Babylon by Bus: I Giardini Pensili Hanno Fatto Il Loro Tempo - Semiramis und die Hure Babylon. Von der Notwendigkeit, sich aus der Glocke der apokalytischen Bilder zu befreien
Die Hängenden Gärten der Semiramis, auch die Hängenden Gärten von Babylon genannt, waren nach den Berichten griechischer Autoren eine aufwendige Gartenanlage in Babylon am Euphrat (im Zweistromland, im heutigen Irak gelegen).
Semiramis, den antiken Quellen nach Gründerin Babylons, eine schillernde Persönlichkeit, „ein geiles und blutbesudeltes Weib“ - wird - wie die von ihr gegründete Stadt - in Literatur und Kunst immer wieder anders in den Blick genommen (siehe unten). Akutell interessant ist in diesem Zusammenhang der apokalyptische Furor des IS gegen die "große Hure Babylon" : "Wir werden euer Rom erobern, eure Kreuze zerbrechen und eure Frauen versklaven" (Florian Rötzer, tp 14.10.2014), der doch auch aus diesem mythologischen Schoß kriecht:

Im Magazin für Theologie und Ästhetik 14/2001 findet sich ein Aufsatz von Richard Herzinger: Die Hure Babylon - Die apokalyptischen Motive eines weltweit grassierenden Antiamerikanismus, dem man nicht in allen Annahmen und Schlussfolgerungen folgen muss, dessen Kernthese aber hilfreich sein könnte zu verstehen, was den Kampf der Badass Jihadis in Black gegen Rom/die Hure Babylon befeuert:
Vgl. auch: Für einen neuen Averroismus - Kleines Statement zur Religion; von Georg Seeßlen in seinem Blog.

The Whore of Babylon illustration from Martin Luther's 1522 translation of the New Testament.

"Hängende Gärten der Semiramis", signiert H. Waldeck, Öl auf Leinwand, 94,5 x 174 cm

Degas hatte das Gemälde "Semiramis erbaut Babylon" um 1860 begonnen, doch bis zu seinem Tod hatte es nie sein Atelier verlassen. Das Bild stellt eine mythologische Szene dar: Vom Ufer des Euphrat aus betrachtet Semiramis, Königin von Assyrien und Gründerin von Babylon, die Entstehung eines der sieben Weltwunder.
Wir waren in der Rezeption des Mythos schon mal weiter: In der populären Musik wurde gelegentlich das Bild von der Hure Babylon aufgenommen, etwa als Babylon-System. Diesen, aus dem Rastafari-Glauben übernommenen Begriff, etablierte Bob Marley 1978 durch sein Album Babylon by Bus. Marley ging es um die Entfaltung einer schwarzen Identität, Gerechtigkeit und Selbstbestimmung durch Befreiung aus den Fängen des „westlichen Babylons“:
Bob Marley - War - No More Trouble | Live In Dortmund Germany 1980
Paolo Conte - I Giardini Pensili Hanno Fatto Il Loro Tempo
Guardo una strada… io
non ne ho mai viste così
e dove vada a finire non so dir da qui…
il fondo è lucido e scuro
di un nero già blu…
porta lontano, è sicuro, mai stato laggiù…
Ah, quei bei giardini là
non si vedranno più…
Guarda, il deserto è tatuano:
leonesse e zulù,
terra di grandi sbadigli e sonagli bantù…
Il vento che tutto quanto sparire farà
in un momento i giardini ci riporterà…
Si, quei bei giardini là
li rivedremo qua…
Giardini pensili: dondola il sogno che hai
come una palma, un cespuglio, una cosa che vuoi…
e vedi una strada dall'alto,
la guardi laggiù,
il fondo è lucido e scuro, di un nero già blu
Paolo Conte - I Giardini Pensili Hanno Fatto Il Loro Tempo songtext (Deutsch Übersetzung)
Nachtrag: Georg Seeßlen: Der Weltuntergang als Direktübertragung

PDF download bei GETIDAN
Semiramis, den antiken Quellen nach Gründerin Babylons, eine schillernde Persönlichkeit, „ein geiles und blutbesudeltes Weib“ - wird - wie die von ihr gegründete Stadt - in Literatur und Kunst immer wieder anders in den Blick genommen (siehe unten). Akutell interessant ist in diesem Zusammenhang der apokalyptische Furor des IS gegen die "große Hure Babylon" : "Wir werden euer Rom erobern, eure Kreuze zerbrechen und eure Frauen versklaven" (Florian Rötzer, tp 14.10.2014), der doch auch aus diesem mythologischen Schoß kriecht:

Im Magazin für Theologie und Ästhetik 14/2001 findet sich ein Aufsatz von Richard Herzinger: Die Hure Babylon - Die apokalyptischen Motive eines weltweit grassierenden Antiamerikanismus, dem man nicht in allen Annahmen und Schlussfolgerungen folgen muss, dessen Kernthese aber hilfreich sein könnte zu verstehen, was den Kampf der Badass Jihadis in Black gegen Rom/die Hure Babylon befeuert:
- ... Der Ort aber, an dem die Zivilisation lebendige Form annimmt, ist die Stadt. Dort treffen Fremde unterschiedlicher Abstammung aufeinander und müssen kulturelle Regelwerke schaffen, die von allen respektiert werden können. Aus den komplexen, arbeitsteiligen Beziehungen, die hier entstehen, entwickelt sich der Markt und die Geldwirtschaft. In allen Kulturen ist die Stadt Kern und Motor zivilisatorischer Entwicklung - gerade darum aber steht sie von Anfang an auch unter einem Generalverdacht. Ist ihre Existenz nicht ein unerhörter Bruch mit der natürlich vorbestimmten Lebensweise der Menschen? Reißt sie ihn nicht aus der symbiotischen Einheit der Gemeinschaft mit ihrem angestammten Boden, ist Haltlosigkeit und Ausschweifung nicht die unausweichliche Folge dieser Entwurzelung? Kurz, ist sie nicht Ausdruck und Nährboden einer ungeheuren Hybris, einer gotteslästerlichen Auflehnung gegen die ursprüngliche und ewige Ordnung der Welt? In der jüdisch-christlichen Überlieferung erscheint die Gründung der ersten Stadt gar als indirekte Folge des Verbrechens. Kain, der Brudermörder, wird von Gott dazu verurteilt, "unstet und flüchtig" durch die Welt zu ziehen; so wird er zum ersten Nomaden und schließlich zum Stadtgründer.
Aus den Städten entwickeln sich Metropolen und schließlich jene "Riesenstädte" der Hochzivilisation, die Oswald Spengler in seinem "Untergang des Abendlandes" bezichtigte, sie saugten dem umliegenden Land seine natürliche Lebenskraft aus. Die große Stadt ist schon von alters her die bevorzugte Zielscheibe apokalyptischer Untergangsphantasien. Sodom und Gomorrha übereignet Gott wegen ihrer Ausschweifungen dem Feuertod. Das biblische Urbild der sündigen Stadt ist aber Babylon, das sein Selbstbewusstsein durch den Bau eines Turms manifestiert, "dessen Spitze bis an den Himmel reiche". Von dieser Demonstration menschlichen Erfindungsgeistes sah sich der Herr in seiner Autorität bedroht, weswegen er die Sprache der Babylonier verwirrte und sie in alle Länder zerstreute, so "dass sie aufhören mussten, die Stadt zu bauen".
Die Apokalyptik prophezeit ein bevorstehendes, endzeitliches göttliches Strafgericht, in dessen Verlauf die Toten auferstehen, die Ungerechten zu Höllenqualen verurteilt und die Gerechten zur Seligkeit erhöht werden. Mit der Offenbarung des Johannes im Neuen Testament beginnt die Instrumentalisierung apokalyptischer Phantasien für realgeschichtliche Zwecke. Mit der "großen Hure" Babylon, deren Lasterhaftigkeit Johannes in grellsten Farben brandmarkt und deren Vernichtung dem Anbruch des Reichs Gottes vorangehen soll, ist eigentlich Rom gemeint, das Herz des heidnischen Imperiums, von dem die Welt befreit werden müsse.
Johannes redet freilich noch in poetischen Gleichnissen, und das grausame Weltgericht bleibt noch allein dem Allmächtigen vorbehalten. Gleichwohl dient die Erwartung des erlösenden Weltenendes im Mittelalter - ob in den Kreuzzügen oder bei den Judenverfolgungen - als Rechtfertigung für Massenmord und als Anreiz zum eigenen Opfertod. Seine schlimmste Durchschlagskraft entfaltet die politische Funktionalisierung des apokalyptischen Bewusstseins aber, als sich politische Ideologen dazu ermächtigen, die Weltenreinigung selbst durchzuführen, und sich dabei moderner Technologie und einer zynischen instrumentellen Rationalität bedienen können. Hitlers Wahnbild vom "Tausendjährigen Reich" schöpfte ebenso aus apokalyptischen Motiven wie das Pathos der russischen Revolution - etwa, wenn Majakowski sie mit den Worten besang: "Wie einer zweiten Sintflut Verheerung / Waschen wir wieder die Städte der Welt."
Die geschlossenen ideologischen Weltanschauungssysteme sind zerbröckelt, der apokalyptische Furor aber sucht sich neue Ausdrucksformen. Und in seinem Fadenkreuz bleibt vor allem die Stadt. Pol Pot begann seine mörderische Umerziehungsaktion gegen ein ganzes Volk mit der Entvölkerung der "dekadenten" Großstädte. In ähnlicher Weise praktizieren heute die Taliban in Afghanistan die Verwirklichung einer radikalen antizivilisatorischen Utopie: Das ist eine Welt ohne Bewegungsfreiheit für das Individuum - und in erster Linie ohne Rechte für die Frauen -, eine Welt ohne Musik, Luxus und Lachen, kurz: eine Welt ohne Städte. Die Mörder von New York und Washington sind nicht der bewaffnete Arm des Islam, sondern dieses Programms einer letztmöglichen Rücknahme menschlicher Zivilisationsentwicklung ...
Vgl. auch: Für einen neuen Averroismus - Kleines Statement zur Religion; von Georg Seeßlen in seinem Blog.

The Whore of Babylon illustration from Martin Luther's 1522 translation of the New Testament.

"Hängende Gärten der Semiramis", signiert H. Waldeck, Öl auf Leinwand, 94,5 x 174 cm

Degas hatte das Gemälde "Semiramis erbaut Babylon" um 1860 begonnen, doch bis zu seinem Tod hatte es nie sein Atelier verlassen. Das Bild stellt eine mythologische Szene dar: Vom Ufer des Euphrat aus betrachtet Semiramis, Königin von Assyrien und Gründerin von Babylon, die Entstehung eines der sieben Weltwunder.
Wir waren in der Rezeption des Mythos schon mal weiter: In der populären Musik wurde gelegentlich das Bild von der Hure Babylon aufgenommen, etwa als Babylon-System. Diesen, aus dem Rastafari-Glauben übernommenen Begriff, etablierte Bob Marley 1978 durch sein Album Babylon by Bus. Marley ging es um die Entfaltung einer schwarzen Identität, Gerechtigkeit und Selbstbestimmung durch Befreiung aus den Fängen des „westlichen Babylons“:
Bob Marley - War - No More Trouble | Live In Dortmund Germany 1980
Paolo Conte - I Giardini Pensili Hanno Fatto Il Loro Tempo
Guardo una strada… io
non ne ho mai viste così
e dove vada a finire non so dir da qui…
il fondo è lucido e scuro
di un nero già blu…
porta lontano, è sicuro, mai stato laggiù…
Ah, quei bei giardini là
non si vedranno più…
Guarda, il deserto è tatuano:
leonesse e zulù,
terra di grandi sbadigli e sonagli bantù…
Il vento che tutto quanto sparire farà
in un momento i giardini ci riporterà…
Si, quei bei giardini là
li rivedremo qua…
Giardini pensili: dondola il sogno che hai
come una palma, un cespuglio, una cosa che vuoi…
e vedi una strada dall'alto,
la guardi laggiù,
il fondo è lucido e scuro, di un nero già blu
Paolo Conte - I Giardini Pensili Hanno Fatto Il Loro Tempo songtext (Deutsch Übersetzung)
Nachtrag: Georg Seeßlen: Der Weltuntergang als Direktübertragung

PDF download bei GETIDAN
gebattmer - 2014/10/13 18:32
Trackback URL:
https://gebattmer.twoday.net/stories/1022218117/modTrackback