Aus der sozialen Überdruckkammer: They Shoot Horses, Don't They? - Überleben auf der Flucht als Qualifikationsnachweis
Immer wenn ich gegen Abend am Maschsee die jungen und early-middle-aged SelbstoptimiererInnen laufen sehe, muss ich an Sydney Pollacks großartigen Film (von 1969) denken: Nur Pferden gibt man den Gnadenschuß - They Shoot Horses, Don't They?
von Sydney Pollack, mit Bonnie Bedelia und Bruce Dern
Man schreibt das Jahr 1932. Der Tiefpunkt der Depression in den USA ist erreicht, Amerika hat ein Riesenheer von Arbeitslosen, Resignierten und Verzweifelten. In Los Angeles findet in einem billigen Vergnügungsschuppen ein Tanzmarathon statt – Veranstaltungen für ein sensationslüsternes Publikum, wie sie damals häufig abgehalten wurden. Wochenlang quälen sich die Teilnehmer über den Tanzboden von der Hoffnung auf das Preisgeld von 1 500 Dollar getrieben – zum Schluss mehr tot als lebendig kriechen sie dahin. Wer vor Erschöpfung zusammenbrechen, wird weggeschleppt...
Den Film hier zu sehen (They Shoot Horses Dont They) sei empfohlen, weil er auch im akutellen Kontext etwas zu sagen hat.
In Rocky, dem Veranstalter des Marathons, erkennen wir Herrn Ingo Kramer:
"Schauen Sie sich die Flüchtlingswege an: wie aufwendig und gefährlich die sind. Dies schafft
nur, wer sein Leben in die Hand nehmen will. So jemand hat doch hervorragende
Voraussetzungen, ... (Ein Junge aus Mali) hat mit seiner Flucht gezeigt, was für einen Willen
er besitzt. Sobald er dann auch noch Deutsch kann, sind das gute Voraussetzungen."
Der das in einem Interview von sich gegeben hat, ist nicht irgendjemand. Weder irgendein
kleiner Handwerksmeister, den seine Verbitterung über "die deutsche Jugend" zu so
mancher Faschisterei verleitet, noch ein aus der Spur gelaufener Pegida-Anhänger, der sein
Ideal von deutschen Tugenden auch schon mal an Nichtdeutschen entdeckt. Es ist der
Arbeitgeberpräsident höchstpersönlich, d.h. der Chef des Verbandes der deutschen
Unternehmer, Ingo Kramer, der in einem SZ-Interview zur Flüchtlingsfrage aus seinem
Arbeitgeberherzen keine Mördergrube gemacht hat. Bemerkenswert? ...
Dieser Unternehmervertreter verrät damit gar nicht nebenbei so Einiges über das Verhältnis
von Wille und Qualifikation, das er sich als Voraussetzung für Beschäftigung in deutschen
Betrieben wünscht. Es ist nicht der Wille zur Arbeit, den er fordert, auch nicht der Wille zur
Arbeit gegen Lohn im Dienste von Kapitaleigentümer bzw. Eigentümergesellschaften.
All das reicht ihm nicht, all das gilt ihm als eine selbstverständliche Voraussetzung in einer quasi
zur Naturnotwendigkeit erhobenen Wirtschaftsweise, in der nur derjenige an Geld
kommt, der sich eigentumslos, wie er ist, bereit erklären muss, sein Arbeitsvermögen ganz in den
Dienst der kapitalistischen Gewinnrechnung zu stellen. Ebenso abstrahiert der Herr Kramer in der
Stellungnahme erst einmal gänzlich von der Ausbildung, von Können und Wissen, also von
fachlicher Qualifikation. Allein die Kenntnis der deutschen Sprache erwähnt er als " gute Voraussetzung";
wobei wohl auch für ihn diese sachliche Ausstattung des Arbeitsvermögens mehrnationales Integrations-
als Arbeitserfordernis ist. Begeistert zeigt sich der BDA-Präsident dagegen von einem Willen, der rücksichtslos
gegen das eigene Leben an seinem Ziel festhält
- dessen nähere Würdigung im Fall dieser Flüchtlinge aus Afrika ihm allerdings völlig fern liegt....
Freerk Huisken - GegenRede 37: Überleben auf der Flucht als Qualifikationsnachweis; magazin-auswege.de – 16.9.2015
Das ist auch eine Gegenrede zu Gaucks Predigt an "uns, die Sorgenden und Besorgten"!
von Sydney Pollack, mit Bonnie Bedelia und Bruce Dern
Man schreibt das Jahr 1932. Der Tiefpunkt der Depression in den USA ist erreicht, Amerika hat ein Riesenheer von Arbeitslosen, Resignierten und Verzweifelten. In Los Angeles findet in einem billigen Vergnügungsschuppen ein Tanzmarathon statt – Veranstaltungen für ein sensationslüsternes Publikum, wie sie damals häufig abgehalten wurden. Wochenlang quälen sich die Teilnehmer über den Tanzboden von der Hoffnung auf das Preisgeld von 1 500 Dollar getrieben – zum Schluss mehr tot als lebendig kriechen sie dahin. Wer vor Erschöpfung zusammenbrechen, wird weggeschleppt...
Den Film hier zu sehen (They Shoot Horses Dont They) sei empfohlen, weil er auch im akutellen Kontext etwas zu sagen hat.
In Rocky, dem Veranstalter des Marathons, erkennen wir Herrn Ingo Kramer:
Überleben auf der Flucht als Qualifikationsnachweis: "Gelobt sei, was hart macht!"
"Schauen Sie sich die Flüchtlingswege an: wie aufwendig und gefährlich die sind. Dies schafft
nur, wer sein Leben in die Hand nehmen will. So jemand hat doch hervorragende
Voraussetzungen, ... (Ein Junge aus Mali) hat mit seiner Flucht gezeigt, was für einen Willen
er besitzt. Sobald er dann auch noch Deutsch kann, sind das gute Voraussetzungen."
Der das in einem Interview von sich gegeben hat, ist nicht irgendjemand. Weder irgendein
kleiner Handwerksmeister, den seine Verbitterung über "die deutsche Jugend" zu so
mancher Faschisterei verleitet, noch ein aus der Spur gelaufener Pegida-Anhänger, der sein
Ideal von deutschen Tugenden auch schon mal an Nichtdeutschen entdeckt. Es ist der
Arbeitgeberpräsident höchstpersönlich, d.h. der Chef des Verbandes der deutschen
Unternehmer, Ingo Kramer, der in einem SZ-Interview zur Flüchtlingsfrage aus seinem
Arbeitgeberherzen keine Mördergrube gemacht hat. Bemerkenswert? ...
Dieser Unternehmervertreter verrät damit gar nicht nebenbei so Einiges über das Verhältnis
von Wille und Qualifikation, das er sich als Voraussetzung für Beschäftigung in deutschen
Betrieben wünscht. Es ist nicht der Wille zur Arbeit, den er fordert, auch nicht der Wille zur
Arbeit gegen Lohn im Dienste von Kapitaleigentümer bzw. Eigentümergesellschaften.
All das reicht ihm nicht, all das gilt ihm als eine selbstverständliche Voraussetzung in einer quasi
zur Naturnotwendigkeit erhobenen Wirtschaftsweise, in der nur derjenige an Geld
kommt, der sich eigentumslos, wie er ist, bereit erklären muss, sein Arbeitsvermögen ganz in den
Dienst der kapitalistischen Gewinnrechnung zu stellen. Ebenso abstrahiert der Herr Kramer in der
Stellungnahme erst einmal gänzlich von der Ausbildung, von Können und Wissen, also von
fachlicher Qualifikation. Allein die Kenntnis der deutschen Sprache erwähnt er als " gute Voraussetzung";
wobei wohl auch für ihn diese sachliche Ausstattung des Arbeitsvermögens mehrnationales Integrations-
als Arbeitserfordernis ist. Begeistert zeigt sich der BDA-Präsident dagegen von einem Willen, der rücksichtslos
gegen das eigene Leben an seinem Ziel festhält
- dessen nähere Würdigung im Fall dieser Flüchtlinge aus Afrika ihm allerdings völlig fern liegt....
Freerk Huisken - GegenRede 37: Überleben auf der Flucht als Qualifikationsnachweis; magazin-auswege.de – 16.9.2015
Das ist auch eine Gegenrede zu Gaucks Predigt an "uns, die Sorgenden und Besorgten"!
gebattmer - 2015/09/28 19:25
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