Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit
Die Abstiegsangst hat die Mittelschicht gepackt - mit gefährlichen Folgen für das soziale Klima / Von Wilhelm Heitmeyer und Sandra Hüpping - heute in der sz:
Die aktuelle Debatte um die "Unterschicht" und ihre besondere Ausprägung in Ostdeutschland ist nicht in der Lage, die seit längerem existierenden Verschiebungen und ihre Ursachen angemessen aufzunehmen. Sie müsste sich vielmehr darauf konzentrieren, dass ein globalisierter und härter gewordener Kapitalismus keine soziale Integration erzeugt und nationalstaatliche Politik offensichtlich einen Kontrollverlust hinnehmen muss, also entweder nicht bereit oder nicht in der Lage ist, dagegen zu steuern.
Heitmeyers Forschungsprojekt wird hier vorgestellt: Die (Langzeit-) Untersuchung des sozialen Klimas erfasst sehr viel genauer die Dimensionen der sozialen Desintegration als das Unterschichten-Gerede ...:
(aus der Einleitung)
Die humane Qualität einer Gesellschaft erkennt man nicht an Ethik-debatten in Feuilletons meinungsbildender Printmedien oder in Talkshows, sondern am Umgang mit schwachen Gruppen. Der kann sich in vielen Facetten ausdrücken:
Ökonomische Umverteilungen von unten nach oben, Entfernungen aus dem öffentlichen „Verkaufsraum“, Generalverdächtigungen gegenüber Lebensstilen oder religiösen Überzeugungen ganzer Gruppen sind nur einige Varianten. Zum Teil werden Gruppen gegen andere instrumen-talisiert oder als Bedrohungspotential auf die öffentliche Tagesord-nung gehoben. Eine andere Variante ist, die Situation schwacher Gruppen gar nicht erst zu thematisieren, sie also aus der öffentlichen Wahrnehmung und Diskussion auszuschließen, zu vergessen; mithin sie nicht anzuerkennen, um nicht über Verbesserungen ihrer Lage nachdenken zu müssen. Klammheimlich kann dazu auch die „Schuldumkehr“ eingesetzt werden, womit die Ursachen für Abwertungen – quasi gesellschaftsentlastend – den Gruppen selbst zugeschrieben werden.
Ein zentrales Problem unserer Gesellschaft steht hinter allen diesen Erscheinungsweisen, Instrumentalisierungen und Entwicklungen: Die Aufrechterhaltung oder gar Verstärkung der Ungleichwertigkeit von Gruppen und ihrer Mitglieder sowie die Auflösung von Grenzen zur Sicherung ihrer physischen und psychischen Integrität, die ihnen ein Leben in Anerkennung und möglichst frei von Angst ermöglichen.
Daher geht es immer wieder um die Frage, wie Menschen unterschied-licher sozialer, religiöser und ethnischer Herkunft mit ihren verschie-denen Lebensstilen in dieser Gesellschaft leben, Anerkennung erfahren oder aber sich feindseligen Mentalitäten ausgesetzt sehen.
Dabei sind wir mit einer bemerkenswerten Ungleichzeitigkeit konfron-tiert. Auf der einen Seite werden von der Politik durchaus Anstrengun-gen etwa zur rechtlichen Gleichstellung bzw. Anti-Diskriminierung unternommen. Auf der anderen Seite sind deren Effekte offenkundig nicht hinreichend für eine deutliche Veränderung von Einstellungen in der Bevölkerung und für ein besseres Zusammenleben von Gruppen.
Vor diesem Hintergrund sind für die Bundesrepublik vier zentrale Fragen ständig wieder neu zu klären:
* In welchem Ausmaß wird die Würde zahlenmäßig schwacher bzw. sog. beschwerdearmer Gruppen angetastet durch abwertende, ausgrenzende Einstellungen und diskriminierendes Verhalten anderer Personen?
* Welche Erklärungen sind dafür zu finden, dass sich menschenfeindliche Mentalitäten in dieser Gesellschaft hartnäckig halten bzw. ausbreiten?
* Wo werden Veränderungen in den Ausmaßen und Zusammenhängen im Zeitverlauf erkennbar?
Update Dezember 2009:
Die aktuelle Heitmeyer-Studie zeigt: Ressentiments gegen Frauen, Muslime oder Behinderte gehen zurück. Antisemitismus und Homophobie nehmen hingegen zu.... Deutsche Zustände in Zeiten der Krise
Nachtrag:
H.J.Krysmanski
Entwicklung und Stand der klassentheoretischen Diskussion
Die aktuelle Debatte um die "Unterschicht" und ihre besondere Ausprägung in Ostdeutschland ist nicht in der Lage, die seit längerem existierenden Verschiebungen und ihre Ursachen angemessen aufzunehmen. Sie müsste sich vielmehr darauf konzentrieren, dass ein globalisierter und härter gewordener Kapitalismus keine soziale Integration erzeugt und nationalstaatliche Politik offensichtlich einen Kontrollverlust hinnehmen muss, also entweder nicht bereit oder nicht in der Lage ist, dagegen zu steuern.
Heitmeyers Forschungsprojekt wird hier vorgestellt: Die (Langzeit-) Untersuchung des sozialen Klimas erfasst sehr viel genauer die Dimensionen der sozialen Desintegration als das Unterschichten-Gerede ...:
(aus der Einleitung)
Die humane Qualität einer Gesellschaft erkennt man nicht an Ethik-debatten in Feuilletons meinungsbildender Printmedien oder in Talkshows, sondern am Umgang mit schwachen Gruppen. Der kann sich in vielen Facetten ausdrücken:
Ökonomische Umverteilungen von unten nach oben, Entfernungen aus dem öffentlichen „Verkaufsraum“, Generalverdächtigungen gegenüber Lebensstilen oder religiösen Überzeugungen ganzer Gruppen sind nur einige Varianten. Zum Teil werden Gruppen gegen andere instrumen-talisiert oder als Bedrohungspotential auf die öffentliche Tagesord-nung gehoben. Eine andere Variante ist, die Situation schwacher Gruppen gar nicht erst zu thematisieren, sie also aus der öffentlichen Wahrnehmung und Diskussion auszuschließen, zu vergessen; mithin sie nicht anzuerkennen, um nicht über Verbesserungen ihrer Lage nachdenken zu müssen. Klammheimlich kann dazu auch die „Schuldumkehr“ eingesetzt werden, womit die Ursachen für Abwertungen – quasi gesellschaftsentlastend – den Gruppen selbst zugeschrieben werden.
Ein zentrales Problem unserer Gesellschaft steht hinter allen diesen Erscheinungsweisen, Instrumentalisierungen und Entwicklungen: Die Aufrechterhaltung oder gar Verstärkung der Ungleichwertigkeit von Gruppen und ihrer Mitglieder sowie die Auflösung von Grenzen zur Sicherung ihrer physischen und psychischen Integrität, die ihnen ein Leben in Anerkennung und möglichst frei von Angst ermöglichen.
Daher geht es immer wieder um die Frage, wie Menschen unterschied-licher sozialer, religiöser und ethnischer Herkunft mit ihren verschie-denen Lebensstilen in dieser Gesellschaft leben, Anerkennung erfahren oder aber sich feindseligen Mentalitäten ausgesetzt sehen.
Dabei sind wir mit einer bemerkenswerten Ungleichzeitigkeit konfron-tiert. Auf der einen Seite werden von der Politik durchaus Anstrengun-gen etwa zur rechtlichen Gleichstellung bzw. Anti-Diskriminierung unternommen. Auf der anderen Seite sind deren Effekte offenkundig nicht hinreichend für eine deutliche Veränderung von Einstellungen in der Bevölkerung und für ein besseres Zusammenleben von Gruppen.
Vor diesem Hintergrund sind für die Bundesrepublik vier zentrale Fragen ständig wieder neu zu klären:
* In welchem Ausmaß wird die Würde zahlenmäßig schwacher bzw. sog. beschwerdearmer Gruppen angetastet durch abwertende, ausgrenzende Einstellungen und diskriminierendes Verhalten anderer Personen?
* Welche Erklärungen sind dafür zu finden, dass sich menschenfeindliche Mentalitäten in dieser Gesellschaft hartnäckig halten bzw. ausbreiten?
* Wo werden Veränderungen in den Ausmaßen und Zusammenhängen im Zeitverlauf erkennbar?
Update Dezember 2009:
Die aktuelle Heitmeyer-Studie zeigt: Ressentiments gegen Frauen, Muslime oder Behinderte gehen zurück. Antisemitismus und Homophobie nehmen hingegen zu.... Deutsche Zustände in Zeiten der Krise
Nachtrag:
H.J.Krysmanski
Entwicklung und Stand der klassentheoretischen Diskussion
gebattmer - 2006/10/22 02:35
Bloß mal so
Auch für den Krysmanski - Fund