Archäologie (CCCLIVb): 9. November - Archäologie hat mit Graben zu tun, nicht mit Pfeifen (feat. Klaus Meine, Wolf Biermann, Nina Hagen, Margot Honnecker und Wilhelm Hausschild)
Heute im Auto unterwegs. Den ganzen Tag über auf allen Sendern immer wieder Winds of Change von der hannoverschen "Leopardenunterhosenband" (Wiglaff Droste, hier), angeblich der Soundtrack zum Mauerfall. Zwar erst später erschienen und erst 1991 zum Hit geworden; nach Kritikerurteil (SZ-Diskothek) auf Platz 1 der sieben schlimmsten Wende-Songs, - aber wie Klaus Meine (Pfeifen kann doch jeder, BZ 9.11.09) erzählt, eben im Herbst 1989 entstanden - und zwar so:
Die Musik des anderen Helden des 9. November möchte ich hier nicht kommentieren,
Live im Bundestag - Nina Hagen & Capital Dance Orchestra - Yes Sir
feat. Heino Lammert -
... und also zur Person des grauen Wolf nur diese interessanten Quellen:
- Wkipedia über Eva Maria Hagen und den Wolf: Beide waren von 1965 bis 1972 Lebenspartner. Während Biermanns Auftrittsverbot bestritt sie dessen Krankenversicherungsbeiträge und geriet zunehmend in die Schusslinie der DDR-Führung. Gegen sie wurde ein Prozess wegen „Staatsverleumdung“ geführt und ihre Engagements fanden vornehmlich in Provinztheatern statt. Ihr späteres Buch Eva und der Wolf wird als sehr offenes Bekenntnis zu ihrer Beziehung bezeichnet und beinhaltet ihren regen Briefverkehr mit Wolf Biermann, der ein Vorwort beitrug. Den Berichten Hagens ist zu entnehmen, dass die Beziehung zu Biermann insbesondere an dessen wiederholten Versuchen, aus seiner Eva eine Frau nach seiner damaligen Idealvorstellung zu formen, gescheitert sein könnte.
- Die geteilte Wahrheit. Kabale, Ketzer, Kommunisten: zur Debatte um die DDR-Dissidenten Robert Havemann und Wolf Biermann. Von Kerstin Decker, Tagesspiegel von 25.11.2007
- Die Falten von Margot Honecker - Jakob Moneta antwortet Wolf Biermann; Sozialistische Zeitung Nr.24 vom 22.11.2001
- Zersägte Biermann-Legende - von Dietrich Kittner (in Ossietzky 19/2002)
Wenn man weiter gräbt, lässt sich noch dies finden:
- Margot und der Wolf - Die Bildungsministerin und der Liedermacher. Von Ed Stuhler; SWR2: Feature - 26. April 2007 Download des Manuskripts hier">https://edstuhler.files.wordpress.com/2009/09/swr2-feature-20070426.pdf">hier! Eine Hörprobe hier.
Von Ed Stuhler gibt es auch: Margot Honecker – Die Biografie und dazu, wenn man weiter gräbt, einen Brief von Hermann Kant vom 2. April 2003 an Ed Stuhler.
Mehr auszugraben bei: Ed Stuhler
Hannover, 10. November 1938, ca. zwei Uhr nachts: Aufnahme des Pressefotografen Wilhelm Hausschild (1902–1983) von der Neustädtischen Kirche aus, © Historisches Museum Hannover
Margots Blick auf Hausschilds Photo mag - kennt man ihre Biographie - darauf aufmerksam machen, dass die grotesk-banale geschichtspolitische Inszenierung des 9. November 1989 auch dazu dient, die Bedeutung des Datums 9. November für die Deutung der deutschen Geschichte als Beginn des Holocausts zu eskamotieren und neu zu besetzen.
Dass das dem Biermann kein Wort wert ist, ist das eigentlich Skandalöse seiner Rede, das als solches offenbar nicht wahrgenommen wird, und erledigt ihn dennoch oder gerade deshalb endgültig: ›Nicht gedacht soll seiner werden.‹
Audioarchiv kritischer Theorie & Praxis
Archäologie (CCCXLXIV): November 1989 - Archäologie hat mit Graben zu tun: Man kann sich die Geschichte länglich denken. Sie ist aber ein Haufen.
- - Ein gemeinsamer Abend war Grundlage für das Lied. Wir sind zusammen mit allen Musikern, die auf dem Festival gespielt haben, mit Bon Jovi, Ozzy Osbourne, Mötley Crüe und Journalisten aus aller Welt an der Moskwa entlang zum Gorki-Park gefahren. Dort gab es dann Barbecue. "Follow the Moskwa, down to Gorki Park" Die Zeile beschreibt jenen Abend. Für mich war das in gewisser Weise die ganze Welt in einem Boot, und alle sprechen die gleiche Sprache - nämlich Musik.
Woher wussten Sie damals denn, dass bald die Mauer fallen würde?
- Niemand konnte das ahnen. Aber in der Zeit zwischen September und November gab es viele Zeichen, die man deuten konnte und die sich zu dem Moment des 9. November aufgebaut haben. Viele junge Leute in Moskau haben uns damals gesagt, der Kalte Krieg wird bald vorbei sein, hier ist eine junge Generation am Start...
Die Musik des anderen Helden des 9. November möchte ich hier nicht kommentieren,
- Wolf Biermann im Berliner Ensemble -„Stalinistische Syphilis“ - Wem Wolf Biermanns Auftritt im Bundestag nicht gereicht hat, konnte ihn in abendfüllender Länge am Berliner Ensemble erleben. Der Kanzlerin gefällt's. (taz heute)
Live im Bundestag - Nina Hagen & Capital Dance Orchestra - Yes Sir
feat. Heino Lammert -
... und also zur Person des grauen Wolf nur diese interessanten Quellen:
- Wkipedia über Eva Maria Hagen und den Wolf: Beide waren von 1965 bis 1972 Lebenspartner. Während Biermanns Auftrittsverbot bestritt sie dessen Krankenversicherungsbeiträge und geriet zunehmend in die Schusslinie der DDR-Führung. Gegen sie wurde ein Prozess wegen „Staatsverleumdung“ geführt und ihre Engagements fanden vornehmlich in Provinztheatern statt. Ihr späteres Buch Eva und der Wolf wird als sehr offenes Bekenntnis zu ihrer Beziehung bezeichnet und beinhaltet ihren regen Briefverkehr mit Wolf Biermann, der ein Vorwort beitrug. Den Berichten Hagens ist zu entnehmen, dass die Beziehung zu Biermann insbesondere an dessen wiederholten Versuchen, aus seiner Eva eine Frau nach seiner damaligen Idealvorstellung zu formen, gescheitert sein könnte.
- Die geteilte Wahrheit. Kabale, Ketzer, Kommunisten: zur Debatte um die DDR-Dissidenten Robert Havemann und Wolf Biermann. Von Kerstin Decker, Tagesspiegel von 25.11.2007
- Es gibt kein Denken ohne Begriffe. Sie sind das Werkzeug des Geistes. Der Einfachheit halber benutzen wir immer dieselben: Dissident zum Beispiel. Oder Regimegegner. Oder Unrechtsstaat. Was sich denken lässt, ist damit schon vorentschieden. Und was sich nicht denken lässt, auch. ...
Biermann. Es gibt Menschen, auf die man sich im Notfall verlassen kann – und die anderen. Biermann gehört ziemlich eindeutig zur zweiten Gruppe, das haben viele in Ost – und später in West! – bezeugt. Und die Unterzeichner des Protests gegen die Ausbürgerung Biermanns wurden nie müde zu betonen, dass es nicht um Biermann ging, nicht um die Person, nur um den Fall. Ein Prahler, ein Geck, ein Aufreißer, der selbst vor Margot Honecker nicht haltmachte? Biermann selbst schreibt, M. H. habe bei ihm zu Hause „mit zusammengeklemmten, ideologisch weggeknickten Knien“ hochoffiziös in dem Sessel gesessen, der sonst Robert Havemann vorbehalten war. Ja, mein Gott, der Mann ist Künstler....
- »Bekanntlich kam Biermann erst 1953 in die DDR. Margot Honecker, geborene Feist, die gemeinsam mit Biermann aufgewachsen war, holte den Siebzehnjährigen aus seinen bescheidenen Hamburger Verhältnissen und brachte ihn in einem Internat unter. Ihr und Biermanns Vater waren während der Nazizeit in einer Widerstandsgruppe, und nachdem die Gruppe aufgeflogen, beide Väter verhaftet und ins KZ gebracht worden waren, nahm Biermanns Mutter das Mädchen bei sich in Hamburg auf. Nach dem Krieg holte sie der Vater, der überlebte, wieder nach Halle, wo Margot in der FDJ arbeitete und deren Chef Erich Honecker kennenlernte, den sie später heiratete. Biermann machte, in der DDR angekommen, zunächst das Abitur und durfte sich danach ein Studium, nein, sogar zwei Studiengänge aussuchen – er belegte Politische Ökonomie, später Mathematik und Philosophie. Natürlich war er Mitglied der FDJ und der SED, und natürlich konnte er auch nach 1961 ungehindert in den Westen reisen, er gab dort Konzerte und ließ seine Bücher verlegen. Sein enger persönlicher Kontakt zur Familie Honecker, insbesondere zu Margot Honecker, riß nie ab. Sie ging zu ihm in die Chausseestraße, wo sie ihm eine Wohnetage besorgt hatte, er kam zu ihr ins Ministerium, wozu er weder Termine noch Passierscheine benötigte. Noch unmittelbar vor dem Verlassen der DDR hatte er Besuch von ihr, sie werden die Modalitäten des als Ausbürgerung bekannt gewordenen Umzugs und PR-Gags beredet haben. Darüber spricht und singt der Dauerwiderständler Biermann nicht nur ungern, sondern überhaupt nicht. Seine Popularität und moralische Glaubwürdigkeit, mit welcher er gegen ›die Genossen im Schmalztopf der privilegierten Kaste‹ ansang, hätte Schaden nehmen können, wenn herausgekommen wäre, daß er nicht nur im ›Neuen Deutschland‹ tagtäglich die bekannten ›Fressen‹ fand, sondern auch bei sich zu Hause.«
Jakob Moneta, dem alten Trotzkisten und ehemaligen Chefredakteur der Gewerkschaftszeitung der IG Metall verdankt Wolf Biermann die Einladung zu seinem Kölner Konzert. Dieser Massenveranstaltung folgte Biermanns Ausbürgerung aus der DDR. Moneta berichtete später auch über das »Liebesverhältnis« Wolf Biermanns zu seiner älteren Stiefschwester Margot: »Als er eines Abends erzählte, wie sehr er sich vor den Falten am Hals von Margot geekelt habe, die inzwischen die Ehefrau des Staatsratsvorsitzenden Honecker war, wollte Sigi (Monetas Lebenspartnerin d.V.) ihn, angewidert von seinem Machismus, hinaus schmeißen.«
Moneta beendete seinen Aufsatz mit dem schönsten Satz, den wir im Zusammenhang mit Wolf Biermann je gelesen oder gehört haben: »Zum Schluss kann ich es mir nicht verkneifen, Wolf Biermann einen Spruch aus meiner jiddischen Muttersprache auf den Weg zu geben: ›Nicht gedacht soll seiner werden.‹«
- Die Falten von Margot Honecker - Jakob Moneta antwortet Wolf Biermann; Sozialistische Zeitung Nr.24 vom 22.11.2001
- Zersägte Biermann-Legende - von Dietrich Kittner (in Ossietzky 19/2002)
Wenn man weiter gräbt, lässt sich noch dies finden:
- Margot und der Wolf - Die Bildungsministerin und der Liedermacher. Von Ed Stuhler; SWR2: Feature - 26. April 2007 Download des Manuskripts hier">https://edstuhler.files.wordpress.com/2009/09/swr2-feature-20070426.pdf">hier! Eine Hörprobe hier.
Von Ed Stuhler gibt es auch: Margot Honecker – Die Biografie und dazu, wenn man weiter gräbt, einen Brief von Hermann Kant vom 2. April 2003 an Ed Stuhler.
Mehr auszugraben bei: Ed Stuhler
Hannover, 10. November 1938, ca. zwei Uhr nachts: Aufnahme des Pressefotografen Wilhelm Hausschild (1902–1983) von der Neustädtischen Kirche aus, © Historisches Museum Hannover
Margots Blick auf Hausschilds Photo mag - kennt man ihre Biographie - darauf aufmerksam machen, dass die grotesk-banale geschichtspolitische Inszenierung des 9. November 1989 auch dazu dient, die Bedeutung des Datums 9. November für die Deutung der deutschen Geschichte als Beginn des Holocausts zu eskamotieren und neu zu besetzen.
Dass das dem Biermann kein Wort wert ist, ist das eigentlich Skandalöse seiner Rede, das als solches offenbar nicht wahrgenommen wird, und erledigt ihn dennoch oder gerade deshalb endgültig: ›Nicht gedacht soll seiner werden.‹
9. November 1938 – Auftakt zum Holocaust
Vor einem Jahr, als das Gedenken an die damals 75 Jahre zurückliegende »Reichskristallnacht« auch der deutschen Öffentlichkeit ein wenig wichtiger war als der Jahrestag des Mauerfalls, produzierte Sachzwang FM eine sehr hörenswerte Sendung über die Pogrome des November 1938 und über die Struktur des Antisemitismus. Dieses Wochenende, an dem staatstragend die »friedliche Revolution von 1989« und die Wiederherstellung der deutschen Nation gefeiert wird, sind die deutschen NS-Verbrechen im öffentlichen Bewusstsein vermutlich kein, jedenfalls kein großes Thema. Die richtige Zeit also, zwei von Dr. Indoctrinator verlesene, leicht gekürzte Beiträge zu hören (oder selbst zu lesen), deren erster von Rainer Bakonyi stammt und vor allem die Ereignisse in der Art einer Chronik der Verfolgung und Vernichtung der Jüdinnen und Juden schildert. Im zweiten Beitrag widmet sich Rolf Pohl psychoanalytischen Theorien des antisemitischen Wahns. Im Zentrum stehen dabei die Begriffe »pathische Projektion« und »projektive Identifizierung« sowie die Wahrnehmungspsychologie.Audioarchiv kritischer Theorie & Praxis
Archäologie (CCCXLXIV): November 1989 - Archäologie hat mit Graben zu tun: Man kann sich die Geschichte länglich denken. Sie ist aber ein Haufen.
gebattmer - 2014/11/09 18:39
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