Wenn ein Millionenheer von Flüchtlingen
zu Gast ist bei der reichen Frau
(GBlog-Beiträge so far) + Ergänzung: Zwei wichtige Beiträge von Heribert Prantl:- Zum ZDF-Interview der Kanzlerin (DLF 13.11.)
Es war ein bemerkenswerter Auftritt. Es war ein Auftritt, der mich irgendwie an Helmut Kohl erinnerte. Alles, was sie sagte, widersprach den Fakten. Sie sagt, die Bundeskanzlerin hat die Lage im Griff; jeder weiß, dass sie sie nicht im Griff hat. Sie leugnet das Tohuwabohu in der Union. Sie erklärt schlichtweg die abweichenden Positionen, die es in der Partei zuhauf gibt, für ihre eigenen. Der Innenminister kehrt zurück zu Dublin. Es passt überhaupt nicht zu ihrer politischen Linie. Sie sagt, das ist genau das, was ich will.
Der Innenminister will den Familiennachzug der Syrer stoppen; Sie sagt, genau das will ich auch. Der Schutz für Bürgerkriegsflüchtlinge soll in der bisherigen Form entfallen; Sie erklärt das für in Ordnung, obwohl es im Sinne ihrer angeblichen Politik überhaupt nicht in Ordnung ist. Es ist eigentlich ein, die Lateiner würden sagen, 'Protestatio facto contraria'. Sie erklärt etwas, was mit den Realitäten überhaupt nicht übereinstimmt, macht es aber mit einem solchen Selbstbewusstsein, ja einer Chuzpe, dass es schon wirklich erstaunlich ist.
- Merkels Beschwörungen (Süddeutsche, 13. 11.)
Merkel redet vom freundlichen Gesicht ihrer Politik, aber die neuen Gesetze, die ihre Regierung macht, sind mehr als unfreundlich. Merkel spricht von ihren Überzeugungen; aber ihre Regierung hat kein Konzept dafür. Sie redet von der Aufnahme von Flüchtlingen; ihre Regierung praktiziert deren Abwehr. Ist das Merkelsche Dialektik?
Die Zivilgesellschaft in Deutschland agiert in der Flüchtlingskrise weit couragierter als die deutsche Bundesregierung. Aber auch das beste zivilgesellschaftliche Netzwerk ersetzt nicht gute Staatsverwaltung und gescheite Leitlinien. Gute Flüchtlingspolitik braucht gute Planung und kluge Entschlossenheit...
Private Netzwerke, Freiwillige Feuerwehren, technische und sonstige Hilfswerke leisten so viel Flüchtlingsnothilfe, wie sie nur können. All diese Arbeit braucht aber ein stabiles staatliches Koordinatensystem; das fehlt in der Flüchtlingspolitik; an den Achsen dieser Politik wird wild herumgebogen von Politikern der CDU/CSU; in einem verbogenen Koordinatensystem verliert die Arbeit der Zivilgesellschaft Ziel und Richtung...
Vgl. Hospitalität zwischen Philanthropie und Recht
Im Übrigen wiederhole ich Seeßlens vorzügliche Definition: Merkelianismus
... besteht aus einfachen Grundzutaten: Erzeugung eines Nebels von Harmonie, egal wie erkauft, gelogen, geträumt. Darunter: Stärkung der staatlichen Gewalt, Polizei, Überwachung, Militär, Geheimdienst. Darunter: Abbau des Staates als fürsorgendes und beschützendes Instrument der Gemeinschaft, Übereignung des Geschehens an die großen Spieler des Marktes. Darunter (und da schließt sich der Kreis): Erzeugung eines neuen Wir-Gefühls, in dem die Politik des Neoliberalismus als Schicksal angesehen wird, dem gegenüber nur familiäre Wärme und gleichzeitig Härte helfen kann.
gebattmer - 2015/11/16 20:12
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