Heute in meiner
Lieblings-HAZ (print S. 12):
Thema des tages
Hannover setzt auf digitales Lernen
In einem Jahr sollen 1280 Kinder an sechs Schulen mit Tablets ausgestattet sein / Stadt hofft auf Bundesmittel
Von Andreas Schinkel
Die Schüler treffen sich und besprechen, wie die komplizierte Matheaufgabe zu lösen ist. Jeder schlägt einen Lösungsweg vor, gemeinsam tüfteln sie an den Gleichungen. Das alles aber passiert im virtuellen Raum – tatsächlich sitzen die Schüler verstreut an verschiedenen Orten, der eine in der Schulmensa, der andere im Freizeitraum. So oder ähnlich könnte bald das digitale Lernen an Hannovers Schulen aussehen. ..
Ist ja nicht zu fassen:
verstreut an verschiedenen Orten ,
die gesamte Schule als „Lernraum“ !?
Der Mehrwert der Verlegung des Treffens und Tüftelns in den virtuellen Raum ist, was Schule angeht, nicht unmittelbar ersichtlich, finde ich:
Na gut: „... Der soziale Raum wäre dann nicht mehr durch geographische Aspekte (Anordnungsmuster der Standorte von Menschen und Artefakten) bestimmt, sondern primär als ein Koordinatensystem von sozialen Handlungen bzw. sozialen Positionen (Bourdieu) oder als ein Netzwerk von Kommunikation (Luhmann), das sich von seinen geographischen Voraussetzungen weitgehend befreit hat.“
Das steht ja auch dringend an: die Befreiung von seinen geographischen Voraussetzungen. Auch 'ne Art Emanzipation.
Und wenn sich eh schon alle da treffen, im virtuellen Raum: Dann eben digitales Lernen!
Milliarden-Programm für digitale Bildung an Schulen (Wanka)!
di·gi·ta̱l
Adjektiv [nicht steig.]
1.
techn.
so, dass es in Ziffern dargestellt ist.
2.
so, dass es im binären System erfolgt.
Im Binärsystem stehen zwei Ziffern zur Verfügung, die 0 und die 1.
Digitales Lernen? Digitale Bildung??
Können sich die Marketing-Abteilungen in den bertelsmannisierten Kultusministerien nicht wenigstens intelligentere Begriffe ausdenken? Andererseits sind diese Begriffskoppelungen ja auch verräterisch, weil denn doch treffend:
Am 10.01.2016 berichtete Inge Kloepfer für die FAZ aus dem Silicon Valley:
Digitales Lernen - Revolution im Klassenzimmer
Im Silicon Valley entwickeln kluge Köpfe gerade die Schule von morgen: Das digitale Lernen wird den Unterricht radikal verändern.
Intro: Die Investoren und die mit den Geschäftsmodellen ( -
klingt so'n bisschen nach VOX-Maschmeyer-Thelen-Trash-TV)
Es ist derzeit eines der heißesten Themen aus dem Silicon Valley: Education Technology, kurz EdTec. So jedenfalls nennen die Amerikaner das neue Feld des digitalen Lernens, für das sich auch viele Investoren brennend interessieren. In neue, außergewöhnliche Bildungsplattformen haben sie mehr als zwei Milliarden Dollar investiert - eine Steigerung um 45 Prozent binnen fünf Jahren. Und der Hype hat gerade erst begonnen.
Jeder, der ein gutes Geschäftsmodell dafür entwickelt, wie möglichst viele Menschen ihrem Interesse und ihren Fähigkeiten nach lernen können, kann im Valley derzeit eine Menge Geld in Finanzierungsrunden einsammeln....
Bang!!: In der neuen Lernwelt wird jeder individuell gefördert
Die Neurowissenschaftlerin Vivienne Ming gehört zu den Vorreitern der Bewegung - sie glaubt an eine wunderbare Zukunft dank der Digitalisierung. Eine ganz neue Lernwelt sei möglich, sagt sie. In dieser Welt spielen Klassenarbeiten und Tests keine Rolle mehr und jeder kann sein Potential frei entfalten, weil er individuell gefördert wird. Digitales Lernen und die Daten, die sich beim Lernen generieren lassen, machen es möglich....
Wie geht das nun konkret? Bei Studenten analysieren Mings Algorithmen die Beiträge aus Chat-Foren, auf denen sich zum Beispiel Biologiestudenten über ihr Fach austauschen. Bei Schülern gewinnt sie Datenmaterial aus dem ganz normalen Alltag, wenn sie beispielsweise in den Klassenräumen Unterrichtsstunden aufnimmt. „Wir haben ein System der Schülerbeobachtung aufgebaut, das aus dem, was es über den einzelnen Schüler weiß, genaue Prognosen über dessen Fortschritte machen kann.“ Sie weiß aus ihren Daten auch genau, welcher Schüler welche Stärken und Schwächen hat, und schafft damit die Grundvoraussetzung für den Einsatz digitaler Lernmethoden.
... Und das sind dann digitalisierte behavioristische Lückentexte oder Multiple-Choice-Textverstehensabfragen von Schulbuchverlagen, die wegen der Punkte, die man damit sammeln kann, und der Levels, die man damit erreichen kann, zum Lernen anspornen sollen; - wie eine
Margarete Hucht meint, die ihre - bedauernswerte - Tochter im DRadioKultur gegen Spitzer und Kraus in Stellung bringt (13.10.2016- Das Märchen von der digitalen Bildungskatastrophe).
... Wobei Spitzer und Kraus auch den Schuss nicht gehört haben:
Nochmal Bang!!: - Datenmaterial aus dem normalen Alltag analysieren
Bei Studenten analysieren Mings Algorithmen die Beiträge aus Chat-Foren, auf denen sich zum Beispiel Biologiestudenten über ihr Fach austauschen. Bei Schülern gewinnt sie Datenmaterial aus dem ganz normalen Alltag, wenn sie beispielsweise in den Klassenräumen Unterrichtsstunden aufnimmt. „Wir haben ein System der Schülerbeobachtung aufgebaut, das aus dem, was es über den einzelnen Schüler weiß, genaue Prognosen über dessen Fortschritte machen kann.“ Sie weiß aus ihren Daten auch genau, welcher Schüler welche Stärken und Schwächen hat, und schafft damit die Grundvoraussetzung für den Einsatz digitaler Lernmethoden.
Ich hatte vor drei Jahren unter dem Titel
Die Kompetenzkatastrophe (I) - Oder: Machtausübung durch Individualisierung: Pastoralmacht relaunched die
Neuformatierung des noch so genannten "Bildungs"systems in den Blick zu nehmen versucht, und ich muss leider feststellen, dass das, was seinerzeit in den kritischen Bestandsaufnahmen befürchtet wurde, inzwischen Big-Data-EdTec-mäßig in der Tür steht, wenn nicht schon im (Klassen-)Raum angekommen ist - „Micro-Targeting“. Es spricht einiges dafür, dass diese Insemination dem Eskalationsmuster folgt, das Heitmeyer für die Ausbreitung Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit erkannt hat:
Provokationsgewinne - Raumgewinne - Räumungsgewinne - Normalisierungsgewinne! (
s.u.)
For more information please reread! Kompetenzgehirnwäsche: Machtausübung durch Individualisierung ...
Und die Investoren sind brennend interessiert! (TTIP als nächste Etappe bei der Transformation des Bildungswesens zum Bildungsweltmarkt, auf dem heute schon rund zwei Billionen Dollar jährlich umgesetzt würden und weitere Rendite lockten, gelänge es, die staatliche Dominanz zu brechen und internationalen Bildungsunternehmen durch gelockerte Auflagen den Boden zu bereiten -
FAZ, 02.06.2015)
Die GBlogSuche nach »Kompetenzkatastrophe« hat 12 Resultate geliefert.
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