Reden und reden lassen ? (II) - «Dresden – in den Musennestern wohnt die süsse Krankheit Gestern» - Bildungsaristokratisch unter dekadenten Himmeln: Tellkamp hat gewalsert
«Der Turm» von Uwe Tellkamp? -«Wieso sollte ich das lesen?»
Sodann dreht einem langsam sein ausdrucksloses Gesicht entgegen und sagt: «Das ist Rotz.»
Warum? «Weil das nicht meine DDR ist, die der beschreibt...» :
... ein Milieu, in dem ein Kater „Chakamankabudibaba“ (nach dem Märchenonkel Hauff, weniger bildungsbeflissen geht es nicht bei den Türmern) heißt, eine Gespensterwelt namens „Ostrom“, in der oberhalb Dresdens die mächtigen bösen Herrscherfunktionäre schwer bewacht verdämmern? Roman-Bilder, auf die Richard Wagners Parzival-Satz „Zum Raum ward hier die Zeit“ zutrifft? ... ( Uwe Tellkamps Roman „Der Turm“ über die Herrscher und Beherrschten in der DDR ist ein Monster mit tausend Seiten. Nikolaus Festenberg, Tagespiegel 02.10.2012)
Und ich wundere mich über Schloemann, der meint, der Tellkamp sei nun - aus heiterem Himmel - dem Ressentiment verfallen, - habe er doch noch 2012 im Interview mit der ZEIT auf die Frage, was denn für die Ex-DDR-Bürger typisch sei, wenn es Angela Merkel nicht sei, Folgendes geantwortet:
Man soll ja einen Roman nicht mit seinen Rezensenten totschlagen, aber wenn er sich so lesen lässt wie seinerzeit Tillmann Krause in der "Welt":
Rückblick auf Uwe Tellkamps "Der Eisvogel" - Traum von der konservativen Revolution
von Gregor Dotzauer (Potsdamer Neueste Nachrichten, 14.03.2018)
Es lohnt sich, aus der Perspektive von gestern auf den Tellkamp von heute zu schauen: Ein Rückblick auf seinen Roman "Der Eisvogel" von 2005.
Die AfD hat die Bundestagswahl in Sachsen hauchdünn vor der CDU gewonnen...
Wie der Markt die Meinung reguliert, fiel mir neulich schonmal auf, als ich mir Dieter Nuhr, Ingo Appelt und Andreas Rebers angetan habe. Literaten und Comedians müssen hat auch schauen, wer Literatur und Comedy nachfragt, - und wenn da 1/3 mittlerweile schwer rechtes Bildungsbürgertum dabei ist, das meint, weil mal was von Thomas Mann gelesen zu haben bedeutet, immer noch was Besseres zu sein als das Tellkamp-mäßig verachtete Kleinbürgertum, dann muss das ja auch bedient werden ...
Vgl. auch
Versagt der Literaturbetrieb?
Telepolis, 15. März 2018, Ralf Hutter
Seit langem gibt die Buchbranche Anlass zur Sorge ob ihrer Schlagfertigkeit gegenüber reaktionären Akteuren. Für die am Donnerstag beginnende Leipziger Buchmesse sieht es wieder nicht gut aus
Sodann dreht einem langsam sein ausdrucksloses Gesicht entgegen und sagt: «Das ist Rotz.»
Warum? «Weil das nicht meine DDR ist, die der beschreibt...» :
... ein Milieu, in dem ein Kater „Chakamankabudibaba“ (nach dem Märchenonkel Hauff, weniger bildungsbeflissen geht es nicht bei den Türmern) heißt, eine Gespensterwelt namens „Ostrom“, in der oberhalb Dresdens die mächtigen bösen Herrscherfunktionäre schwer bewacht verdämmern? Roman-Bilder, auf die Richard Wagners Parzival-Satz „Zum Raum ward hier die Zeit“ zutrifft? ... ( Uwe Tellkamps Roman „Der Turm“ über die Herrscher und Beherrschten in der DDR ist ein Monster mit tausend Seiten. Nikolaus Festenberg, Tagespiegel 02.10.2012)
- Und jetzt? Heute sieht die Tellkamp-Welt ganz anders aus. All die Rechtspopulismus-Profis und AfD-Experten winken ja mittlerweile schon schnell routiniert ab, wenn sie ein Muster wiedererkennen, und attestieren dann, nun sage auch der- oder diejenige "das Übliche", was man da eben so sage. Aber gegen diese Abgebrühtheit sollte man sich doch noch mal das ganze konkrete Paket an Überzeugungen klarmachen, das der preisgekrönte Autor in Dresden vor großem Publikum gebündelt vorgetragen hat. Es sind folgende: Die Aufnahme von Flüchtlingen war ein Rechtsbruch. Die gleichgeschaltete linke Presse gefährdet die Meinungsfreiheit. Dagegen erfordert es Mut, die eigentlichen Wahrheiten auszusprechen. Kaum ein Flüchtling ist verfolgt, sondern nur Wirtschaftsmigrant. Thilo Sarrazin hingegen kann als Verfolgter gelten. Das Geld für Einwanderer müsste man lieber in die Rentenversicherung stecken. Der gesamte Osten wird vom Westen für braun erklärt, und der Rassismus ist in erster Linie durch solche Kränkungen erklärbar. Der Islam ist gefährlich für unser Land.
Natürlich darf Uwe Tellkamp rechtspopulistische Thesen herunterbeten. Man müsste dann nur aufzeigen, wo sie in plumpe Ressentiments kippen. Leider will nur gerade keiner der sein, der solche Grenzen definiert.
Von Johan Schloemann
Und ich wundere mich über Schloemann, der meint, der Tellkamp sei nun - aus heiterem Himmel - dem Ressentiment verfallen, - habe er doch noch 2012 im Interview mit der ZEIT auf die Frage, was denn für die Ex-DDR-Bürger typisch sei, wenn es Angela Merkel nicht sei, Folgendes geantwortet:
- "Diese Kleinkariertheit, dieses Kleinbürgertum - der Kleingarten mit der Tischdecke! Mit Eierschecke, Wunschbriefkasten und Oberhofer Bauernmarkt. Das ist doch, was die Menschen an gedanklicher Freiheit gehindert hat. Diese niedrige Gesinnung eines Kleinbürgerstaats. Die DDR war ein Kleinbürgerparadies! Der ewige Kleinbürger, der erst die Nazis wählt und der sich dann auch im nächsten Staat einrichtet. Mit portablem Fernseher, mit 'nem Bier, mit Würstchen und Grilletta. Und dafür ist Merkel nun wirklich nicht typisch."
Man soll ja einen Roman nicht mit seinen Rezensenten totschlagen, aber wenn er sich so lesen lässt wie seinerzeit Tillmann Krause in der "Welt":
- Der Autor habe „den ultimativen Roman über die DDR, diese lächerliche sowjetische Satrapie auf deutschem Boden (geschrieben). Und zwar aus der Sicht derer, die nicht eine Sekunde daran zweifelten, dass sie dagegen waren. Das allein ist schon, nach all dem Wischiwaschi der Christa Wolfs, Volker Brauns, Christoph Heins und tutti quanti, eine nahezu erlösende Tat. So klar antikommunistisch, so voller schneidender Verachtung für das Proleten- und Kleinbürgertum, das 40 Jahre lang im Ostteil dieses Landes sein Gift verspritzen durfte, hat noch keiner, der aus diesen Breiten kommt, den Stab gebrochen."
Rückblick auf Uwe Tellkamps "Der Eisvogel" - Traum von der konservativen Revolution
von Gregor Dotzauer (Potsdamer Neueste Nachrichten, 14.03.2018)
Es lohnt sich, aus der Perspektive von gestern auf den Tellkamp von heute zu schauen: Ein Rückblick auf seinen Roman "Der Eisvogel" von 2005.
- „Der Eisvogel“, konnte man schon 2005 feststellen, „ist das Plädoyer für eine konservative Revolution, und zwar für eine, wie sie Hugo von Hofmannsthal 1927 in seiner Münchner Rede über ,Das Schrifttum als geistigen Raum der Nation’ forderte, lange bevor der Begriff von der Neuen Rechten politisch okkupiert wurde. Durch die Nervenbahnen seiner Prosa kriecht die Kälte von Ernst Jünger, der preußische Romantizismus von Ernst von Salomon, aber eben auch die Magie von Friedo Lampe.“ Ein Irrtum war nur der erste Satz: „Wo dieses Buch herkommt, da war lange keiner mehr, und dort, wo es hinwill, wird es einsam bleiben.“ Eben deshalb lohnt es, aus der Perspektive von gestern auf den Tellkamp von heute zu schauen. Lesen Sie hier die gesamte Rezension, die ursprünglich am 16. März 2005 in der gedruckten Ausgabe des "Tagesspiegel" erschien:
...
Er mag von einer Kap-Hoorn-Fahrt über sturmgepeitschte Meere geträumt haben, angekommen ist er in den Gefilden einer Bildungsaristokratie unter dekadenzverhangenen Himmeln: "Gibt es einen Mozart, einen Bach oder einen Richard Wagner unserer Tage?" Durch die Nervenbahnen seiner Prosa kriecht die Kälte von Ernst Jünger, der preußische Romantizismus von Ernst von Salomon, aber eben auch die Magie von Friedo Lampe. "Der Eisvogel" ist das erste ernst zu nehmende rechte Buch der jüngeren deutschen Literatur, das in einer ursprünglichen Abscheu vor dem "Morbus 68" wurzelt. Wahrscheinlich braucht man wie Tellkamp auch zwanzig Jahre DDR im Rücken, um diesen Ekel so ungehindert zu empfinden. Nicht zuletzt das unterscheidet den Roman von jenem Elitismus, der linksadornitisch sozialisierte Autoren wie Botho Strauß zu Einsprüchen gegen das "herunterdemokratisierte" Bewusstsein getrieben hat oder Hans Wollschläger zu Tiraden gegen die Dummheit "In diesen geistfernen Zeiten". Deshalb führt "Der Eisvogel" aber auch nicht weiter. Denn es ist eins, auf dem existenziellen Ernst des Schreibens und Denkens zu beharren. Und es ist etwas anderes, dabei eine Wahl zwischen Pathos und Ironie zu fordern. Dafür ist es nicht nur historisch zu spät. Beides sind Darstellungsformen - auch der letzten Dinge. Tellkamp klammert sich an den Gestus. Das läuft hinaus auf schiere Restauration.
Die AfD hat die Bundestagswahl in Sachsen hauchdünn vor der CDU gewonnen...
Wie der Markt die Meinung reguliert, fiel mir neulich schonmal auf, als ich mir Dieter Nuhr, Ingo Appelt und Andreas Rebers angetan habe. Literaten und Comedians müssen hat auch schauen, wer Literatur und Comedy nachfragt, - und wenn da 1/3 mittlerweile schwer rechtes Bildungsbürgertum dabei ist, das meint, weil mal was von Thomas Mann gelesen zu haben bedeutet, immer noch was Besseres zu sein als das Tellkamp-mäßig verachtete Kleinbürgertum, dann muss das ja auch bedient werden ...
Vgl. auch
Versagt der Literaturbetrieb?
Telepolis, 15. März 2018, Ralf Hutter
Seit langem gibt die Buchbranche Anlass zur Sorge ob ihrer Schlagfertigkeit gegenüber reaktionären Akteuren. Für die am Donnerstag beginnende Leipziger Buchmesse sieht es wieder nicht gut aus
gebattmer - 2018/03/13 20:45