Fantastisch war das Konzert der Stick Men im Rahmen der STICK MEN TOUR 2009 am 15.05.2009 in der Blues Garage Isernhagen: ich erinnere mich an einen wunderbaren Augenblick, als Tony Levin sich beim Publikum für den Humor bedankt, den es braucht, das zu würdigen, was die Stick Men als Musik darbieten ...
Einen Eindruck vom neuen Album und vom musikalischen Humor und der feinen Ironie der Herren bekommen Sie hier:
Im Vergleich der oben verlinkten Konzerte mit dem unten dokumentierten der damals sehr avancierten Band "Spirit" ließe sich i. Ü. genauer zeigen, wie Fortschritt - oder meinetwegen Weiterentwicklung - dieser Art von Rockmusic zu bestimmen wäre: im Hinblick auf Technologie, Beherrschung der Instrumente, Parameter der Kompositionen ...
Zugabe: Marco Minnemann Hotel Room Drum Solo featuring Oink!
Hören Sie mal bei 0:28.20 rein: Eine interessante Ansage von Randy California. Im Übrigen eine fantastische Band:
Someone will be waiting for you at your door
When you get home tonight
Ah yes, he's gonna tell you darkness gives you much more
Than you get from the light
Classic plastic guards well they're your special friend
He sees you every night
Well he call himself the brother but you know it's no game
You're never out of his sight
1984
Knockin' on your door
Will you let it come?
Will you let it run your life?
It's time you started thinking inside your head
That you should stand up and fight
Oh just where will you be when your freedom is dead
Won't you listen tonight?
Those classic plastic coppers, they are your special friends
They see you every night
Well they call themselves protection but they know it's no game
You're never out of their sight
1984
Knockin' on your door
Will you let it come?
Will you let it run?
BILD nutzt die vom Flottendienstboot "Oker" (ein schöner Name, klingt doch auch viel persönlicher als Prism oder Fuck-me-reading-your-mails ...) gewonnenen Informationen zur weiteren Kriegshetze; - selbst die Aussagen Schindlers, der Bürgerkrieg könne noch Jahre dauern und in Syrien werde der Einfluss der islamistischen Terrororganisation al-Qaida auf die Rebellen-Bewegung immer stärker, lesen sich in diesem Kontext als Aufforderung zum Handeln i.S. Obamas... Die Tagesschau ist in der Wiedergabe der Informationen etwas vorsichtiger.
Der wird alle gesicherten Fakten enthalten, aber keine Schuldzuschreibung; die ist nicht vom Mandat gedeckt. Zu den Fakten gehören freilich neben dem Nachweis des verwendeten Giftgases auch Erkenntnisse über verwendete Geschosse und Trägersysteme, deren Reichweite und Verschussrichtung...
Aus dem Umfeld der Inspekteure erfuhr die F.A.S., dass frühestens Ende der neuen Woche belastbare Ergebnisse der Laboruntersuchungen vorliegen werden; möglicherweise in Form eines Zwischenberichts. Für die Ermittler gilt eine andere Devise: Genauigkeit vor Schnelligkeit. Gerade weil sie zum ersten Mal in einem Streitfall tätig werden - einem mit militärischen Konsequenzen zumal -, wollen sie sich keine Blöße geben. „Für die OPCW steht viel auf dem Spiel“, sagt Chemiewaffenfachmann Trapp, „wenn sie alles richtig macht, wird das allen eine Warnung sein: Wer Chemiewaffen einsetzt, kann wissenschaftlich überführt werden.“
[Syrien: Wer findet den rauchenden Colt? 07.09.2013 · Thomas Gutschker FAZ]
Unsere prinzipielle Einstellung dazu lautet, dass jeglicher Einsatz von Massenvernichtungswaffen jeder Art und von beliebigen Akteuren von uns als Verbrechen angesehen wird.
Damit werden aber auch Drohnen und Cruise Missiles zu ächtende Massenvernichtungswaffen, nicht nur Giftgasgranaten. Sobald der Begriff der Massenvernichtungswaffen auf die überwiegend von den USA und Israel eingesetzten Fliegerbomben ausgedehnt würde, wäre ein aus der Luft geführter Krieg generell ein Verbrechen - mit enormen Konsequenzen für die internationale Waffenindustrie wie für die Politik. (s. o. A. Dill, tp 09.09.)
Die Militaristen irren. Es ist gar nicht die Aufgabe der Pazifisten, sie zu überzeugen - sie sollen vielmehr in einem Kampf, der kein Krieg ist, besiegt, nämlich daran gehindert werden, über fremdes, ihnen nicht gehöriges Leben zu verfügen.
Man mache sie unschädlich; einzusehen brauchen sie gar nichts.
Ich bin für militaristischen Pazifismus.
Müssen Führungskräfte über Leichen gehen, um im Job erfolgreich zu sein? Und: Was lernen künftige Manager im Studium, um Führungsaufgaben zu übernehmen?
Auskunft gibt die High Potentials Studie 2011/2012 der Unternehmensberatung Kienbaum: Viele hoch begabte Nachwuchsmanager scheitern demnach im Job, weil ihre „Soft Skills“ zu gering ausgeprägt sind... „Selbstüberschätzung“ wurde in 94 Prozent aller deutschen Fälle als Ursache genannt, gefolgt von der „mangelnden Fähigkeit zur Selbstkritik“ (89 Prozent) …
Die Ergebnisse kommentiert Kienbaum-Chef Erik Bethkenhagen gegenüber Spiegel-Online: „Scheitern als Prozess des Hinfallens, aber auch des Wiederaufstehens und Weitergehens wird von den ganz Jungen so kaum erlebt und damit auch nicht gelernt. Bei dem ein oder anderen Absolventen mit Glanznoten hat man dann den Eindruck, er sei zu arrogant zum Scheitern.“ …
Die Ursache für die fehlende Balance verortet Bethkenhagen an den deutschen Universitäten: Durch den Bologna-Prozess hätten sich die Studienzeiten erheblich verkürzt. Dadurch sei die universitäre Ausbildung „erheblich starrer und verschulter geworden“, obwohl der Lernstoff zugenommen habe. Die Diagnose des Kienbaum-Chefs: „Vielen Studenten fehlt heute der nötige Spielraum, den es beispielsweise vor zehn oder fünfzehn Jahren noch gab – auch dafür, durch Versuch und Scheitern Erfahrungen zu sammeln.“ ... (FR via NDS)
Erstaunlich. wie die niedersächsischen Unternehmer und die von Kienbaum befragten Personaler das rausgekriegt haben wollen. - Evidence based dürfte das nicht sein, eher so gefühlt. Also von gleicher Qualität wie ihre Forderungen nach Schulzeitverkürzung und Bologna vor einigen Jahren. Das verdient die Note "Erstaunlich", mit der ja bekanntlich Arnold Hau sein Abitur abgelegt hat!
Vielleicht hätte man gleich auf andere hören sollen, die etwas von der Sache verstehen ...
Der Partei-Spot illustriert i. Ü. hervorragend, was Georg Seeßlen in seinem MANIFEST? 0! festhält (- es ist immer wieder faszinierend, wie Seeßlen Wahrnehmungen, Phänomene, Entwicklungen bündeln und zuspitzen kann):
Neoliberalismus und Postdemokratie schaffen Freiheit nicht einfach ab. Im Gegenteil. Die Gesellschaft, in der sich beides verwirklicht, in unserer Zeit und an unserem Ort, ist mit bislang unbekannten Freiheiten durchsetzt und gefüllt. Es geht in diesem Prozess vielmehr um eine neue Definition, um eine Umwertung von Freiheit.
Das Ziel von Neoliberalismus und Postdemokratie ist die Abschaffung der Gesellschaft als Kommunikationsraum zwischen Staat, Wirtschaft und Subjekt.
So tritt „subjektiver Freiraum“ an die Stelle von sozialer Freiheit.
Entertainment und populäre Kultur (die allgemeinsten Formen dessen, was wir an anderem Ort „Blödmaschinen“ nannten) übernehmen weitgehend Funktionen dessen, was früher Religion, Propaganda oder „große Erzählung“ erfüllten...
Der Westen, wenn diese etwas voluminöse Bezeichnung gestattet ist, hat in Syrien schwere Schuld auf sich geladen - nicht, wie oft gesagt wird, weil er mit seiner Unterstützung des Widerstands gegen eine tyrannische Herrschaft zu zögerlich gewesen wäre, sondern im Gegenteil: weil er die illegitime Wandlung dieses Widerstands zu einem mörderischen Bürgerkrieg ermöglicht, gefördert, betrieben hat. Mehr als hunderttausend Menschen, darunter Zehntausende Zivilisten, haben diese vermeintlich moralische Parteinahme mit dem Leben bezahlt. Und es werden viel mehr sein, wenn dieser Totentanz irgendwann ein Ende findet.
Diese Strategie ist eine Variante dessen, was seit der Invasion des Irak vor zehn Jahren „demokratischer Interventionismus“ heißt: das Betreiben eines Regimewechsels mit militärischen Mitteln zum Zweck der Etablierung einer demokratischen Herrschaft. Im Irak besorgten die Invasoren das eigenhändig. Der Kriegsgrund wurde, wie wir wissen, zwischendurch umstandslos ausgewechselt: Waffen hin oder her - jedenfalls befreie man ein unterdrücktes Volk. Auch dieses Ziel rechtfertige den Angriff.
Was in Syrien geschieht, ist eine dem Anschein nach mildere Form des Eingriffs, da sie den Sturz des Regimes dessen innerer Opposition überlässt, die von außen nur aufgerüstet - und freilich auch angestiftet - wird. In Wahrheit ist sie die verwerflichste Spielart: nicht so sehr, weil sie neben dem Geschäft des Tötens auch das Risiko des Getötetwerdens anderen zuschiebt. Eher schon, weil sie die hässlichste, in jedem Belang verheerendste Form des Krieges entfesseln hilft: den Bürgerkrieg....
Update: Pepe Escobar – Dogs of war versus the emerging caravan (Asia Times via nds)
The dogs of war bark and the emerging-powers caravan … keeps on trucking. That’s the Group of 20 meeting in St Petersburg in a nutshell. Count on the indispensable (bombing) nation – via US President Barack “Red Line” Obama – to disrupt a summit whose original agenda was to tackle the immense problems afflicting the global economy. Economy is for suckers. Get me to my Tomahawk on time. The Obama doctrine – Yes We Scan, Yes We Drone – reached a new low with its Yes We Bomb “solution” to the chemical weapons attack in Ghouta, Syria, presenting world public opinion in the run-up towards the G-20 with the illusionist spectacle of a “debate” in the US Senate about the merits of a new bout of humanitarian bombing....
Vorab: Ich halte den Film für großartig gelungen. Ich halte allerdings die Klassifizierung als "Doku-Drama" für völlig verfehlt. Als solches wird der Film gerade eben bei Frau Will missverstanden und entsprechend verfehlt diskutiert, so dass dann in der Einsatz- bzw. Militärtlogik gefangene Arschdenker sich äußern dürfen und es selbst dem (gewendeten) Herrn Todenhöfer nicht gelingt, die dem Film angemessene Ebene der Auseinandersetzung durchzusetzen.
Um dem Film gerecht zu werden und um sich selbst damit auseinaderzusetzen, muss man ihn mE nicht als Dokumentation sehen, sondern als klassisches Drama. Das Drehbuch von Raymond Ley und Hannah Ley ist doch auch so angelegt, wenn es einen klassischen Helden in einem sich anbahnenden klassischen Konflikt exponiert und darum Figuren gruppiert, die dessen Dilemma befeuern. Nun muss man gleich sagen, dass auch das nur funktioniert, weil Matthias Brandt so überzeugend einen Klein gibt, bei dessen Darstellung immer deutlich ist, dass es nicht um Klein geht, sondern um Dilemmata, die prinzipiell nicht zu lösen sind. Brandts ganz große Leistung hier ist die, eine Figur gleichzeitig zu verkörpern und sich von ihr zu distanzieren, mithin auszustellen, dass es für einen Soldaten keine richtige Entscheidung geben kann. Das Soldat-Sein ist das Falsche, nicht die einzelne Entscheidung. Sehr überzeugend wird das deutlich in der letzten Szene der Anhörung, wo darauf angespielt wird, dass Klein benutzt wurde . (Im Übrigen ein schöner Hinweis darauf, dass "humanitäre Interventionen" regelmäßig dazu verkommen, die eingesetzten Kampfbomber zur Luftwaffe einer Partei werden zu lassen.) Zu loben sind überdies die anderen Schauspieler, insbesondere Axel Milberg, denen es wie Brandt gelingt, gleichzeitig die Rolle zu spielen und sie im Spiel zu kommentieren. Großartig!
Nochmal: Man wird diesem großartigen Film nur gerecht und kann ihn nur dann mit Gewinn sehen, wenn man ihn als Kunstwerk betrachtet, das eine aus der Auseinandersetzung mit dem konkreten Ereignis gewonnene fundamentale Einsicht gestaltet - und das auch noch mit angemessenen künstlerischen MItteln. Die Erkenntnis, die sich beim Zuschauer einstellen kann, ist eben die, dass der Krieg als solcher das Falsche ist. Und gelungen ist z.B. ein Film, wenn sich diese Erkenntnis einstellen kann, ohne dass die ausgesprochen wird; - weil die Figuren sie ja auch gar nicht aussprechen könnten, durch die Art ihrer Darstellung es aber dem Zuschauer ermöglicht wird, mehr zu wissen als die Figuren ....
... und mehr zu wissen als in der anschließenden Talkshow thematisiert wird, die denn doch nur dem Einbruzzeln des verstötrenden Potentials des Films auf das herrschende Bla-Format dient.
Zur Sache:
Investigativer Journalismus, öffentlich-rechtlich Meesmann: ... Dass es verletzte und auch tote Zivilisten gegeben hat, wird jetzt allerdings immer wahrscheinlicher.
Man muss aber auch berücksichtigen, dass Bilder lügen können: Aufnahmen aus Krankenhäusern, auf denen angeblich verletzte Zivilisten zu sehen sind, beweisen nichts. Das können ebenso gut Taliban sein, die sich als Zivilisten ausgeben. Da ist größte Vorsicht geboten, bevor man zu endgültigen Urteilen kommt. tagesschau.de: Diese Unterscheidung zwischen Taliban und Zivilisten ist aber auch in der Nacht und aus der Luft sehr schwierig. Meesmann: Die Bundeswehr hat uns versichert, dass man sich um größtmögliche Vorsicht bemüht hat und dass man sich an die neuen ISAF-Einsatzrichtlinien gehalten hat ... Interview zum Luftangriff in Kundus mit dem ARD-Korrespondenten Meesmann:
"Es herrscht Wut - aber auch Zustimmung"
The Red Baron vs The Dude - featuring the Baron Of Hearts
Nach SPIEGEL-Informationen erzählte Oberstleutnant Lance "Gipper" Bunch, Kommandeur der 335th Fighter Squadron Unit, bei seiner Vernehmung, dass es während des Einsatzes Meinungsunterschiede über die Frage gegeben hat, wie viele Bomben abgeworfen werden sollten. Der Fliegerleitoffizier des deutschen Obersts Georg Klein, der den Codenamen "Red Baron" trägt, habe sechs Bomben gefordert. Die Besatzung der F-15 widersprach ausdrücklich.
"The crew told him that this was not going to happen" - dies werde nicht passieren, war die Antwort. Es seien nur zwei Bomben nötig.
Darüber hinaus zeigen Auszüge des Funkverkehrs zwischen dem US-Piloten "Dude" und dem deutschen Fliegerleitoffizier, dass die Besatzung nicht nur ein- oder zweimal warnende Tiefflüge vorgeschlagen habe, sondern gleich fünfmal. "F-15 recommended a SHOW OF FORCE five times throughout the mission in order to disperse the people", steht in dem Bericht - die F-15 habe im Verlauf dieses Einsatzes fünfmal eine solche Machtdemonstration empfohlen, um die Leute an den Tanklastern auseinanderzutreiben. Doch "Red Baron" antwortete: "Negativ. Das Ziel soll sofort angegriffen werden."
Man muss es nicht genau wissen, es versteht sich heute von selbst. Wenn Google den Wählern hierzulande in den Wochen vor der Wahl erstmals seine in vielen Ländern erprobte Wahlseite zeigt, geht es nicht nur darum, über Wahlkreise, Kandidaten und Landeslisten aufzuklären. Google wird sich im Gegenzug in gleichem Maße dafür interessieren, wie die Wähler dieses Informationsangebot benutzen – und jeden einzelnen Klick genau analysieren. Das Angebot Googles, das darin besteht, den Wählern auf einfache Weise die 3500 Kandidaten für den Bundestag vorzustellen, ist kostenlos. Die Nutzer zahlen mit ihren Daten. So weit, so bekannt....
Ein interessanter Bericht in der FAZ über die Vorstellung der Google-Projekte zur Wahl, bei der Googles Mitarbeitern der Schrecken im Gesicht stand: Den Hauptvortrag hielt Julius van de Laar, der für Barack Obama im entscheidenden Bundesstaat Ohio den Wahlkampf geführt hatte. (?? Wer hat den denn eingeladen??) - Lesenswert!!
„Social Media, Data Mining, Data Matching“
„Wir wollten herausfinden, wer die Personen waren, die sehr wahrscheinlich nicht wählen gehen, aber uns wählen würden, wenn sie doch hingingen.“
Welche Fragen werden da gestellt? - Und welche Antworten interessieren? Ob bei Jauch oder hier bei der Tagesschau; - Aufsagen der von Spin Doctors und Coaches eingeblasenen Phrasen + Performance:
Unentschieden zur Halbzeit, dann kam Peer Steinbrück. Der SPD-Kanzlerkandidat hat nach Meinung der Zuschauer das Duell für sich entschieden. 49 Prozent der von Infratest dimap Befragten fanden ihn überzeugender als seine Kontrahentin Angela Merkel. Die Bundeskanzlerin sahen lediglich 44 Prozent als Siegerin... Während die Zuschauer insgesamt von Merkel eher enttäuscht waren, konnte sie Steinbrück überraschen. Auf die Frage: "Waren die Kandidaten besser oder schlechter als erwartet?" antworteten 33 Prozent: Merkel war schlechter als erwartet. Steinbrück war für 60 Prozent besser als angenommen.
Interessanter fand ich heute Abend die Veröffentlichung eines neuen Albums der Babyshambles.
Hier können Sie mal reinhören (Anspieltipp: der Titelsong bei 6'10)
Schon klar: Damien Hirst-designed artwork. Marketing. Aber die Musik ist wunderbar ehrlich, klingt jedenfalls so ... und damit glaubwürdiger als jede Äußerung im Duell heute Abend. Sing mit mir das Lied vom politischen Frühling ...
"Der Einsatz von chemischen Massenvernichtungswaffen wäre ein zivilisatorisches Verbrechen. Wenn sich ein solcher Einsatz bestätigen sollte, muss die Weltgemeinschaft handeln. Dann wird Deutschland zu denjenigen gehören, die Konsequenzen für richtig halten. Hierzu stehen wir in enger Abstimmung mit den Vereinten Nationen und unseren Verbündeten." So der Außenminister der BR Deutschland am 26. d.M.
Was ist Bedeutung von dieses?
Abgesehen von der merkwürdigen Unbestimmtheit des ersten Satzes, die sich aus der Verbindung von bestimmtem Artikel und Konjunktiv II ergibt (Der Einsatz verlangt den Indikativ ist; es sei denn, man möchte den Alliierten signalisieren, dass man ihnen folgen will, was die Annahme, der Einsatz habe sich ereignet, angeht, aber eigentlich doch nicht so richtig, sonst bräuchte man ja den Konjunktiv II nicht ... Kohärent wären mE Aussagen wie Der Einsatz ... ist oder Ein Einsatz ... wäre ... Verstörender ist aber die Verbindung des Adjektivs zivilisatorisch mit dem doch eindeutig definierten Substantiv Verbrechen:
zivilisatorisch
zi|vi|li|sa|to|risch 〈 Adj.〉 zur Zivilisation gehörend, sie fördernd
zi|vi|li|sa|to|risch :
die ↑ Zivilisation (1 a) betreffend, auf ihr beruhend:
-e Schäden;
z. überlegen sein. [Universal-Lexikon. 2012]
zivilisatorisch
zi|vi|li|sa|to|risch [tsiviliza'toːrɪʃ]
1. adj
of civilization
2. adv
in terms of civilization
zi·vi·li·sa·to·risch
[tsivilizaˈto:rɪʃ]
I. adj of civilization, with regard to civilization
II. adv in terms of [or with regard to] civilization
zivilisatorisch adj attr civilizing, nachgestellt: of civilization [German-english dictionary. 2013]
Das bringt uns nicht recht weiter. Wohl findet sich das Adjektiv auch einmal in schlechter Gesellschaft (s. o. zivilisatorische Schäden, wenn z.B. unterschieden wird zwischen natürlicher und zivilisatorischer, i.S. von zivilisationsbedingter Strahlenbelastung mit der Folge von Gewebe-, Organ-, Organismus-Schäden), aber wir nehmen nicht an, dass der Außenminister den Einsatz von Giftgas als zivilisationsbedingtes Verbrechen bezeichnen wollte (- obwohl er damit der Sache wohl recht nahe gekommen wäre!).
Vermutlich ergeht es hier dem Adjektiv zvilisatorisch wie dem mehrfach vergewaltigten humanitär, das seit 1999 mit der Katastrophe kopulieren muss:
Will also Westerwelle resp. sein redenschreibender spin doctor mit der Kreation des zivilisatorischen Verbrechens Scharping-Schröder-Fischer-mäßig Newspeak zur Einstimmung auf Was-auch-Immer erproben? - Vermutlich nicht mal das: Man erkennt in Sätzen wie diesen die Impulsgeste. Es sind Sätze, die keineswegs nichts sagen. Sie sagen: „Nichts“. Wir werden aufhören zu sprechen, Diskurse und Debatten waren gestern, Sätze mit Aussagen: Pffffft! Die Redegeste ist nicht anders als eine Selbstermächtigung. Wenn es nach der FDP geht, braucht Macht keinen Sinn und kein Ziel mehr. Man redet einfach irgendwas. Und erklärt damit, dass es in der Postdemokratie zwischen den Regierenden und den Regierten wahrhaft nichts zu sagen gibt. Seeßlen
Auch weitere Recherche bringt keine Klärung. Hier eine Auswahl aus den Beispielsätzen, die bei myDict zu finden sind:
Das Phänomen Krieg als unfasslicher Dammbruch zivilisatorisch mühsam gebremste Instinkte.( Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 02.09.2002)
Das UN-System bildet jedoch - bei allen Unzulänglichkeiten - die zentrale zivilisatorische Errungenschaft im Dienste der Verrechtlichung der internationalen Beziehungen, eine Grundvoraussetzung der Eindämmung von Gewalt im internationalen System.( Quelle: Frankfurter Rundschau vom 06.02.2004)
Die Nürnberger Prozesse gleichsam als Brücke zu Den Haag und einem Internationalen Gerichtshof: Sie waren 'zivilisatorische Intervention mit zivilisierender Wirkung, obgleich es keine Folgepraxis gegeben hat', so Reemtsma.( Quelle: Süddeutsche Zeitung 1996)
Und in den Rechtsstaaten galt längst unbestritten das, was man das "zivilisatorische Minimum" nennt.( Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 19.10.2005)
Der zivilisatorisch befriedete Mensch hat seine unfriedlichen Sehnsüchte behalten. (Quelle: Die Zeit 2000)
Dann kennen wir noch das „zivilisatorische Hexagon“ von Dieter Senghaas, das Bausteine für eine stabile, friedliche Gesellschaft benennt. Ein solches Modell der Friedenssicherung wird als Zivilisierungsprojekt angesehen, darf also wohl zivilisatorisch genannt werden.
[Werkzeuge der Selbstbefreiung: Das Denken von Dieter Senghaas [eine einführende Textauswahl bei selbstbefreienlernen]
Auch das kann der Außenminister nicht gemeint haben, so dass wir zunächst ratlos zurückbleiben und ihm bzw. seinem spin doctor den alten Raabe empfehlen:
Die Klausur und die moralische und physische Diät, welche er unter dem Regime des Vetters Wassertreter einzuhalten hatte, schienen bis jetzt trefflich bei ihm anzuschlagen und von großem zivilisatorischem Einfluss auf ihn zu sein.
(Wilhelm Raabe - Abu Telfan oder Die Heimkehr vom Mondgebirge/ 12. Kapitel*)
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* Vorwort zur ersten Auflage
Indem ich dieses nicht in einem lustigen Sommer entstandene Buch in die Hände der Leser gebe und es ihrem guten Herzen anbefehle, drängt es mich, eine gute Gewohnheit scheuerer Zeiten und schämigerer Autoren wachzurufen und mich strengstens gegen alle Mißdeutungen zu verwahren. Ich bitte ganz gehorsamst, weder den Ort Abu Telfan noch das Tumurkieland auf der Karte von Afrika zu suchen; und was das Mondgebirge anbetrifft, so weiß ein jeder ebensogut als ich, daß die Entdecker durchaus noch nicht einig sind, ob sie dasselbe wirklich entdeckt haben. Einige wollen an der Stelle, wo ältere Geographen es notierten, einen großen Sumpf, andere eine ausgedehnte Salzwüste und wieder andere nur einen unbedeutenden Hügelzug gefunden haben, welches alles keineswegs hindert, daß ich für meinen Teil unbedingt an es glaube. – Handlung
Der 27-jährige Leonhard Hagebucher war an der Universität Leipzig eingeschrieben, lief jedoch von zuhause fort und ging nach Ägypten, wo er beim Durchgraben der Landenge von Suez helfen wollte. Von Chartum aus ins Landesinnere vordringend geriet er 1848 in die Gewalt der Baggara, eines nomadisch lebenden Volkes von Viehhirten. Von denen wurde er nach Abu Telfan, eine Stadt in Dar-Fur, in die Sklaverei verkauft. Nach elf Jahren der Erniedrigung wurde er schließlich von einem Tierhändler namens Kornelius van der Mook freigekauft.
1860 kehrt Leonhard in seinen Heimatort Bumsdorf, nahe dem Städtchen Nippenburg in einem nicht benannten Zwergstaat, zurück. Sein Vater, der pensionierte Steuerinspektor Hagebucher, hatte ihn bis dahin für tot gehalten. Die spießbürgerlichen Bewohner seines Dorfes waren davon ausgegangen, dass er vermutlich im Dienst des Vizekönigs von Ägypten Muhammad Ali gegen die Nubier gefallen sei. Da Leonhard aber weder „an der Front gefallen“ ist, noch einen „Märtyrertod“ erlitten hatte, sondern als „Vagabond“ heimkehrt, zeigt sich der Familienrat unerfreut, ihn wiederzusehen. Von den Leuten wird er künftig als „afrikanischer Fremdling“ bezeichnet. Als die Nippenburger Spießbürger Leonhard schließlich für einen Lump erklären, wird er von seinem Vater vor die Tür gesetzt. Leonhard sieht sich gezwungen, wieder ein nützliches Mitglied des Gemeinwesens zu werden, um Anerkennung zu erhalten....
... den Klaus Graf vom "Krähennest" (dem Podcast der Piratenpartei NRW) - wie ich finde sehr schön - rezitiert hat.
Ein Kommentar zu diesem Beitrag von Bernd.Pirat: Vielen Dank an Klaus Graf für diese Mühe! Fantastisches Projekt.
Vorgelesen merkt man, wie stark und klarsichtig, beinahe poetisch einige Passagen sind (nicht alle – hässliches Bürokratendeutsch kommt auch vor).
Dem kann man - mit einigen Einschränkungen- grundsätzlich zustimmen. Es ist doch schön, dass Piraten die Poesie des GG entdecken! Empfehlung: Download bei archive.org [Creative Commons license: Public Domain Mark 1.0]
Ich dachte erst, das sei Lutz Görner, der da spricht! Eine sehr angenehme Stimme.
Es kann helfen - u. a. im Hinblick auf eine eventuelle Wahlentscheidung - sich diesen eigentlich recht schönen Text einmal so anzuhören (auch wenn der Text stellenweise schon arg gefleddert wurde, - nicht vom Sprecher selbstverständlich, sondern von Mehrheiten im Parlament, die zu denken geben sollten - vgl. z. B. Artikel 16a ...). Vielleicht hätte Herr Graf doch nicht die amputierte Fassung vom 11.07.2012 rezitieren sollen, sondern z. B. die, die mir 1967 in der Schule ausgehändigt wurde (mit einer letzten Änderung vom 06.03.1961). Oder er könnte nochmal eine Version veröffentlichen, in der er das GG vom 23.Mai 1949 liest und jemand anders mit ähnlich eindrucksvoller Stimme die Änderungen seitdem ergänzt (vgl. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 - Historisch-synoptische Edition, 1949-2012, wo sich alle GG-Änderungen verfolgen lassen) ... Andererseits ist es ja hilfreich zu wissen, was aktuell (noch) gilt. Also: Unbedingt anhören!
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Dann kamen zwei Schlüsselerlebnisse, die mein Hören bis heute verändert haben: Mit fünfzehn auf einem alten Fahrrad in der Umgebung von Hilligsfeld unterwegs, am Lenker ein kleines Radio, aus dem - es muss wohl ein Donnerstag Nachmittag gewesen sein – aus der Deutschlandfunk-Hitparade das Riff von „Satisfaction“ in die Landschaft und mein Ohr eindrang, beide vermutlich für immer verändernd. Das nochmal etwas später, auch in Hilligsfeld mit einem pink Transistor-Radio, das meiner Mutter gehörte und an einem Samstag – per BFBS – „A Whiter Shade Of Pale“ offenbarte.
Procol Harum 'A Whiter Shade Of Pale' 1967
Procol Harum live in concert with The Danish National Concert Orchestra & Choir at Ledreborg Castle in Denmark in 2006....
Wenn Sie gerade oder später nochmal anderthalb Stunden Zeit haben, sollten Sie sich das nicht entgehen lassen!
Als Fazit der letzten Einträge:
...und täglich grüßt das Murmeltier: Groundhog Day (1993 - Directed by Harold Ramis. With Bill Murray, Andie MacDowell, Chris Elliott, Stephen Tobolowsky) revisited:
Was ändert sich eigentlich in den täglichen Nachrichten?
Wenn der Spiegel 2013 über die plötzlich enttarnte, unendliche Macht der NSA schreibt, kann er sich darauf verlassen, dass kaum jemand das Gespräch an sich selber richten wird, um den Satz zu formulieren:
Moment mal… ist das nicht im Kern exakt die selbe Story, die mir das Hamburger Nachrichtenmagazin schon einmal, nämlich im Februar 1989, präsentierte? Nur, dass Edward Snowden damals noch bei Mutti wohnte und der Spiegel in DM bezahlt werden konnte, also deutlich billiger war?”
Doch. Nur, weil kaum jemand sich daran erinnern kann, oder will, und auch der SPIEGEL alles unterlassen wird, um auf diese Wiederholung hinzuweisen, lassen sich die im Kern immer gleichen Nachrichten an die immer gleich schlecht (un)informierte Gesellschaft verkaufen.
Siehe unten: Erich Schmidt-Eenboom: Geheimdienste. Eine Einführung
"Es gibt so viele Arschloch-Typen wie es menschliche Funktionen, Tätigkeiten und Interessengebiete gibt. Und auf jedem Gebiet kann das Verhältnis von AQ zu IQ ein anderes sein. Kein noch so kopfdenkerisches Verhalten bei einem Thema bietet Gewähr dafür, dass nicht schon beim nächsten der Arschdenk mit voller Wucht einsetzt."
Charles Lewinsky, Der A-Quotient
Wise Man Says II
"The illusion of freedom will continue as long as it's profitable to continue the illusion. At the point where the illusion becomes too expensive to maintain, they will just take down the scenery, they will pull back the curtains, they will move the tables and chairs out of the way and you will see the brick wall at the back of the theater."
Frank Zappa
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