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Abitur in Deutschland - Falsch Gm8

abi1955bDer Bildungswirt (via NDS) hat dankenswerterweise am Beispiel des Faches Deutsch recherchiert, wie bundesweit die Kultusbürokratie mit dem Zentralabitur die Reste dessen, was man Bildung nennen könnte, liquidiert hat und an die Stelle der zugegebenermaßen wenig befriedigenden Willkür des Fachlehrers die Willkür des ministeriell verordneten Irrsinns gesetzt hat. Alles, was man über die Entwicklung von Lesekompetenz nach PISA wissen kann, wird eingedampft auf die Schwundstufe von Lernen: learning on the test ...

... Die verordneten Pflichtlektüren, Willkürlisten der Vor-Vorgestrigen, die für neue Lehrer von Altlehrern und deren Altlehrern gemacht wurden, lassen für subjektive Präferenzen der Lernenden kaum eine Option offen. In Hessen z.B. schrieb das Kultusministerium für das Landesabitur 2007 und 2008 (Unterricht der gymnasialen Oberstufe) folgende Lektüre zwingend vor: Lyrik der Klassik und Romantik; Schiller: Don Carlos; Hoffmann: Der Sandmann; Büchner: Woyzeck und Briefe; Fontane: Effi Briest, Kafka: Kurze Prosa; Gedichte des Expressionismus; Dürrenmatt: Die Physiker; Schiller: Über die ästhetische Erziehung des Menschen (nur im Leistungskurs); Kafka: Die Verwandlung (nur im Leistungskurs); Frisch: Homo faber (nur Leistungskurs). Zusätzlich wird für die im »Abschlussprofil des Leistungskurses geforderte größere literarische Belesenheit« erwartet: Brecht: Leben des Galilei; Eichendorff: Das Marmorbild; Th. Mann: Buddenbrooks. Nach zahlreichen Protesten von Lehrern und Eltern wird Dürrenmatt: Die Physiker und Eichendorff: Das Marmorbild wieder gestrichen und gleichzeitig das Abschlussprofil des verbindlichen Unterrichtsinhalts »Reflexion über Sprache« gesetzt. Dazu gehört dann unter anderem – »Das Zusammenwirken von psychischen, sprachlichen, ästhetischen, situativen und normativen Faktoren beim Austausch von Sachverhalten und Informationen erkennen und analysieren, Formen sprachlicher Beeinflussung und manipulativen Sprachgebrauchs erkennen«, aber auch »schriftlich orthographisch und grammatikalisch normgerecht formulieren«.

Schüler und Lehrer geraten unter unnötigen Dauerstress durch diese reglementierenden Erlasse. Das Leseprogramm wird im Stakkato durchgenommen und in die sogenannte Freizeit der Schüler abgedrängt. Von Lehrerseite heißt es dann: »Im Unterricht haben wir dazu nur begrenzt Zeit, wir Lehrer können nichts dafür, das wird vom Ministerium vorgegeben« – Paradebeispiele für Motivationskiller durch abstrakte Autoritäten. Verschärfend kommt noch hinzu:

Literatur nach 1960? Fehlanzeige! 50 Jahre literarische Blackbox: junge deutsche und internationale Autoren sind de facto in der Schule exkommuniziert.
...

In Niedersachsen ticken die Uhren wiederum ganz anders. Im Abitur 2009 werden verbindlich drei thematische Schwerpunkte gesetzt: “1. Literaturkritik, 2. Natur und Transzendenz in der Romantik, 3. Soziales Drama.” Dann erfolgt eine extrem kleinschrittige Festlegung der verbindlichen Lektüre. Beim Schwerpunkt “Literaturkritik” müssen alle “Die Besten 2004, Klagenfurter Texte” lesen, dazu werden die Seitenzahlen, z.B. S. 232-237 oder 255-258 bestimmt. Im 2. Schwerpunkt werden gar einzelne Gedichte festgelegt, z.B. Eichendorffs ‘Wünschelrute’. Für den LK selbstverständlich (?) Karoline von Gründerode und Heinrich von Kleist. Im Schwerpunkt 3: Hauptmann: Die Ratten und Horvath: Geschichten aus dem Wiener Wald. Für das Abitur 2011 sieht man das aber alles wieder anders. Die thematischen Schwerpunkte heißen dann: “1. Deutsche Sprache der Gegenwart, 2. Heinrich von Kleist, 3. Wissen und Verantwortung.” Im 3. Schwerpunkt wird als verbindliche Lektüre festgelegt: Dürrenmatt: Die Physiker, Ibsen: Ein Volksfeind, Helmut Schmitt - einer seiner vielen “Zeit”-Artikel und als Krönung J.W. Goethe: Der Zauberlehrling. Mit dem “Zauberlehrling” und dem Nicht-abstellen-Können der Breimaschine werden zu einem Ministerium ungeahnte paralelle Spuren erkennbar, zum Glück nicht interpretativ abiturrelevant. Bertolt Brecht - Lob des Lernens, Lob des Zweifels - wird abschließend für den Leistungskurs zur verbindlichen Lektüre erklärt; der Grundkurs wird davon “befreit”, wer braucht da schon Brecht? ...

Tiefer nachdenken könnten alle Bildungsinteressierten auch mal über die obligatorische ministeriale Setzung für das Abitur 2009: »Über das Verhältnis von Sprechen, Denken und Wirklichkeit nachdenken: Sprachkritik, Sprachskepsis, Sprachnot (Grund- und Leistungskurs)«. Diese Prüfung sollte auch für Ministerialbeamte und die untere Schulaufsicht eingeführt werden mit Veröffentlichung der Ergebnisse im Internet! Des Weiteren kann niemand mit guten Argumenten erklären, warum im Abitur 2008 »Strukturen der Sprache als System und Funktion ihres Gebrauchs in Texten und Kommunikationssituationen: Rhetorik – öffentliche Rede« noch verpflichtend gesetzt, aber in Hessen für 2009 und 2010 gestrichen wird. Sind öffentliche Kommunikationssituationen nicht mehr von Bedeutung? Warum werden grundlegende Themen wie »Spracherwerb und Sprachentwicklung« nur für den Leistungskurs gesetzt? Ministeriale Willkür, so weit das Auge reicht.

Dank an den Bildungswirt für diese hervorragende Zusammenstellung von anschaulichen Beispielen dafür, wie es gelungen ist, innerhalb weniger Jahre Schule völlig gegen die Wand zu fahren.

Mit einer ebenso scharfsinnigen Analyse der Fehlkonstruktion des
G8 verbindet Ulrich Herrmann Vorschläge für eine Schule , in der Lernen möglich wäre (auszüge):

... "Neue" Bildungspläne – gemeint sind Lehr-, eigentlich jedoch: Stoffverteilungspläne – sind genau so sinnvoll oder sinnlos wie alte: Es kommt immer darauf an, was mehr oder weniger intelligente Lehrer und Schüler daraus machen. Deshalb benötigt eine freie, an den Zielen, Leistungen und Ergebnissen ihrer Schüler (und nicht an fragwürdigen PISA-Perzentilen) orientierte Schule weder neue noch alte Bildungs-, Lehr- oder Stoffverteilungspläne, sondern gar keine: In den Schulen der europäisch-angelsächsischen Reformpädagogik werden seit dem Ende des vor-vorigen Jahrhunderts (also seit der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert) Lehrpläne durch Arbeitspläne ersetzt. Es ist wie bei der Eisenbahn: Was nützt der schönste Fahrplan, wenn der Reisende selber kein Reiseziel hat. Da das lernende Gehirn prinzipiell schienen-ungebunden und autonom auf Informations- und geistige Reisen geht, machen Lehr- als Fahrpläne nun schon gar keinen Sinn. Auch wieder wie bei der Eisenbahn: Sie können einem Fahrgast keinen Fahrschein verkaufen, an dessen Zielbahnhof er gar nicht will oder wohin das Fahrgeld nicht reicht.

Eine "planmäßige" Bildungsarbeit ist unter den Arbeitsbedingungen der staatlichen öffentlichen Schulen ein Widerspruch in sich: Jedes Schüler-Gehirn folgt seinen Plänen und Möglichkeiten. Demzufolge sind Vergleichsarbeiten, Bildungsstandards und zentrale Prüfungen aus neurowissenschaftlicher Sicht die vergebliche Hoffnung auf geistiges Klonen.

Was die "höhere" Schule – und nicht nur sie! – braucht, sind die materiellen und personellen Voraussetzungen und Ausstattungen dafür, dass sie herausfinden und praktizieren kann, was sie wirklich leisten kann und was sie nicht kann. Dazu braucht sie Einsatzpläne für Lehrer, Arbeitspläne für die Schüler und Wegebeschreibungen für erreichbare (Ab- und Anschluss-)Ziele – also alles andere als Lehrpläne und diese, wie unten gezeigt wird, gar nicht! ...

Die wichtigste Schulzeitverkürzung, die mit der Lebenszeit junger Menschen verantwortlich umgeht und Personal für andere Aufgaben freisetzen würde, ist die Abschaffung des Sitzenbleibens, dessen Unvertretbarkeit und Unsinnigkeit außer Zweifel steht.

Der Klarheit wegen sollte zwischen Schulzeit und Schulbesuchszeit unterschieden werden. Erstere benennt den Zeitrahmen für die Erreichung von Ab- und Anschlüssen, letztere die Verweildauer im System, wenn Praktika, Auslandsaufenthalte usw. mitgerechnet werden. Für letztere ist im jetzigen G 8 kein Zeitfenster mehr vorhanden.

Was ist in dieser Situation künftig zu tun, wo schon aus Etatgründen nicht damit zu rechnen ist, dass die Gymnasialzeit wieder um ein Jahr verlängert wird?

Ehe wir in die Fallen dessen laufen, was gar nicht "richtig" gemacht werden kann oder in den Papierkorb gehört (wie z.B. Lehrplan-Revision), sollten wir uns vergegenwärtigen, wer hier die hauptsächlich Betroffenen sind: die Schüler und Lehrer. Lassen wir mal die Lehrkräfte beiseite, die sich durch Gewerkschaften und Standesorganisationen sowie derzeit noch geschützt durch ihren Beamtenstatus ihrer Haut wehren könnten (was sie leider nicht tun), sondern betrachten wir die Schüler mal probehalber als Arbeitnehmer in einer öffentlichen Firma der Wissensgenerierung im nationalen Interesse und im Rahmen des globalen Wissens- und Wissenschaftswettbewerbs.

schulzimmermittextanimSchüler als Arbeitnehmer haben keine Lobby und keine wirksame Rechtsvertretung (obwohl sie im Sinne des Schulgesetzes juristische Personen sind); sie sind von Gesetzes wegen dienst- bzw. zwangsverpflichtet, ohne nennenswerte Rechte am Arbeitsplatz zu haben (und den haben sie meist gar nicht!), Streikrecht und eine wirksame Interessenvertretung fehlt ihnen. Ihre Eltern bzw. ihre Erziehungsverantwortlichen können ihre Interessen nicht (oder nur ausnahmsweise) wahrnehmen bzw. trauen sich (aus den bekannten Gründen) nicht, die Lehrkräfte wollen es nicht bzw. sehen dies gar nicht als ihre Aufgabe. Die Schule stellt sich dar als eine Unterrichtsvollzugsanstalt mit entsprechenden Nachteilen für die Insassen und beträchtlichen Vorteilen und Privilegien für das Personal (das gleichwohl das Problem hat, den Vollzug vollziehen zu müssen).

Wie stellen sich nun konkret die Arbeits- und Arbeitsplatzsituationen der Schülerinnen und Schüler im Gymnasium und die damit verbundenen Belastungen im baden-württembergischen G 8 dar? Unter anderem so: 32 bis 34 Unterrichtsstunden, an drei Tagen Nachmittagsunterricht ohne Mensa oder Freizeitbereich in der Mittagspause, einige wenige noch mögliche zusätzliche Aktivitäten, dazu Wegezeiten und Hausaufgaben – macht von Montag bis Freitag locker eine 45-Stunden-Woche; samstags ist Ruhetag, aber der Sonntag ist der Hauptarbeitstag für die Vorbereitung der kommenden Woche, in der u. U. eine oder mehrere Klausuren fällig werden (je 4 in 4 Hauptfächern, je 2 in den Nebenfächern, ergibt 36 Klausuren im Schuljahr, konzentriert zudem an den Quartalsenden, wenn die Unterrichtseinheiten beendet werden). Es liegt auf der Hand, dass kein Berufstätiger einem solchen Stress und einer solchen permanenten Überprüfung unterworfen ist. (Dass dies ein System ist, in dem nach Auskunft der Neurowissenschaften nachhaltig gar nichts gelernt werden kann, sei wenigstens erwähnt und leuchtet auch ohne deren Begründungen schon aus alter Erfahrung ein: Es fehlen schlicht und ergreifend die Zeitfenster für Üben und Vertiefen, Üben und Vertiefen, Üben und Vertiefen…)

Was also ist zu tun und kann auch im jetzigen Kontext getan werden?

41C72F4XQRL-_SS500_1Der Schweizer Pädagogische Psychologe und Klassiker der Psychologischen Didaktik Hans Aebli hat dargelegt, wie Lehrpläne durch Lerngänge und Lernzyklen zu ersetzen sind. Das führt zu ganz anderen Arbeitszeitberechnungen (und z.B. im Selbstorganisierten Lernen zu beträchtlichen Zeiteinsparungen), ganz anderen Arbeits(=Lern)-Abläufen, ganz anderen Lehrertätigkeiten und -belastungen (und nota bene im Wesentlichen Entlastungen). Bekommen Schüler einen bestimmten Auftrag, einen erklärungsbedürftigen Sachverhalt zu erarbeiten, zu erklären und zu verstehen, dann brauchen sie – grob gesprochen – Zeit für die Organisation ihrer (Gruppen-)Arbeiten, für Recherchen, für das Zusammenführen, Auswerten und Interpretieren von Informationen, für das Formulieren, Kontrollieren und Präsentieren der Ergebnisse ihrer Arbeit. Man kann sich an drei Fingern abzählen, wie viele derartige Vorhaben im Kirchenjahr der Schule im Rhythmus von Betriebs- und Ferienzeiten in einem "Fach" unterzubringen sind. (Wer es genauer wissen will, kann sich am Dekaden-System der Urspring-Schule bei Schelklingen oder an den Themen des Vernutzten Unterrichts der Marchtaler-Plan-Schulen schlau machen.)

Fazit: Nicht "Lehrpläne" müssen "entrümpelt", sondern im Ganzen durch eine Abfolge von Arbeitseinheiten ersetzt werden. Ein funktionierendes G 8 kann nicht die Schrumpfform des G 9 sein, sondern muss von den Arbeits-(=Lern-)Abläufen her neu konstruiert werden. Diese Arbeitseinheiten müssen für alle erforderlichen Schritte von der Themenfindung bis zur Ergebnispräsentierung Zeitbudgets ausweisen für die Erreichung von Mindeststandards, d.h. für das Erreichen der angestrebten Ab- und Anschlüsse in und nach der Schule. Die Summe dieser Zeitbudgets darf die zur Verfügung stehende Regel-Schülerarbeitszeit in einem rhythmisierten Arbeitsalltag montags bis freitags von 8 bis 16 Uhr nicht überschreiten.

Im übrigen sollte lediglich das Minimum der Länge der Regelschulbesuchszeit generell festgelegt, die Länge der Schulzeit sich jedoch an den individuellen Leistungspotentialen und Fortschritten der Schüler orientieren. Dies geschieht durch die Individualisierung der Arbeitspläne mit gestuften Anforderungen. Dabei gibt es dann von selber kein Sitzenbleiben mehr, sondern mehr oder weniger Zeitaufwand für die Bewältigung der selbstgestellten Aufgaben im jeweiligen Niveau. Die einen benötigen dann für den Gymnasialkursus 11, die anderen 13 Jahre oder auch entsprechende Halbjahresabstände, je nach Prüfungsreife für die Reifeprüfung.
...

Bildungsplänen liegt in der Regel entweder die Vorstellung vom Nürnberger Trichter oder die irrige Annahme der Planbarkeit von Bildung zugrunde. Überdies gilt das Diktum Hegels: Selbst wenn der Hund das Buch gefressen hat, kann er immer noch nicht lesen. Und "bilden" kann sich jemand nur selber.

Ein Mensch lernt nur, was er tut. (Denken ist auch eine Tätigkeit…) Ein Lernen, das keine Tätigkeit ist, ist gar kein Lernen, sondern vertrödelte Zeit. Die Vermittlung von "Stoff" an untätige Schüler, auch Unterricht genannt, setzt daher in der Regel gar kein Lernen in Gang, sondern lässt lediglich unkontrollierte bruchstückhafte Informationsaufnahme im Nebenbewusstsein mitlaufen, während sich das Gehirn anderweitig selber beschäftigt. Diese vorherrschende Form des Unterrichtsbetriebs in Gymnasien und die ihm zugrunde liegenden Stoffverteilungen und Stundenkontingente zeigen mithin zunächst einmal nur dies: Dies sind diejenigen Zeiten, in denen die Schüler mit hoher Wahrscheinlichkeit eines nicht tun: etwas lernen. (Das müssen sie denn auch nachmittags zuhause nachholen.) Lernen geschieht mit Aussicht auf Erfolg erst durch die selbstbestimmten, selbsttätigen, interessegeleiteten, aktiven Formen der Aneignung als tätiger Auseinandersetzung mit einer Aufgabe, einer Herausforderung. (Wer sehen will, wie so etwas geschieht, braucht nur anzuschauen, wie Kinder einen ganzen Vormittag unermüdet in "vorbereiteten Lernumgebungen" aktiv sind.)

Fazit: Bildungspläne deklarieren einen Anspruch, tragen aber zu Lerneffekten von Unterricht und Schule gar nichts bei, sondern kaschieren nur deren Unwirksamkeit. (Das übrigens war die wirkliche PISA I-Botschaft!) Das Gymnasium muss nicht "entrümpelt" werden, sondern es muss methodisch-didaktisch neu konstruiert werden, damit sich die Schulbesuchszeit als effektive Lern-Arbeitszeit verwenden lässt. Dies geschieht bereits seit 1898 in den deutschen Landerziehungsheimen und heute in immer mehr reformpädagogisch orientierten Ganztags-("Tagheim"-)Schulen.
...

Generell gilt für die jetzige Debatte nach Auskunft der Schulleute: Gymnasium und andere weiterführende allgemeinbildende Schulen müssen bis zur Mittleren Reife wieder synchronisiert werden, damit der Übergang aus anderen Schulen in die Gymnasiale Oberstufe ohne Zeitverlust wieder möglich wird: je 3 Jahre für die Unter- und Mittelstufe bzw. je 6 Halbjahre. [2] Sodann wird die Gymnasiale Oberstufe in der Regel auf 2 Jahre (in 4 Halbjahren) begrenzt, was völlig ausreichend ist, damit sie ihrer eigentlichen Aufgabe gerecht werden kann: vornehmlich den Übergang vorbereiten in ein Hochschul- oder Universitätsstudium. Weitere ein oder zwei Halbjahre dienen Auslandsaustauschen, Sprachkursen, Praktika, Berufserkundungen usw., damit die Abiturienten anders als heute endlich halbwegs wissen, was sie nach dem Gymnasium mit sich anfangen wollen. – Mit dieser Regelung tritt eine Schulzeitverkürzung ein, als die sinnlosen Monate der Vorbereitung aufs Abitur und der Leerlauf danach entfallen. Die punktuelle Abschlussprüfung ist schon jetzt relativ funktionslos bei der Feststellung der Gesamtleistung für das Abschlusszeugnis und kann ersatzlos wegfallen.

Fazit: Die Gymnasiale Unterstufe darf keine Abschreckungs-, sondern muss eine Einführungs- und Stabilisierungsphase sein. Die Gymnasiale Mittelstufe in der Zeit der Pubertät muss eine schulische Bildung vermitteln, die – wie der Mittlere Abschluss an Real- und Gesamtschulen – eine Einmündung in andere Schulen oder die Berufsausbildung sicherstellt oder den Eintritt in eine Gymnasiale Oberstufe. Diese hat sich auf eine vertiefte Schulbildung und die Anschlussfähigkeit für ein Hochschul- oder Universitätsstudium zu konzentrieren.

Es liegt auf der Hand, dass nur der Ganztagsbetrieb die Zeitbudgets zur Verfügung stellt, um sowohl themenbezogene Projektarbeit als auch soziale Selbstentfaltung und freie Kreativitätsentfaltung zu ermöglichen.

Denn es sei abschließend noch einmal an den Sinn des Schulbesuchs im Jugendalter aus der Sicht von Jugendlichen erinnert: die Schule ist für sie ein Ort des Lebens, sich Kennenlernens, der Freundschaften, der Selbstfindung – und Lernen kommt erst unter "ferner liefen…". Das entspricht den neun Entwicklungsaufgaben im Jugendalter, die Fend identifiziert : den Körper bewohnen lernen, Umbau der sozialen Beziehungen, Umgang mit Schule und Leistungsbereitschaft, Berufswahl, Bildung, Identitätsarbeit, Persönlichkeitsentwicklung.

Schule ist ein Mittel zum Zweck: anschlussfähig für Anforderungen nach der Schule zu machen, aber auch Mittel zu einem anderen Zweck: jungen Menschen zu helfen, ihren Selbst-Zweck zu finden. Dass das G 8 in seiner jetzigen Form dazu etwas beiträgt, bezweifeln Lehrer, Eltern und Schüler. Die Lehrplandebatte führt hier nicht weiter, sondern ist ein Holzweg.


Anm.:
Oben zu "Bildung" ein Link auf einen Vortrag von Jürgen Oelkers , hier zum Stöbern der Link auf all seine Vorträge.
Vgl auch immer wieder: Lehren als Lernbehinderung


Update:
Meine LieblingsHAZ berichtet heute:
Wulff ärgert sich übers Kultusministerium
LTW2008_Grossflaechen_Bildung Schon nach der Sitzung der CDU-Landtagsfraktion am Dienstag fing das Gegrummel an, bis gestern wurde es auf den Fluren des Parlaments immer stärker. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) ist unzufrieden mit den Vorarbeiten, die das Kultusministerium für die Klausurtagung der Regierung am kommenden Montag geleistet hat. „Er hat das Konzept verworfen“, heißt es aus Koalitionskreisen. Die Kritik zielt zunächst auf Ministerin Elisabeth Heister-Neumann. Vor ihr stauen sich die Probleme. Ihr fehlen 1500 Lehrerstellen. ... Doch erste Papiere aus dem Ministerium haben Wulff erzürnt. ...
20.02.2009 / HAZ Seite 1 Ressort: POLI

Das ist eine starke Meldung und echt investigativer Journalismus. Es ist ja in der Tat eine Meldung wert, dass da sich einer ärgert, gar erzürnt ist ...
Hatte er nicht nach der Landtagswahl so einige Ideen angekündigt, mit Gruppenarbeit, fächerübergreifendem Unterricht und so ...?

Und Deutsch können sie auch nicht:
20 Millionen Euro mehr für die Lehrer (20.02.2009 / HAZ Seite 5 Ressort: NIED) müsste wohl heißen: 20 Mio für mehr Lehrer; aber ich fürchte, nicht mal das wird was werden... (s. o.)

Upgrade
Wer sich vorgestern ärgert und erzürnt ist, was macht der gestern: er donnert (der alttestamentarische Gott Wulff):
Wulff verdonnert Lehrer zur Mehrarbeit
Vor der mit Spannung erwarteten Kabinettsklausur zur Schulpolitik hat Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) die bisherigen rund 10 000 Teilzeitlehrer auf neue Belastungen eingestimmt. Aus „dienstlichen Belangen“ werde das Kultusministerium künftig nicht mehr jedem Antrag eines Lehrers, seine Stelle zu reduzieren, zustimmen können. „Das wird keine Begeisterung auslösen, aber wenn in einem Betrieb ganz viel Arbeit da ist, müssen die Beschäftigten mehr tun. Dies wird man auch von Beamten verlangen können“, sagte der Ministerpräsident. Er bat um Verständnis wegen der problematischen Unterrichtsversorgung in den Gymnasien. „Zwei Jahre lang“, bis zum doppelten Abiturjahrgang 2011, sei die Situation angespannt.... 21.02.2009 / HAZ Seite 1 Ressort: POLI
Auf die Idee, wenn ganz viel Arbeit da ist, mehr Leute einzustellen, kommt keiner mehr ... Ich sach noch ... (s. o.)
["ganz viel Arbeit da" ist auch eine niedliche Vorstellung: Bei dem in seiner Heimatstadt gegen die Wand gefahrenen Kabriobauer Karmann ist jetzt ganz wenig Arbeit da ...]

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Wise Man Says

"Es gibt so viele Arschloch-Typen wie es menschliche Funktionen, Tätigkeiten und Interessengebiete gibt. Und auf jedem Gebiet kann das Verhältnis von AQ zu IQ ein anderes sein. Kein noch so kopfdenkerisches Verhalten bei einem Thema bietet Gewähr dafür, dass nicht schon beim nächsten der Arschdenk mit voller Wucht einsetzt." Charles Lewinsky, Der A-Quotient

Wise Man Says II

"The illusion of freedom will continue as long as it's profitable to continue the illusion. At the point where the illusion becomes too expensive to maintain, they will just take down the scenery, they will pull back the curtains, they will move the tables and chairs out of the way and you will see the brick wall at the back of the theater." Frank Zappa

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