand des jeweiligen Kontextes zu entscheiden, ob gegebene Verwendungsweisen auf der primären oder einer sekundären Bedeutung beruhen.
Als zu Beginn des 15. Jahrhunderts in romanischen und deutschsprachigen Ländern erstmals Gruppen der ursprünglich aus Indien stammenden, über Byzanz und den Balkan zugewanderten Roma auftauchten und von der einheimischen Bevölkerung als Angehörige eines fremden, dunkelhäutigen und aus dem Osten stammenden Volkes wahrgenommen wurden, wurde neben anderen Bezeichnungen wie „Ägypter“, „Zigeuner“ (beides schon im byzantinischen Sprachgebrauch vorgebildet), „Heiden“ und „Tataren“ zuweilen auch die Bezeichnung „Sarazenen“ für Roma verwendet, so hauptsächlich in romanischen Sprachen und unter deren Einfluss dann im 15. Jh. vereinzelt auch im Deutschen.
Abgeleitete Namen
Personennamen
Besonders in Frankreich und der Schweiz ist noch heute der Familienname Sar(r)asin bzw. Sar(r)azin verbreitet, in der deutschsprachigen Schweiz auch Saratz, in Italien und der italienischsprachigen Schweiz Sar(r)aceno, Sar(r)acino, im Englischen die aus dem Französischen bzw. Anglonormannischen noch weiter entwickelte Form Sarson. Vorläufer solcher Namen ist im Mittelalter ein in den lateinischen Quellen seit dem 11. Jh. vielfach dokumentierter Name oder Beiname Saracenus, der in vielen Fällen wegen einer „sarazenischen“ Herkunft des Trägers, in anderen Fällen aber auch nur wegen eines zeitweisen Aufenthaltes bei den „Sarazenen“ oder, wie lat. Maurus, nordfrz. Moreau, engl. Moore, zur Hervorhebung einer besonders dunklen Haut- oder Haarfarbe entstand. Sofern der Name erst im Spätmittelalter in Gebrauch kam, ist auch mit der Möglichkeit zu rechnen, dass er im Hinblick auf die mögliche Bedeutung „Zigeuner“ gewählt wurde.
Wenn also der Name Sarrazin auf die sarazenische Herkunft des Trägers verweist, dann haben wir es hier mit einem interessanten Fall von kultureller Obsthändler-Identitätsdiffusion zu tun. Das muss ähnlich wehtun wie die Obsessionen eines Mr Liwek “Lionheart” Ozog aus Tombstone, AZ 85638, USA, der den Chef macht bei Fact - Fiction (a transatlantic press network based in the USA: ... widmet sich vornehmlich der Politik, der Wirtschaft, den Medien, der Geschichte und Zeitgeschichte. Es ist konservativ, politisch-inkorrekt, kapitalistisch, religiös neutral, anti-islamistisch, anti-ideologisch, vertritt aber die christlichen Wurzeln des Abendlandes und deutsche Interessen... - ein ähnlich bräunliches Gemisch also wie PI -), dessen deutscher Ableger mit viel islamophober Zustimmung die schönsten Passagen des Sarrazin-Interviews im Netz verbreitet.
Ist aber auch egal, denn:
Ob Sarrazin sich total geirrt hat oder nicht, ist in der Draufsicht auf das Problem des Landes völlig unwichtig, aber er hat sich als Tabubrecher für das Ganze nützlich gemacht. Und es wird noch viele Tabus zu brechen geben, wenn etwas Vernünftiges dabei heraus kommen soll.
Bettina Röhl als Gefangene der Sarazenen:
... Was Sarrazin gesagt hat, muss jemand sagen dürfen, ohne, dass er persönlich vernichtet wird. Sarrazin hat ein Recht, mit dem was er gesagt hat, auf das Gegenargument. Und die Gesellschaft und die Bürger dieses Land haben ein Recht auf Diskussion. Die Reaktionen, die Sarrazin erzeugt hat, beweisen, dass das Thema Integration von einem gefährlichen Ungeist totgebügelt wird, obwohl es das wahrscheinlich virulenteste Thema der Gegenwart ist.
Ohne jede Grundlage werden Phantastereien, Ideologien und alle möglichen Verklemmungen gepaart mit skrupelloser Karrieresucht und einem unerträglichen Gutmenschentum zu einer verquasten Pampe gerührt. Wie gesagt, ob Sarrazin unter- oder übertreibt, ob er überhaupt richtig oder gänzlich falsch liegt, oder ob Sarrazin sich im Ton vergriffen hat oder nicht, ist ein eigenes Thema für sich, dass aber nur diskutiert werden kann, wenn Meinungsfreiheit und wenn Fakten herrschen, respektive eine Chance haben, erkannt zu werden...
Eine Wortkotze ohnegleichen, - schön aber rührt sie den Topos des heroischen Tabu-Brechens in ihre verquaste Pampe; eine Technik, die auch als Plasberg-Methode in den öffentlichen Schein-Debatten grassiert:
... Und warum geht's im hiesigen Diskurs, was das Sortieren brauchbarer und unbrauchbarer Gruppen angeht, so verkrampft zu? Bei dieser Frage gäbe es eine Durchfallquote von null Prozent sogar bei Kopftuchmädchen. Plasberg durfte die Antwort vorwegnehmen, in Frageform: „Ist das ein Erbe der Nazi-Unkultur, dass wir solche Diskussionen nicht mehr führen können?“ Streberhaft preschte Oswald Metzger vor: „Aus meiner Sicht ohne jede Frage. Also, das Erbe der deutschen Geschichte des letzten Jahrhunderts wird uns ewig“ - hier stockte Metzger, und in seine „Ähs“ hinein, noch bevor er den Satz mit „bleiben“ beenden konnte, stellte Plasberg seine Anschlussfrage: „Zurecht oder zu Unrecht?“
Und das musste wirklich einmal gefragt werden. Dafür hat sich der ganze Lärm gelohnt. Auch wenn fünfundneunzig Prozent der türkischen Bevölkerung in Berlin von heute an aus lauter Trotz auch noch Kopftuchjungen produzieren, diesen Erfolg kann Thilo Sarrazin niemand mehr nehmen. Das Erbe der deutschen Geschichte ist für die Deutschen dauernde Belastung und Verpflichtung. Zurecht oder zu Unrecht? Rufen Sie Plasberg an, schicken Sie ihm eine Mail, und versäumen Sie nicht den Fakten-Check zum Holocaust und zum Existenzrecht Israels.
Plasberg wollte aber auch wirklich genau wissen, ob die geschichtspolitische Erblast unsere Debattenkultur erdrückt, und belohnte seinen Lieblingsschüler Metzger mit der Nachfrage: „Sollten wir uns jetzt davon befreien?“ Jetzt? Sofort, aus Metzgers Sicht. Oder nie, darum aber erst recht. „Aus meiner Sicht: Die Erblast tragen wir, aber wir können uns davon befreien.“ Durch enthemmtes Schwätzen.
Von der „Heftigkeit“ des Streits in seiner Sendung wollte Plasberg zurückschließen auf die Legitimität seiner Strategie der maßlosen Dramatisierung. Frage an Matussek: „Wofür ist Sarrazin das Indiz? Ist er eher der Brandstifter für Sie oder eher ein Ventil für einen Überdruckkessel?“ Matussek entschied sich erwartungsgemäß für Ventil und lieferte Plasberg das Stichwort der von Sarrazin verdienstvollerweise berührten „Tabufelder“. Plasberg, triumphierend: „Sehen Sie einmal, was da passiert, wenn man ein Tabu verletzt.“ Diesen Satz musste Plasberg nicht mehr als Frage formulieren. Er war die Antwort. In der verkehrten Welt der Fernsehdebatte ist ein Tabu dadurch definiert, dass es gebrochen werden muss.
Neu ist das ja alles nicht:
Robustest möglicher Schwachsinn // geändert in: Pack
Deutsche religiöser als vermutet - und man merkt es sofort
Hagen Rether in der Scheibenwischer Gala 29.12.07 : Der Islam<
Ansonsten: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit
Oder immer gut gegen alle terribles simplificateurs:Theweleit: Play Station Cordoba. Yugoslavia. Afghanistan etc. Ein Kriegsmodell (nur noch hier: Booklooker)
”Die Politik der kulturellen Identität besteht darin, Minoritäten innerhalb von Majoritätsgesellschaften anzustiften, ihre je kulturelle Autonomie zu behaupten, zur Not mit Gewalt. (...) Die Begriffserfindung der kulturellen Identität hat keine reale Entsprechung, sie ist ein Kontrafaktum, eine Konstruktion zur Erpressung der zu ihr gehörigen und zur ausbeuterischen Ausgrenzung aller nicht zu ihr gehörigen.” Bazon Brock: Krieg und Kunst - Kulturelle Regelsysteme
Die Wikipedia zur Etymologie des Begriffes Sarazenen:
Griechisch Sarakenoi, syrisch Sarkaye und lateinisch Saraceni bezeichnete in der Spätantike (2. bis 4. Jahrhundert) zunächst einen oder mehrere Nomadenstämme auf der Sinaihalbinsel, und zwar nach der Darstellung von Ptolemaios im Gebiet von Nabatäa. Die Herkunft des Wortes ist nicht sicher. Unter den zahlreichen Etymologien, die in moderner Zeit vorgeschlagen wurden, begegnet am häufigsten eine seit dem 18. Jahrhundert aufgekommene Herleitung aus arabisch scharqi („östlich, orientalisch, Orientale“). Ebenfalls bedenkenswert erscheint als mögliche arabische Wurzel sariq, Plural sariqin („Plünderer“).
Bedeutungsentwicklung
Die Bedeutung wurde seit der Spätantike sukzessive erweitert, zuerst auf die übrigen arabischen Stämme der vorislamischen Zeit (Eusebius, Hieronymus), und dann im Laufe der kriegerischen Auseinandersetzungen mit maurischen und arabischen Armeen in Europa auf die islamischen Völkerschaften schlechthin. In dieser erweiterten Bedeutung wurde das Wort seit der Zeit der Kreuzzüge aus dem Griechischen und Lateinischen auch in die europäischen Volkssprachen übernommen.
Der Gebrauch im christlichen Schrifttum war hierbei geprägt von einer die bezeichneten Völker abwertenden, gelehrten Volksetymologie. Bereits bei Hieronymus und Sozomenos, also in vorislamischer Zeit, erscheint die Worterklärung, dass die Agarener (oder Hagarener), die Nachfahren der Hagar, der verstoßenen Sklavin und Nebenfrau Abrahams, sich fälschlich als „Sarazenen“ bezeichnet hätten, um sich als Abkömmlinge der Sarah, der Freien und Ehefrau Abrahams auszugeben und sich dadurch aufzuwerten. Diese Worterklärung, die die Sarazenen als verkappte Agarener, und damit in Anknüpfung an die paulinische Deutung des alttestamentlichen Themas (Gal. 4,21-31) als Angehörige eines von Gott heilsgeschichtlich verstoßenen Volkes deutete, wurde bei den christlichen Autoren des Mittelalters seit dem Aufkommen des Islam zu einem anti-islamischen Topos, der in der europäischen Literatur über die Kreuzzüge und den Islam weitere Verbreitung erlangte.
Das Wort saracenus und seine volkssprachlichen Entsprechungen haben im Verlauf ihrer mittelalterlichen Bedeutungsentwicklung neben der primären ethnischen oder religiösen Bedeutung „islamischen Völkern zugehörig“ zum Teil auch die weitere Bedeutung „heidnisch“ oder allgemein „fremdartig, alt“ angenommen (so in Bezeichnungen von Bauwerken oder Ruinen der römischen Antike als „sarazenisch“, daher auch engl. sarsen (stone) für Megalithen in prähistorischen Monumenten), außerdem in bestimmten Zusammenhängen die übertragene Bedeutung „schwarz, dunkel“. Sprach- und sachgeschichtlich ist deshalb oft schwer oder nur anhand des jeweiligen Kontextes zu entscheiden, ob gegebene Verwendungsweisen auf der primären oder einer sekundären Bedeutung beruhen.
Als zu Beginn des 15. Jahrhunderts in romanischen und deutschsprachigen Ländern erstmals Gruppen der ursprünglich aus Indien stammenden, über Byzanz und den Balkan zugewanderten Roma auftauchten und von der einheimischen Bevölkerung als Angehörige eines fremden, dunkelhäutigen und aus dem Osten stammenden Volkes wahrgenommen wurden, wurde neben anderen Bezeichnungen wie „Ägypter“, „Zigeuner“ (beides schon im byzantinischen Sprachgebrauch vorgebildet), „Heiden“ und „Tataren“ zuweilen auch die Bezeichnung „Sarazenen“ für Roma verwendet, so hauptsächlich in romanischen Sprachen und unter deren Einfluss dann im 15. Jh. vereinzelt auch im Deutschen.
Abgeleitete Namen
Personennamen
Besonders in Frankreich und der Schweiz ist noch heute der Familienname Sar(r)asin bzw. Sar(r)azin verbreitet, in der deutschsprachigen Schweiz auch Saratz, in Italien und der italienischsprachigen Schweiz Sar(r)aceno, Sar(r)acino, im Englischen die aus dem Französischen bzw. Anglonormannischen noch weiter entwickelte Form Sarson. Vorläufer solcher Namen ist im Mittelalter ein in den lateinischen Quellen seit dem 11. Jh. vielfach dokumentierter Name oder Beiname Saracenus, der in vielen Fällen wegen einer „sarazenischen“ Herkunft des Trägers, in anderen Fällen aber auch nur wegen eines zeitweisen Aufenthaltes bei den „Sarazenen“ oder, wie lat. Maurus, nordfrz. Moreau, engl. Moore, zur Hervorhebung einer besonders dunklen Haut- oder Haarfarbe entstand. Sofern der Name erst im Spätmittelalter in Gebrauch kam, ist auch mit der Möglichkeit zu rechnen, dass er im Hinblick auf die mögliche Bedeutung „Zigeuner“ gewählt wurde.
Wenn also der Name Sarrazin auf die sarazenische Herkunft des Trägers verweist, dann haben wir es hier mit einem interessanten Fall von kultureller Obsthändler-Identitätsdiffusion zu tun. Das muss ähnlich wehtun wie die Obsessionen eines Mr Liwek “Lionheart” Ozog aus Tombstone, AZ 85638, USA, der den Chef macht bei Fact - Fiction (a transatlantic press network based in the USA: ... widmet sich vornehmlich der Politik, der Wirtschaft, den Medien, der Geschichte und Zeitgeschichte. Es ist konservativ, politisch-inkorrekt, kapitalistisch, religiös neutral, anti-islamistisch, anti-ideologisch, vertritt aber die christlichen Wurzeln des Abendlandes und deutsche Interessen... - ein ähnlich bräunliches Gemisch also wie PI -), dessen deutscher Ableger mit viel islamophober Zustimmung die schönsten Passagen des Sarrazin-Interviews im Netz verbreitet.
Ist aber auch egal, denn:
Ob Sarrazin sich total geirrt hat oder nicht, ist in der Draufsicht auf das Problem des Landes völlig unwichtig, aber er hat sich als Tabubrecher für das Ganze nützlich gemacht. Und es wird noch viele Tabus zu brechen geben, wenn etwas Vernünftiges dabei heraus kommen soll.
Bettina Röhl als Gefangene der Sarazenen:
... Was Sarrazin gesagt hat, muss jemand sagen dürfen, ohne, dass er persönlich vernichtet wird. Sarrazin hat ein Recht, mit dem was er gesagt hat, auf das Gegenargument. Und die Gesellschaft und die Bürger dieses Land haben ein Recht auf Diskussion. Die Reaktionen, die Sarrazin erzeugt hat, beweisen, dass das Thema Integration von einem gefährlichen Ungeist totgebügelt wird, obwohl es das wahrscheinlich virulenteste Thema der Gegenwart ist.
Ohne jede Grundlage werden Phantastereien, Ideologien und alle möglichen Verklemmungen gepaart mit skrupelloser Karrieresucht und einem unerträglichen Gutmenschentum zu einer verquasten Pampe gerührt. Wie gesagt, ob Sarrazin unter- oder übertreibt, ob er überhaupt richtig oder gänzlich falsch liegt, oder ob Sarrazin sich im Ton vergriffen hat oder nicht, ist ein eigenes Thema für sich, dass aber nur diskutiert werden kann, wenn Meinungsfreiheit und wenn Fakten herrschen, respektive eine Chance haben, erkannt zu werden...
Eine Wortkotze ohnegleichen, - schön aber rührt sie den Topos des heroischen Tabu-Brechens in ihre verquaste Pampe; eine Technik, die auch als Plasberg-Methode in den öffentlichen Schein-Debatten grassiert:
... Und warum geht's im hiesigen Diskurs, was das Sortieren brauchbarer und unbrauchbarer Gruppen angeht, so verkrampft zu? Bei dieser Frage gäbe es eine Durchfallquote von null Prozent sogar bei Kopftuchmädchen. Plasberg durfte die Antwort vorwegnehmen, in Frageform: „Ist das ein Erbe der Nazi-Unkultur, dass wir solche Diskussionen nicht mehr führen können?“ Streberhaft preschte Oswald Metzger vor: „Aus meiner Sicht ohne jede Frage. Also, das Erbe der deutschen Geschichte des letzten Jahrhunderts wird uns ewig“ - hier stockte Metzger, und in seine „Ähs“ hinein, noch bevor er den Satz mit „bleiben“ beenden konnte, stellte Plasberg seine Anschlussfrage: „Zurecht oder zu Unrecht?“
Und das musste wirklich einmal gefragt werden. Dafür hat sich der ganze Lärm gelohnt. Auch wenn fünfundneunzig Prozent der türkischen Bevölkerung in Berlin von heute an aus lauter Trotz auch noch Kopftuchjungen produzieren, diesen Erfolg kann Thilo Sarrazin niemand mehr nehmen. Das Erbe der deutschen Geschichte ist für die Deutschen dauernde Belastung und Verpflichtung. Zurecht oder zu Unrecht? Rufen Sie Plasberg an, schicken Sie ihm eine Mail, und versäumen Sie nicht den Fakten-Check zum Holocaust und zum Existenzrecht Israels.
Plasberg wollte aber auch wirklich genau wissen, ob die geschichtspolitische Erblast unsere Debattenkultur erdrückt, und belohnte seinen Lieblingsschüler Metzger mit der Nachfrage: „Sollten wir uns jetzt davon befreien?“ Jetzt? Sofort, aus Metzgers Sicht. Oder nie, darum aber erst recht. „Aus meiner Sicht: Die Erblast tragen wir, aber wir können uns davon befreien.“ Durch enthemmtes Schwätzen.
Von der „Heftigkeit“ des Streits in seiner Sendung wollte Plasberg zurückschließen auf die Legitimität seiner Strategie der maßlosen Dramatisierung. Frage an Matussek: „Wofür ist Sarrazin das Indiz? Ist er eher der Brandstifter für Sie oder eher ein Ventil für einen Überdruckkessel?“ Matussek entschied sich erwartungsgemäß für Ventil und lieferte Plasberg das Stichwort der von Sarrazin verdienstvollerweise berührten „Tabufelder“. Plasberg, triumphierend: „Sehen Sie einmal, was da passiert, wenn man ein Tabu verletzt.“ Diesen Satz musste Plasberg nicht mehr als Frage formulieren. Er war die Antwort. In der verkehrten Welt der Fernsehdebatte ist ein Tabu dadurch definiert, dass es gebrochen werden muss.
Neu ist das ja alles nicht:
Robustest möglicher Schwachsinn // geändert in: Pack
Deutsche religiöser als vermutet - und man merkt es sofort
Hagen Rether in der Scheibenwischer Gala 29.12.07 : Der Islam<
Ansonsten: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit
Oder immer gut gegen alle terribles simplificateurs:
”Die Politik der kulturellen Identität besteht darin, Minoritäten innerhalb von Majoritätsgesellschaften anzustiften, ihre je kulturelle Autonomie zu behaupten, zur Not mit Gewalt. (...) Die Begriffserfindung der kulturellen Identität hat keine reale Entsprechung, sie ist ein Kontrafaktum, eine Konstruktion zur Erpressung der zu ihr gehörigen und zur ausbeuterischen Ausgrenzung aller nicht zu ihr gehörigen.” Bazon Brock: Krieg und Kunst - Kulturelle Regelsysteme
gebattmer - 2009/10/13 15:00
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