Satire-Gipfel for Sale: Dieter Nuhr, der Westerwelle des Kabaretts
Kabarett sollte man das nicht nennen, Satire auch nicht. Erstaunlich, wie das ERSTE eine Gurkentruppe von schlechten Comedians die Tradition politischen Kabaretts in der ARD schlachten lässt: Nuhr bedient sämtliche Ressentiments der Teile der Mittelschicht, die sich nach rechts verabschiedet haben, dazu ein abgewrackter ffn-Depp, der - auch eine Premiere im Kabarett! - seinen schmierigen Text sitzend vom iPad abliest ...
Ich weiß nicht, ob es solche Überlegungen bei den Programmplanern gibt, vermute es aber: Wenn das ZDF jetzt mit der Anstalt das (traditionell linke) Kabarett besetzt, das früher zu unserem Markenkern gehörte, dann müssen wir jetzt das rechte Kabarett besezten!
Rechtes Kabarett gibt es aber nicht! - Zum Beweis, zu Studienzwecken und zum Kotzen hier:
SatireGipfel vom 10. Oktober in der Mediathek
"Satirisch ist der Dichter, wenn er die Entfernung von der Natur und den Widerspruch der Wirklichkeit mit dem Ideale (in der Wirkung auf das Gemüt kommt beides auf eins hinaus) zu seinem Gegenstande macht. Dies kann er aber sowohl ernsthaft und mit Affekt als scherzhaft und mit Heiterkeit ausführen; je nachdem er entweder im Gebiete des Willens oder im Gebiete des Verstandes verweilt. Jenes geschieht durch die strafende oder pathetische, dieses durch die scherzhafte Satire." - Friedrich Schiller, Über naive und sentimentalische Dichtung
Dazu müsste der Satiriker aber in seiner Haltung eine Idee des Idealen erkennen lassen, - wie zum Beispiel der große Moralist Georg Schramm - oder eine Sympathie für die seitlich Umgeknickten wie Hanns Dieter Hüsch - oder die immer infarktnahe Lust an der Empörung eines Wilfried Schmickler...
... Schmicklers Pressefoto, das für mich diese Haltung zum Ausdruck bringt ... So wäre Nuhr nicht abzulichten ... (muss er ja auch nicht, er ist ja nicht Schmickler, aber er muss sich ja auch nicht so anbiedern ...)
Nachtrag:
Sehr treffend Tanja Kokoska in der taz-Kolumne Die Wahrheit vom 26.10.11:
Der Comedy-Star Dieter Nuhr ist das neue Gesicht einer Werbekampagne der schwarz-gelben Bundesregierung. Unter dem Motto "Wir sind's nuhr" soll in einer deutschlandweiten Plakataktion "für die Werte und Ziele der Koalition geworben werden", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert kürzlich auf einer Pressekonferenz. Nuhr sei dafür der ideale Kandidat gewesen. Zum einen genieße er ein positives Image, wofür es eigentlich überhaupt keinen Grund gebe. "Von dieser Gabe können wir uns schon mal eine große Scheibe abschneiden."
Zum anderen verbinde die Tatsache, "dass wir beide gar kein Programm haben - haha, kleiner Scherz", so Seibert. In Zeiten stabil schlechter Umfragewerte habe man eine allgemein beliebte Persönlichkeit gewonnen, die "unvoreingenommen an die Dinge herangeht" und komplizierte Sachverhalte "kurz und knackig auf den Punkt bringen kann".
Besonders durch seine Beiträge im Onlineportal Twitter sei man zu dieser Erkenntnis gekommen, sagte Kanzleramtschef Ronald Pofalla. "Sehr gut gefallen hat uns das Beispiel Steuerpolitik. Herr Nuhr twittert: ,Steuerkonzept der SPD ist da: 49 Prozent plus Soli plus Reichensteuer ergibt 54,68 Spitzensteuersatz + Vermögenssteuer. Gute Idee! Hoffentlich bleibt allerdings der eine oder andere im Land, der das dann auch zahlen möchte.' Das ist doch einfach genial! Herr Nuhr liefert die Texte gleich frei Haus, da sparen wir uns immense Kosten für die teuren Werbeagenturen und das ganze Drum und Dran."
Das Layout der Kampagne habe man ganz bewusst sehr puristisch gehalten, sagte Pofalla. "Nur ein lustiges Foto von Herrn Nuhr mit einem Zitat, fertig."
Der Hinweis www.bundesregierung.de falle kaum auf - das sei sehr wichtig, damit "Betrachter nicht sofort wieder abgeschreckt werden". Auch "sehr schön" sei Nuhrs Twittertext zur Debatte über die angeblich einseitige Lastenverteilung: " ,Zehn Prozent Bestverdiener zahlen 60 Prozent der Steuern. Untere 50 Prozent zahlen 3,6 Prozent der Steuern. Gut! Aber wo bleibt da die Ungerechtigkeit?' Das liegt genau auf unserer Linie!", begeistert sich Pofalla. "Die Tatsache, dass die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung mehr als 60 Prozent des vorhandenen Vermögens besitzen, lässt er einfach weg. Zu viele Zahlen verwirren die Leute ja auch. Und das muss nicht sein."
Thematisch sei die Kampagne aber breit aufgestellt. Zur Volksabstimmung über Stuttgart 21 gebe es den Slogan " ,Nuhr so ne Idee' ", sagte Seibert, "und dazu den Satz: ,Sollte man nicht noch ein AKW um den Bahnhof bauen, damit der Aufstand nicht ganz so absurd wirkt?' " Herr Nuhr habe verstanden, dass Politik sich eben nicht danach ausrichten könne, "wie viele Menschen gerade auf der Straße stehen", erklärte Seibert.
Dieter Nuhr selbst sieht durch das Engagement seine hauptberufliche Tätigkeit nicht beeinträchtigt: "Ich bin eben der ultimative Ratgeber für alles, warum nicht auch für die Bundesregierung? Was kann man schon damit erreichen, wenn man sich über Angela Merkel aufregt? Das war vielleicht früher subversiv, heute ist das populistisch." Sein Hauptanliegen, sich für die Regierung einzusetzen, sei die Verbreitung einer positiven Botschaft: "Ich kann die ganzen nörgelnden Blödmänner um mich herum nicht mehr ertragen und versuche deshalb, die Volkszufriedenheit zu heben."
Politikwissenschaftler Jürgen Nachtfalter erkennt in der Verpflichtung Nuhrs einen folgerichtigen "Synergieeffekt": "Einerseits sinkt das allgemeine Zutrauen in die Lösungskompetenz der Politik. Andererseits beeinflussen Menschen wie Dieter Nuhr längst die öffentliche Meinung. Es ist eben ein Unterschied, ob die Kanzlerin sagt: ,Deutschland hat eine hohe Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und wenig Arbeitslosigkeit. Das sind Dinge, um die andere Länder Deutschland nur beneiden können.' Oder ob Dieter Nuhr sagt: ,Deutschland blüht und gedeiht. Wir haben ein Gesellschafts-, Wirtschafts- und ein Sozialsystem, um die uns fast die ganze Welt beneidet.' Das ist zwar dasselbe, klingt aber doch ganz anders. Insofern ist es nur vernünftig, dass sich die Politik dieses Talent zu eigen macht."
Die ARD-Vorsitzende Monika Piel pflichtet Nachtfalter bei: "Die Zeiten, in denen Kabarettisten oder Moderatoren den Missbrauch von Macht anprangern, sind glücklicherweise längst vorbei, das ist doch Dieter-Hildebrandt-Geschwätz von gestern. Sie übernehmen heutzutage andere, versöhnende Aufgaben. Das erleben wir in unseren eigenen Talkshows oder beim sogenannten ,Satire-Gipfel', den Herr Nuhr sehr erfolgreich moderiert." Piel sagte, der Comedy-Star agiere sogar vorbildlich: "Politik und Medien, das ist heutzutage ein Geben und Nehmen. Wir sind ja schließlich nicht bei der Heilsarmee."
Zu Kokoskas Satire (!) auch ad sinistram: Ernstlich satirisch
Ich weiß nicht, ob es solche Überlegungen bei den Programmplanern gibt, vermute es aber: Wenn das ZDF jetzt mit der Anstalt das (traditionell linke) Kabarett besetzt, das früher zu unserem Markenkern gehörte, dann müssen wir jetzt das rechte Kabarett besezten!
Rechtes Kabarett gibt es aber nicht! - Zum Beweis, zu Studienzwecken und zum Kotzen hier:
"Satirisch ist der Dichter, wenn er die Entfernung von der Natur und den Widerspruch der Wirklichkeit mit dem Ideale (in der Wirkung auf das Gemüt kommt beides auf eins hinaus) zu seinem Gegenstande macht. Dies kann er aber sowohl ernsthaft und mit Affekt als scherzhaft und mit Heiterkeit ausführen; je nachdem er entweder im Gebiete des Willens oder im Gebiete des Verstandes verweilt. Jenes geschieht durch die strafende oder pathetische, dieses durch die scherzhafte Satire." - Friedrich Schiller, Über naive und sentimentalische Dichtung
Dazu müsste der Satiriker aber in seiner Haltung eine Idee des Idealen erkennen lassen, - wie zum Beispiel der große Moralist Georg Schramm - oder eine Sympathie für die seitlich Umgeknickten wie Hanns Dieter Hüsch - oder die immer infarktnahe Lust an der Empörung eines Wilfried Schmickler...
... Schmicklers Pressefoto, das für mich diese Haltung zum Ausdruck bringt ... So wäre Nuhr nicht abzulichten ... (muss er ja auch nicht, er ist ja nicht Schmickler, aber er muss sich ja auch nicht so anbiedern ...)
Nachtrag:
Sehr treffend Tanja Kokoska in der taz-Kolumne Die Wahrheit vom 26.10.11:
Der Comedy-Star Dieter Nuhr ist das neue Gesicht einer Werbekampagne der schwarz-gelben Bundesregierung. Unter dem Motto "Wir sind's nuhr" soll in einer deutschlandweiten Plakataktion "für die Werte und Ziele der Koalition geworben werden", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert kürzlich auf einer Pressekonferenz. Nuhr sei dafür der ideale Kandidat gewesen. Zum einen genieße er ein positives Image, wofür es eigentlich überhaupt keinen Grund gebe. "Von dieser Gabe können wir uns schon mal eine große Scheibe abschneiden."
Zum anderen verbinde die Tatsache, "dass wir beide gar kein Programm haben - haha, kleiner Scherz", so Seibert. In Zeiten stabil schlechter Umfragewerte habe man eine allgemein beliebte Persönlichkeit gewonnen, die "unvoreingenommen an die Dinge herangeht" und komplizierte Sachverhalte "kurz und knackig auf den Punkt bringen kann".
Besonders durch seine Beiträge im Onlineportal Twitter sei man zu dieser Erkenntnis gekommen, sagte Kanzleramtschef Ronald Pofalla. "Sehr gut gefallen hat uns das Beispiel Steuerpolitik. Herr Nuhr twittert: ,Steuerkonzept der SPD ist da: 49 Prozent plus Soli plus Reichensteuer ergibt 54,68 Spitzensteuersatz + Vermögenssteuer. Gute Idee! Hoffentlich bleibt allerdings der eine oder andere im Land, der das dann auch zahlen möchte.' Das ist doch einfach genial! Herr Nuhr liefert die Texte gleich frei Haus, da sparen wir uns immense Kosten für die teuren Werbeagenturen und das ganze Drum und Dran."
Das Layout der Kampagne habe man ganz bewusst sehr puristisch gehalten, sagte Pofalla. "Nur ein lustiges Foto von Herrn Nuhr mit einem Zitat, fertig."
Der Hinweis www.bundesregierung.de falle kaum auf - das sei sehr wichtig, damit "Betrachter nicht sofort wieder abgeschreckt werden". Auch "sehr schön" sei Nuhrs Twittertext zur Debatte über die angeblich einseitige Lastenverteilung: " ,Zehn Prozent Bestverdiener zahlen 60 Prozent der Steuern. Untere 50 Prozent zahlen 3,6 Prozent der Steuern. Gut! Aber wo bleibt da die Ungerechtigkeit?' Das liegt genau auf unserer Linie!", begeistert sich Pofalla. "Die Tatsache, dass die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung mehr als 60 Prozent des vorhandenen Vermögens besitzen, lässt er einfach weg. Zu viele Zahlen verwirren die Leute ja auch. Und das muss nicht sein."
Thematisch sei die Kampagne aber breit aufgestellt. Zur Volksabstimmung über Stuttgart 21 gebe es den Slogan " ,Nuhr so ne Idee' ", sagte Seibert, "und dazu den Satz: ,Sollte man nicht noch ein AKW um den Bahnhof bauen, damit der Aufstand nicht ganz so absurd wirkt?' " Herr Nuhr habe verstanden, dass Politik sich eben nicht danach ausrichten könne, "wie viele Menschen gerade auf der Straße stehen", erklärte Seibert.
Dieter Nuhr selbst sieht durch das Engagement seine hauptberufliche Tätigkeit nicht beeinträchtigt: "Ich bin eben der ultimative Ratgeber für alles, warum nicht auch für die Bundesregierung? Was kann man schon damit erreichen, wenn man sich über Angela Merkel aufregt? Das war vielleicht früher subversiv, heute ist das populistisch." Sein Hauptanliegen, sich für die Regierung einzusetzen, sei die Verbreitung einer positiven Botschaft: "Ich kann die ganzen nörgelnden Blödmänner um mich herum nicht mehr ertragen und versuche deshalb, die Volkszufriedenheit zu heben."
Politikwissenschaftler Jürgen Nachtfalter erkennt in der Verpflichtung Nuhrs einen folgerichtigen "Synergieeffekt": "Einerseits sinkt das allgemeine Zutrauen in die Lösungskompetenz der Politik. Andererseits beeinflussen Menschen wie Dieter Nuhr längst die öffentliche Meinung. Es ist eben ein Unterschied, ob die Kanzlerin sagt: ,Deutschland hat eine hohe Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und wenig Arbeitslosigkeit. Das sind Dinge, um die andere Länder Deutschland nur beneiden können.' Oder ob Dieter Nuhr sagt: ,Deutschland blüht und gedeiht. Wir haben ein Gesellschafts-, Wirtschafts- und ein Sozialsystem, um die uns fast die ganze Welt beneidet.' Das ist zwar dasselbe, klingt aber doch ganz anders. Insofern ist es nur vernünftig, dass sich die Politik dieses Talent zu eigen macht."
Die ARD-Vorsitzende Monika Piel pflichtet Nachtfalter bei: "Die Zeiten, in denen Kabarettisten oder Moderatoren den Missbrauch von Macht anprangern, sind glücklicherweise längst vorbei, das ist doch Dieter-Hildebrandt-Geschwätz von gestern. Sie übernehmen heutzutage andere, versöhnende Aufgaben. Das erleben wir in unseren eigenen Talkshows oder beim sogenannten ,Satire-Gipfel', den Herr Nuhr sehr erfolgreich moderiert." Piel sagte, der Comedy-Star agiere sogar vorbildlich: "Politik und Medien, das ist heutzutage ein Geben und Nehmen. Wir sind ja schließlich nicht bei der Heilsarmee."
Zu Kokoskas Satire (!) auch ad sinistram: Ernstlich satirisch
gebattmer - 2011/10/11 22:38
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