Wenn ein Millionenheer von Flüchtlingen ... (XI): Entsetzen, aufregen, begrüßen, weitermachen. Zu Gast bei der reichen Frau: Hospitalität zwischen Philanthropie und Recht
Kompliment: Dem "Flüchtlings"-Krisenmanagement der Spin Doctors der Großen Koalition ist es gelungen, das Branding der Marke Deutschland nochmal hochzujazzen. Deutschland wird zum Sehnsuchtsland, die Flüchtlinge tragen nicht zerknitterte A3-Hochglanzfotos von Merkel über die Balkanroute, der Ungar wird zum unsolidarischen Bösewicht, Solidarität ist wieder mit Che Guevara die Zärtlichkeit der Völker, Schäuble wird zum gütigen Humanisten und die Willkommenskultur begrüßt mit Applaus, Brezn und Geschenken die Flüchtlinge. Egal, wo im Land die erschöpften Menschen ankommen. Ein bewegendes Wochenende in Bildern (SZ). Und Daimler-Chef Zetsche sucht schonmal in Asylunterkünften neue Arbeitskräfte.
Das kam mir zuweilen vor wie die Aktuelle Kamera: Die Beschlüsse des ZK zur Aufnahme der Flüchtlinge haben in der Bevölkerung großen Widerhall gefunden ... Serdar Somuncu: Die Anteilnahme mit Flüchtlingen artet in ein Selbstdarstellungsspektakel aus. Das ist so lächerlich.
"Wie ein Hippie-Staat von Gefühlen geleitet" - so der britische Politologe Anthony Glees (im Deutschlandfunk, 08.09.2015), der aber das Prinzip des Marketing im Merkelianismus nicht durchschaut hat: Bedient wird hier immer beides: Harmonie und familiäre Wärme auf der einen Seite ("Deutschland tut das, was moralisch und was rechtlich geboten ist. Und nicht mehr und nicht weniger." ... "Prinzip der Solidarität") und gleichzeitig Härte auf der anderen...
[Vgl. Wenn ein Millionenheer von Flüchtlingen ... (X): Entsetzen, aufregen, weitermachen / Das deutsche Dispositiv]
Was also ist falsch an diesem Bild?
Folgen wir Pro Asyl, so konterkariert die Politik der Bundesregierung hinter dem Nebel von Wasserflaschen-Harmonie und dem, was sie neuerdings Solidarität nennen, die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung:
Lesebefehl!
Lothar Müller hat gestern in der Süddeutschen dazu einige aufschlussreiche Überlegungen veröffentlicht - im Anschluss an Immanuel Kant (der damit auch nach seinem kürzlichen Neger-Absturz rehabillitiert werden kann; vgl. Das deutsche Dispositiv (III): Die Grundrechte und die Aufklärung: Immanuel Kants Physische Geographie, der Neger und der Vertriebene. - Displaced Persons):
Zu Gast beim reichen Mann - "Willkommenskultur" braucht eine gute Verwaltung. Sie muss mit der Enttäuschbarkeit der Menschenliebe rechnen.
Klaus Stuttmann
Die GBlog-Suche nach »Flüchtlingen « hat 23 Resultate geliefert, die Suche nach dem »Dispositiv« hat 4 Resultate geliefert.
Das kam mir zuweilen vor wie die Aktuelle Kamera: Die Beschlüsse des ZK zur Aufnahme der Flüchtlinge haben in der Bevölkerung großen Widerhall gefunden ... Serdar Somuncu: Die Anteilnahme mit Flüchtlingen artet in ein Selbstdarstellungsspektakel aus. Das ist so lächerlich.
"Wie ein Hippie-Staat von Gefühlen geleitet" - so der britische Politologe Anthony Glees (im Deutschlandfunk, 08.09.2015), der aber das Prinzip des Marketing im Merkelianismus nicht durchschaut hat: Bedient wird hier immer beides: Harmonie und familiäre Wärme auf der einen Seite ("Deutschland tut das, was moralisch und was rechtlich geboten ist. Und nicht mehr und nicht weniger." ... "Prinzip der Solidarität") und gleichzeitig Härte auf der anderen...
[Vgl. Wenn ein Millionenheer von Flüchtlingen ... (X): Entsetzen, aufregen, weitermachen / Das deutsche Dispositiv]
Was also ist falsch an diesem Bild?
Folgen wir Pro Asyl, so konterkariert die Politik der Bundesregierung hinter dem Nebel von Wasserflaschen-Harmonie und dem, was sie neuerdings Solidarität nennen, die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung:
Abwehr statt Aufnahme: Große Koalition beschließt Maßnahmenpaket gegen Flüchtlinge
Die Bundesregierung hat sich am Sonntag im Koalitionsausschuss auf ein Maßnahmenpaket zur Asylpolitik geeinigt. Unter der Überschrift „Fehlanreize beseitigen“ werden dort mehrere Maßnahmen der Abschreckungspolitik der neunziger Jahre reaktiviert.Lesebefehl!
Lothar Müller hat gestern in der Süddeutschen dazu einige aufschlussreiche Überlegungen veröffentlicht - im Anschluss an Immanuel Kant (der damit auch nach seinem kürzlichen Neger-Absturz rehabillitiert werden kann; vgl. Das deutsche Dispositiv (III): Die Grundrechte und die Aufklärung: Immanuel Kants Physische Geographie, der Neger und der Vertriebene. - Displaced Persons):
Zu Gast beim reichen Mann - "Willkommenskultur" braucht eine gute Verwaltung. Sie muss mit der Enttäuschbarkeit der Menschenliebe rechnen.
- Mit der ihm eigenen Nüchternheit hat der Aufklärer Immanuel Kant im Blick auf die Gesetze der Gastfreundschaft das Verhältnis von Philanthropie und Recht durchdacht, als die Französische Revolution Emigrationen und Migrationen, innereuropäische Kriege nach sich zog. Im dritten Definitivartikel seiner Schrift "Zum ewigen Frieden" (1795) stellt er "die Bedingungen der allgemeinen Hospitalität" ins Zentrum des "Weltbürgerrechts". Von vornherein stehen diese Bedingungen im Horizont nicht des einzelnen Staates, sondern des Völkerrechts, und der beiden anderen Definitivartikel: dass die bürgerliche Verfassung in jedem Staat republikanisch und das Völkerrecht auf einen Föderalismus freier Staaten gegründet sein soll. Dies zu sein, würde die Europäische Union von sich behaupten, aber die größte Flüchtlingsbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg treibt sie in Konflikte zwischen den Nationalstaaten, in den Dissens über die "Hospitalität", die Kant vielleicht auch deshalb mit einem lateinischen Begriff benannte, um ihren universellen Anspruch hervorzuheben.
"Es ist", stellte er, "wie in den vorigen Artikeln, nicht von Philanthropie, sondern vom Recht die Rede, und da bedeutet Hospitalität (Wirtbarkeit) das Recht eines Fremdlings, seiner Ankunft auf dem Boden eines andern wegen, von diesem nicht feindselig behandelt zu werden. Dieser kann ihn abweisen, wenn es ohne seinen Untergang geschehen kann; solange er aber auf seinem Platz sich friedlich verhält, ihm nicht feindlich begegnen." ...
Deutschland ist derzeit nicht nur das Land, auf das sich die meisten Flüchtlinge zubewegen, es erscheint zugleich, trotz der Brandanschläge und Exzesse rechtsradikaler Minderheiten, verglichen mit Ungarn und den osteuropäischen Nachbarn, als der Hauptschauplatz philanthropischer Gastfreundschaft in Europa. Es ist aus zwei Gründen lehrreich, diese aktuelle deutsche Philanthropie aus der Perspektive Kants zu betrachten. Zunächst wegen seiner Gegenüberstellung von Recht und Philanthropie, in der die reine, unbedingte und unbegrenzte Gastfreundschaft, wie sie die Philanthropie anstrebt, in die von rechtlichen und politischen Bestimmungen garantierte Hospitalität überführt werden muss. Diese Gegenüberstellung entspringt der Skepsis gegenüber der Wandelbarkeit hehrer Motive, dem Wissen um die Enttäuschbarkeit der Menschenliebe. Der Fremdling soll sich bei Kant auf das Recht der Hospitalität auch dann verlassen können, wenn die Stimmung umschlägt und ihm nicht mehr spontane Philanthropie entgegenschlägt, sondern Misstrauen, wie es im aktuellen Deutschland der Fall wäre, wenn auch nur ein Flüchtling aus Syrien, Afghanistan oder wo auch immer sich in einem gelungenen Anschlag als eingeschleuster Terrorist entpuppen würde...
Das Element von Selbstgenuss, das im aktuellen Philanthropismus vieler Deutscher mitschwingen mag, lässt sich leicht verschmerzen, und es ist der kühlen Schulter und den Anrempeleien von Flüchtlingen bei Weitem vorzuziehen. Und doch ist es gut, wenn der reiche Mann sich der Skepsis Kants aussetzt, seinem Beharren auf der Asymmetrie zwischen dem Wohltäter und seinem Gegenüber:
"Das Verhältnis des Beschützers, als Wohltäters, zu dem Beschützten, als Dankpflichtigen, ist zwar ein Verhältnis der Wechselliebe, aber nicht der Freundschaft: weil die schuldige Achtung beider gegen einander nicht gleich ist. Die Pflicht, als Freund den Menschen wohl zu wollen (eine notwendige Herablassung), und die Beherzigung derselben dient dazu, vor dem Stolz zu verwahren, der die Glücklichen anzuwandeln pflegt, welche das Vermögen wohl zu tun besitzen."
Klaus Stuttmann
Die GBlog-Suche nach »Flüchtlingen « hat 23 Resultate geliefert, die Suche nach dem »Dispositiv« hat 4 Resultate geliefert.
gebattmer - 2015/09/08 20:41
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