Vermessungs- & Vernutzungslogik (II): Die Verantwortung der Mathematik und der kindlich-narzistische Mathematiker
Yvonne Hofstetter, Co-Founder von Teramark Technologies, beschreibt in ihrem Buch "Sie wissen alles" eine drohende Herrschaft intelligenter Maschinen. Nicht die Abschöpfung der Informationen eines jeden einzelnen sei das Problem sondern die Algorithmen, die analysieren, prognostizieren und schlussendlich das Leben berechnen, kontrollieren und bestimmen.
Eine interessante Begegnung.
In der 3sat-Gesprächssendung "Vis-à-vis" spricht der Publizist Frank A. Meyer mit Yvonne Hofstetter, die seit mehr als zehn Jahren intelligente Software-Systeme für Firmen in der Wehrtechnik, in der Sicherheitsvorsorge für Banken und Logistik-Unternehmen entwickelt.
Sehr sehenswert: Präzise Analyse, politisches Bewusstsein, verständliche Aussagen, z.B. zu Big Data und Algorithmen (ab 11:oo).
Interessant ist hier, dass sie das zunächst erläutert aB von Steuerungsprozessen "zum Beispiel in der Industrieautomatisierung" und "Wir haben das immer nur gebaut ..., wo es um die Steuerung von Objekten des Wirtschaftens geht und nie eingesetzt auf den Menschen, aber in den letzten Jahren ..." sei der - vernetzte - Mensch, der Daten erzeugt, in den Regelkreis einbezogen! Da setzt dann Frau Hoffstetters kritisches Denken ein (gut zusammengefasst hier: Die ZEIT vom 10.09.2014).
Daran finde ich interessant, dass der Mensch erst in den Blick genommen und sein Betroffensein als problematisch empfunden wird, wenn er als Konsument, als Privatmensch betroffen ist. Solange er nur Anhängsel der Objekte des Wirtschaftens ist, die qua kybernetischer Steuerung optimiert werden, wird er - auch von einer kritischen Denkerin - offenbar gar nicht wahrgenommen. Das mag an einem Mangel an marxistischer Grundbildung liegen; man könnte aber auch ohne eine solche darauf kommen, dass die angesprochene Industrieautomatisierung in Deutschland seit den zwanziger Jahren wesentlich gestaltet wurde durch und lange Zeit verbunden war mit dem Label REFA (gegründet 1924 als Reichsausschuß für Arbeitszeitermittlung!!), ansonsten als Taylorismus bekannt ist und immer gerichtet war auf
Vorbereitung zur Bewaffnung des Armstumpfes nach einer Operation von Professor Sauerbruch. - Zu berücksichtigen ist hier, dass es rationalisierungsmäßig zu der Zeit um die volkswirtschaftlich notwendige Nutzung der verbleibenden Arbeitskraft der Kriegsversehrten des ersten Weltkriegs ging. Daher wurden diese vermessen im Hinblick auf ihre weitere Vernutzbarkeit (Rationalisierung 1984. Hrsg. von der Staatlichen Kunsthalle Berlin und NGBK)
Sehen wir uns die Fabrikszene aus Chaplins "Modern Times" an, dann dürfte sinnfällig sein, dass die Steuerung von Objekten des Wirtschaftens immer eingesetzt war auf den Menschen, allerdings auf den auf seine Arbeitskraft reduzierten Menschen als Anhängsel der Maschine ...
Intreressant, wie gesagt, dass den Nicht-Proleten das Anhängsel-Werden - jetzt einer neuen Maschine (die aber eigentlich wie die alte auf Algorithmen aufsetzt, freilich komplexeren) - erst problematisch wird, wenn es für sie selbst soweit ist. Wie der unten bereitszitierte Karl Marx 1847 in "Das Elend der Philosophie" schrieb :
Das schmälert aber nicht den Wert der Einsichten, wenn es zB um die Verantwortung der Mathematik (vorsichtiger formuliert: der Mathematiker(innen?) geht:
Yvonne Hofstetter und Frank A. Meyer über den kindlich-narzistischen Mathematiker (ab 44:00) und die nicht vorhandenen bösen Absichten derer, die mitmachen, die möchten einfach zeigen, was sie können und was möglich ist, nur: wir als Gesellschaft sind abhängig von der Moral, dem Grad der Moral, den diese Menschen einbringen in ihre Arbeit, ... die arbeiten in einem rechtsfreien Bereich ...
Und vgl. auch Ulrich Trottenberg: Als die Atombombe fiel, hatte die Physik ihren Sündenfall. Heute wird massenhaft überwacht, spioniert, berechnet. Müssen sich Mathematiker verantwortlich fühlen? (Süddeutsche Zeitung)
Bei "Vis-à-vis" ebenfalls interessant: Das Gespräch mit Jean Ziegler!
Eine interessante Begegnung.
In der 3sat-Gesprächssendung "Vis-à-vis" spricht der Publizist Frank A. Meyer mit Yvonne Hofstetter, die seit mehr als zehn Jahren intelligente Software-Systeme für Firmen in der Wehrtechnik, in der Sicherheitsvorsorge für Banken und Logistik-Unternehmen entwickelt.
Sehr sehenswert: Präzise Analyse, politisches Bewusstsein, verständliche Aussagen, z.B. zu Big Data und Algorithmen (ab 11:oo).
Interessant ist hier, dass sie das zunächst erläutert aB von Steuerungsprozessen "zum Beispiel in der Industrieautomatisierung" und "Wir haben das immer nur gebaut ..., wo es um die Steuerung von Objekten des Wirtschaftens geht und nie eingesetzt auf den Menschen, aber in den letzten Jahren ..." sei der - vernetzte - Mensch, der Daten erzeugt, in den Regelkreis einbezogen! Da setzt dann Frau Hoffstetters kritisches Denken ein (gut zusammengefasst hier: Die ZEIT vom 10.09.2014).
Daran finde ich interessant, dass der Mensch erst in den Blick genommen und sein Betroffensein als problematisch empfunden wird, wenn er als Konsument, als Privatmensch betroffen ist. Solange er nur Anhängsel der Objekte des Wirtschaftens ist, die qua kybernetischer Steuerung optimiert werden, wird er - auch von einer kritischen Denkerin - offenbar gar nicht wahrgenommen. Das mag an einem Mangel an marxistischer Grundbildung liegen; man könnte aber auch ohne eine solche darauf kommen, dass die angesprochene Industrieautomatisierung in Deutschland seit den zwanziger Jahren wesentlich gestaltet wurde durch und lange Zeit verbunden war mit dem Label REFA (gegründet 1924 als Reichsausschuß für Arbeitszeitermittlung!!), ansonsten als Taylorismus bekannt ist und immer gerichtet war auf
- "das Schaffen eines aufgabengerechten, möglichst optimalen Zusammenwirkens von arbeitenden Menschen, Betriebsmitteln und Arbeitsgegenständen durch zweckmäßige Organisation von Arbeitssystemen unter Beachtung der menschlichen Leistungsfähigkeit und Bedürfnisse. Im besonderen besteht die Arbeitsgestaltung in der Neuentwicklung oder Verbesserung von Arbeitsverfahren, Arbeitsmethoden und Arbeitsbedingungen, von Arbeitsplätzen, Maschinen, Werkzeugen, Hilfsmitteln sowie in der ablaufgerechten Gestaltung von Arbeitsgegenständen.“ – REFA[1]
Vorbereitung zur Bewaffnung des Armstumpfes nach einer Operation von Professor Sauerbruch. - Zu berücksichtigen ist hier, dass es rationalisierungsmäßig zu der Zeit um die volkswirtschaftlich notwendige Nutzung der verbleibenden Arbeitskraft der Kriegsversehrten des ersten Weltkriegs ging. Daher wurden diese vermessen im Hinblick auf ihre weitere Vernutzbarkeit (Rationalisierung 1984. Hrsg. von der Staatlichen Kunsthalle Berlin und NGBK)
Sehen wir uns die Fabrikszene aus Chaplins "Modern Times" an, dann dürfte sinnfällig sein, dass die Steuerung von Objekten des Wirtschaftens immer eingesetzt war auf den Menschen, allerdings auf den auf seine Arbeitskraft reduzierten Menschen als Anhängsel der Maschine ...
Intreressant, wie gesagt, dass den Nicht-Proleten das Anhängsel-Werden - jetzt einer neuen Maschine (die aber eigentlich wie die alte auf Algorithmen aufsetzt, freilich komplexeren) - erst problematisch wird, wenn es für sie selbst soweit ist. Wie der unten bereitszitierte Karl Marx 1847 in "Das Elend der Philosophie" schrieb :
- "Kam endlich eine Zeit, wo alles, was die Menschen bisher als unveräußerlich betrachtet hatten, als Gegenstand des Austausches, des Schachers, veräußert wurde. Es ist dies die Zeit, wo selbst Dinge, die bis dahin mitgeteilt wurden, aber nie ausgetauscht, gegeben, aber nie verkauft, erworben, aber nie gekauft: Tugend, Liebe, Überzeugung, Wissen, Gewissen etc., wo mit einem Wort alles Sache des Handels wurde." (MEW)
Das schmälert aber nicht den Wert der Einsichten, wenn es zB um die Verantwortung der Mathematik (vorsichtiger formuliert: der Mathematiker(innen?) geht:
Yvonne Hofstetter und Frank A. Meyer über den kindlich-narzistischen Mathematiker (ab 44:00) und die nicht vorhandenen bösen Absichten derer, die mitmachen, die möchten einfach zeigen, was sie können und was möglich ist, nur: wir als Gesellschaft sind abhängig von der Moral, dem Grad der Moral, den diese Menschen einbringen in ihre Arbeit, ... die arbeiten in einem rechtsfreien Bereich ...
= ungehemmte Zweckrationalität
und die Frage nach der notwendigen Kontrolle - durch individuelle Moral, Gesellschaft und Staat (??)- Im Übrigen: Welch vorzüglich treffende Charakterisierung des Typus eines kindlich-narzistischen Wisssenschaftlers ohne böse Absichten, der einfach zeigen möchte, was er kann und was möglich ist, - die sich genau so findet in Götz Alys Forschungen zum Typus der Vordenker der Vernichtung.
Es ist unglaublich, welche Einsichten sich aufdrängen zur Rationalisierungs- und Vernutzungslogik, wenn man beide Interviews zusammenfügt!
Vgl. auch: Die Enteignung und Ermordung griechischer Juden zur Stützung der inflationsgefährdeten Drachme zur Finanzierung der Besatzungskosten der Wehrmacht - Enteignungen, Deportationen und Massenmorde als Quelle der deutschen Staatsfinanzen
Und vgl. auch Ulrich Trottenberg: Als die Atombombe fiel, hatte die Physik ihren Sündenfall. Heute wird massenhaft überwacht, spioniert, berechnet. Müssen sich Mathematiker verantwortlich fühlen? (Süddeutsche Zeitung)
Bei "Vis-à-vis" ebenfalls interessant: Das Gespräch mit Jean Ziegler!
gebattmer - 2015/03/10 19:21
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