Archäologie (CCCLXXVI): Die Enteignung und Ermordung griechischer Juden zur Stützung der inflationsgefährdeten Drachme zur Finanzierung der Besatzungskosten der Wehrmacht - Enteignungen, Deportationen und Massenmorde als Quelle der deutschen Staatsfinanzen
Wenn man ansatzweise verstehen will, worum es in dem vermeintlichen Schuldenstreit zwischen Griechenland und Deutschland geht, dann muss man - abgesehen von der aktuellen Auseinandersetzung um die Austeritätspolitik und Deutschlands Rolle in der EU - die Gechichtswissenschaft bemühen, und hier - das gibt es! - die Forschung zur deutschen Finanzpolitik im Nationalsozialismus.
Götz Aly hat in seinem 2005 erschienenen Buch Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus , das vor allem wegen der Tendenz zu einer monokausalen Erklärungsstruktur, die als „historisch-materialistisch gewendete Kollektivschuldthese“ bezeichnet wurde, schwer in der Kritik war, in den Teilen, in denen er sich mit der Kriegsfinanzpolitik der Nazis befasst, u.a. in Bezug auf Griechenland gerade heute wesentliche Zusammenhänge herausgestellt.
Danach wurde das Finanzierungsmuster Staatsanleihen bereits 1938 mit der sog. Reichspogromnacht etabiert:
Die Inhaltsangabe bei Wikipedia ist in diesem Falle hilfreich (nicht um sich damit zufrieden zu geben, sondern um angeregt zu werden, das zu nachzulesen!):
1. Fazit
Alys Buch besorgen - bei der Bundeszentrale für Politische Bildung für 4,50€ und lesen!!
Aktuell:
Die Spur des Goldes
Inflation in Griechenland 274
Die Juden von Saloniki 281
Gold an der Athener Börse 290
Deutsch-griechisches Schweigen 297
Von Rhodos nach Auschwitz 299
Der englische Titel ist eigentlich treffender als der deutsche "Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus". Dass der westliche Wohlfahrtsstaat auch auf Raub und Rassenkrieg beruht, dürfte hinlänglich bekannt sein, - man muss das dann nicht nationalen Sozialismus nennen, weil die Praxis einer partiellen Umverteilung der Beute zum Zwecke der Ruhigstellung der Massen im Faschismus nichts mit Wohlfahrtsstaat oder mit Sozialismus zu tun hat... Dazu mehr im
2. Fazit
Mit Alys These eines national-sozialistischen Volksstaats, einer "Gefälligkeitsdiktatur", von der Millionen Millionen Deutsche profitierten, während Hitler gleichzeitig einen Vernichtungskrieg in ganz Europa entfesselte, kann ich mich immer noch nicht anfreunden, aber ich bin da gerade wieder unsicher geworden.
Willi Winkler zitiert gestern in seiner Rezension von Melvin Laskys Deutsches Tagebuch 1945 eine Passage, die zu denken gibt:
Oberleutnant Lasky trägt zwar das fesche
Käppi der Army, poussiert auch mit
dem einen oder andern deutschen Frol-
lain, aber mehr als alles andere interessiert
ihn der deutsche Geist und wie er so he run-
terwirtschaften konnte. Das Schlimmste
sei die Kollaboration, schmettern zwei jun-
ge Frauen in Berlin, und sie meinen nicht
die mit den Nazis, sondern das Fraternisie-
ren mit den siegreichen Soldaten der Alli-
ierten. Hätten sie Pistolen gehabt, sie hät-
ten bis zur letzten Frau als Partisanen ge-
gen die Russen gekämpft. Lasky mag es
gar nicht glauben: "Wo war ihr Stolz, wo ir-
gendeine Form von Charakter? ( ... ) Die bei-
den Mittelschichtsmädchen, die ich hier
vor mir hatte, waren in ihr wahres jämmer-
liches Leben zurückgefallen; die Flucht
aus den kleinbürgerlichen Realitäten in
die fanatischen Fantasiebilder von einem
faschistischen Vaterland war vorbei.
Der Schein der Hingabe war verflogen,
die Schäbigkeit blieb."
Die Flucht aus den kleinbürgerlichen Realitäten in die fanatischen Fantasiebilder von einem faschistischen Vaterland, das - wie Aly zeigt - ja auch materiell belohnt hat, ist schon ein interessantes Erklärungsmuster für Massenloyalität ...
Und: Man ist geneigt zu sagen: Da hat sich nicht viel verändert, wenn man sich die aus dem kleinbürgerlichen Leben hervorbrechenden Maulschaumteppiche in den Kommentaren zur aktuellen Debatte ansieht. Mir scheint allerdings die materielle Belohnung für die Masse akutell auszubleiben. - Was das Problem der Fantasiebilder nicht einfacher macht ... "Weimar and Greece, Continued" -->
Götz Aly hat in seinem 2005 erschienenen Buch Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus , das vor allem wegen der Tendenz zu einer monokausalen Erklärungsstruktur, die als „historisch-materialistisch gewendete Kollektivschuldthese“ bezeichnet wurde, schwer in der Kritik war, in den Teilen, in denen er sich mit der Kriegsfinanzpolitik der Nazis befasst, u.a. in Bezug auf Griechenland gerade heute wesentliche Zusammenhänge herausgestellt.
Danach wurde das Finanzierungsmuster Staatsanleihen bereits 1938 mit der sog. Reichspogromnacht etabiert:
- So setzte das Regime die Reichspogromnacht, an die sich die Umwandlung des gesamten Vermögens der deutschen Juden in unveräußerliche Staatsanleihen anschloss, genau zu dem Zeitpunkt in Szene, als die extreme Kreditkrise das Reich in den Staatsbankrott zu treiben drohte. Den "Cash flow" hielt es mit der so genannten "Judenbuße" aufrecht. Sie erhöhte die laufenden Reichseinnahmen mit einem Schlag um gut sechs Prozent. Rechnet man die Einnahmen aus der Reichsfluchtsteuer und andere Diskriminierungsprofite hinzu, zeigt sich, dass mehr als neun Prozent der laufenden Reichseinnahmen im letzten Vorkriegshaushalt aus Arisierungserlösen stammten, also den Volksgenossen überhaupt nicht belasteten. Damit war ein Finanzierungsmuster etabliert, das man im Krieg nur noch variieren musste.
Die Kriegsfinanzpolitik der Nazis beruhte auf dem Grundsatz, dass die eroberten Länder die enorme Kriegsrechnung zu begleichen hätten. Die Wehrmacht und das Finanzministerium konfrontierten sie mit maßlos überhöhten Besatzungskosten und Kontributionen, die willige und einfallsreiche Beamte mittels Währungsmanipulationen und anderen Tricks bei Bedarf weiter nach oben schraubten. Nicht nur der Sold der Soldaten, Waffen, Rohstoffe und Dienstleistungen wurden in der Währung des jeweiligen Stationierungslandes bezahlt, sogar die Kosten der Luftangriffe auf England mussten in Francs beglichen werden, wenn sie von französischem Boden aus erfolgten.
Der Raubkrieg füllte vor allem die Reichskasse, doch das Regime ermunterte auch seine Soldaten, die besetzen Länder leer zu kaufen. Sie mutierten zu "bewaffneten Butterfahrern" und schickten Päckchen und Pakete mit Schuhen aus Nordafrika, mit Samt und Seide, Likör und Kaffee aus Frankreich, mit Tabak aus Griechenland, mit Honig und Speck aus Russland und ganze Heringsfässer aus Norwegen. Heimaturlauber hatten nicht selten Pelze und Uhren im Gepäck, ganz Findige brachten äußerst günstig erstandene Möbel und Antiquitäten heim ins Reich. Die legalisierten Beutezüge stärkten die Kampfmoral der Soldaten und das Ansehen des Führers bei ihren so üppig versorgten Familien. Sie hatten aber noch einen anderen wohl kalkulierten Effekt: Die inländische Kaufkraft wurde abgeschöpft, Inflation, Mangel und Hunger exportiert.
Dieser Mechanismus hätte versagt, wenn die Ausgeplünderten Zahlungsunfähigkeit hätten anmelden müssen. Doch da war das 1938 in Deutschland erprobte Modell vor. Obwohl Ungarn und Griechenland Götz Aly Akteneinsicht verwehrt haben und obwohl in der BRD wie in der DDR Dokumente vernichtet wurden, aus denen sich Restitutionsansprüche hätten ableiten lassen, kann der Historiker in detektivischer Kleinarbeit rekonstruieren, wie Beamte und Offiziere der deutschen Militärverwaltung überall in Europa dafür sorgten, dass vor den Deportationen das Vermögen der Juden erst akribisch erfasst, dann konfisziert und verkauft wurde. Die Erlöse aus dem Raub flossen in den jeweiligen Staatshaushalt, wurden nach den Regeln der Geldwäsche umgebucht und als Besatzungskosten an das Reich oder direkt an die Wehrmacht weitergeleitet. Der Mord an den europäischen Juden, das kann Aly überzeugend zeigen, folgte einer zweckrationalen Logik. (Rezension im Deutchlandfunk, Politische Literatur (Archiv) vom 11.04.2005)
Der Mord an den europäischen Juden folgte einer zweckrationalen Logik
Die Inhaltsangabe bei Wikipedia ist in diesem Falle hilfreich (nicht um sich damit zufrieden zu geben, sondern um angeregt zu werden, das zu nachzulesen!):
- Der zweite Teil des Buches, Unterwerfen und ausnutzen, behandelt ausführlich die Methoden, mit denen die Kriegskosten des Deutschen Reiches im Zweiten Weltkrieg auf die besiegten Länder abgewälzt wurden, um die finanzielle Belastung der Deutschen zu mindern. Neben der direkten Bezahlung der Besatzungskosten müsse hier laut Aly beachtet werden, dass deutsche Soldaten die besetzten Länder über das System der Reichskreditkassenscheine regelrecht leerkaufen konnten. Dass auch massenhaft Güter an die Heimat weitergeleitet wurden, wurde von der Regierung geduldet oder sogar gefördert. So seien Kriegsgewinne der breiten Bevölkerung zugutegekommen. Auch die Einziehung von Feindvermögen und das der Juden sowie der Einsatz von Zwangsarbeitern seien der deutschen Staatskasse und damit indirekt der deutschen Bevölkerung zugutegekommen. Im Laufe des Krieges sei die völlige Destabilisierung der Wirtschaft in den besetzten Gebieten in Kauf genommen worden, um die materielle Not im Reich in Grenzen zu halten und damit befürchtete Unzufriedenheit zu verhindern. Schon im Frühjahr 1941, vor Beginn des „Unternehmens Barbarossa“, sei ein Hungerplan entworfen worden, der zwecks Sicherung der Ernährung im Deutschen Reich die Dezimierung der slawischen Bevölkerung in den zu besetzenden Gebieten der Sowjetunion um viele Millionen Menschen vorsah.
Thema des dritten Teils ist Die Enteignung der Juden. Aly zufolge führt „jede Konzeption, die sich allein auf die privaten Profiteure [der sogenannten Arisierung] konzentriert, in die Irre“ und verfehlt „den Kern der Sache, wenn die Frage beantwortet werden soll, wo das Eigentum der expropriierten und ermordeten Juden Europas geblieben ist.“ Tatsächlich sieht Aly nämlich das „Prinzip Staatsraub“ und in der Arisierung einen „groß angelegte[n] gesamteuropäische[n] Geldwäschevorgang zum Vorteil Deutschlands“. Im Weiteren werden beispielhaft Enteignungen bei Verbündeten und in besetzten Gebieten beschrieben, die stets der deutschen Kriegskasse, insbesondere der Versorgung der Wehrmacht dienten. Besonders ausführlich geht Aly dabei der Enteignung und Ermordung griechischer Juden nach. Diese dienten der Stützung der inflationsgefährdeten Drachme, was wiederum die Besatzungskosten der Wehrmacht zu finanzieren half.
1. Fazit
Alys Buch besorgen - bei der Bundeszentrale für Politische Bildung für 4,50€ und lesen!!
Aktuell:
Die Spur des Goldes
Inflation in Griechenland 274
Die Juden von Saloniki 281
Gold an der Athener Börse 290
Deutsch-griechisches Schweigen 297
Von Rhodos nach Auschwitz 299
Der englische Titel ist eigentlich treffender als der deutsche "Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus". Dass der westliche Wohlfahrtsstaat auch auf Raub und Rassenkrieg beruht, dürfte hinlänglich bekannt sein, - man muss das dann nicht nationalen Sozialismus nennen, weil die Praxis einer partiellen Umverteilung der Beute zum Zwecke der Ruhigstellung der Massen im Faschismus nichts mit Wohlfahrtsstaat oder mit Sozialismus zu tun hat... Dazu mehr im
2. Fazit
Mit Alys These eines national-sozialistischen Volksstaats, einer "Gefälligkeitsdiktatur", von der Millionen Millionen Deutsche profitierten, während Hitler gleichzeitig einen Vernichtungskrieg in ganz Europa entfesselte, kann ich mich immer noch nicht anfreunden, aber ich bin da gerade wieder unsicher geworden.
Willi Winkler zitiert gestern in seiner Rezension von Melvin Laskys Deutsches Tagebuch 1945 eine Passage, die zu denken gibt:
Oberleutnant Lasky trägt zwar das fesche
Käppi der Army, poussiert auch mit
dem einen oder andern deutschen Frol-
lain, aber mehr als alles andere interessiert
ihn der deutsche Geist und wie er so he run-
terwirtschaften konnte. Das Schlimmste
sei die Kollaboration, schmettern zwei jun-
ge Frauen in Berlin, und sie meinen nicht
die mit den Nazis, sondern das Fraternisie-
ren mit den siegreichen Soldaten der Alli-
ierten. Hätten sie Pistolen gehabt, sie hät-
ten bis zur letzten Frau als Partisanen ge-
gen die Russen gekämpft. Lasky mag es
gar nicht glauben: "Wo war ihr Stolz, wo ir-
gendeine Form von Charakter? ( ... ) Die bei-
den Mittelschichtsmädchen, die ich hier
vor mir hatte, waren in ihr wahres jämmer-
liches Leben zurückgefallen; die Flucht
aus den kleinbürgerlichen Realitäten in
die fanatischen Fantasiebilder von einem
faschistischen Vaterland war vorbei.
Der Schein der Hingabe war verflogen,
die Schäbigkeit blieb."
Die Flucht aus den kleinbürgerlichen Realitäten in die fanatischen Fantasiebilder von einem faschistischen Vaterland, das - wie Aly zeigt - ja auch materiell belohnt hat, ist schon ein interessantes Erklärungsmuster für Massenloyalität ...
Und: Man ist geneigt zu sagen: Da hat sich nicht viel verändert, wenn man sich die aus dem kleinbürgerlichen Leben hervorbrechenden Maulschaumteppiche in den Kommentaren zur aktuellen Debatte ansieht. Mir scheint allerdings die materielle Belohnung für die Masse akutell auszubleiben. - Was das Problem der Fantasiebilder nicht einfacher macht ... "Weimar and Greece, Continued" -->
gebattmer - 2015/02/20 20:14
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