(Medien-)Archäologie (CDLXXI): Werkausgabe Christian Geissler - Wird Zeit, dass wir leben. Entwurf einer ganz anderen Realität
Dieser Autor schreibt unbeirrbar an seinem Programm, an seiner eigenen Autorsprache; er verlangt vom Leser, daß er sich in diese Sprache einarbeitet, daß er zur Schönheit dieser Sprache vordringen muß, die anders nicht zu haben ist - und diese Schönheit ist etwas Schwieriges, das immer neu entsteht und nicht sofort zu erkennen ist.
Helmut Böttiger im Büchermarkt des dlf vom 01.01.1980.
Heute im Büchermarkt des Deutschlandfunk:
Zum ersten Teil der Werkausgabe: Entwurf einer ganz anderen Realität
Christian Geissler: "Wird Zeit, dass wir leben. Geschichte einer exemplarischen Aktion"
Von Helmut Böttiger (dradioKultur 17.02.2014)
Anmerkungen:
“Wird Zeit, dass wir leben” – Rezeption 1976
“Wie bringt einer fünfzig Personen auf knapp 230 Seiten zueinander, gegeneinander und miteinander in Aktion? Und das ohne den tragenden und gelegentlich trägen Rahmen, der Familienromane und Sagas zusammenhält? (…) Kein Wunder, kein Trick, es ist der Stil, der Aufbau, das Tempo, die balladenhaft-lyrischen Präzision und Konzentration, mit der hier sozialkritisch-realistisch ausführliche Beschreibungen vermieden werden.” (Heinrich Böll / Die Weltwoche, 16.3.1977)
Interview mit Christian Geissler (2005) - Wolfgang Lettow, damals Mitglied des Freien Senderkombinats Hamburg (fsk); hier eine Kurzfassung bei Radio Flora Hannover (via freie-radios.net), in der es u.a. um sein Verhältnis zur RAF geht (siehe unten Dellwo).
Inzwischen gibt es eine Christian Geissler Gesellschaft, auf deren Seiten Sie mehr über Christian Geissler und seine Arbeit erfahren können. Lesebefehl!!
Zu Geisslers Tod 2008 schrieb ich hier: Zuweilen (VIII) bemerkt man erst, wenn man vom Tod eines Menschen erfährt, dass er einem eigentlich schon länger gefehlt hat., - und ich zitierte da eines der berührendsten Gedichte überhaupt:
geradezu ungeheuerlich sind seine Gedichte 80/82 "spiel auf ungeheuer" und dort unter "lieder aus dem altersheim" dies:
Zum Tod von Christian Geissler (BellaStoria Film)
Buchinfos:
Christian Geissler: "Schlachtvieh. Kalte Zeiten", Mit einem Nachwort von Michael Töteberg, Verbrecher Verlag, Berlin 2015, 245 Seiten, Preis: 24,00 Euro
Zugabe:
Ein seltenes Fundstück: "Wir sind bereit den NDR so wie er ist zu übernehmen" ist ein Text des Schriftsteller und Kommunisten Christian Geissler, ehmals freier Mitarbeiter beim Norddeutschen Rundfunk. Der Text wurde von Knarf Rellöm vertont und zusammen mit Nixe (Diana Diamond) gesungen zum Erinnerungsabend am Werk von Christian Geissler am 6. Oktober 2008 in der Vers- und Kaderschmiede beim Polittbüro in Hamburg. (hochgeladen übrigens von Karl-Heinz Dellwo)
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"wir haben nie wieder den traum von unserer befreiung zu träumen, ohne die ungeheuer auch.
Helmut Böttiger im Büchermarkt des dlf vom 01.01.1980.
Heute im Büchermarkt des Deutschlandfunk:
- Christian Geissler provozierte mit seinen analytischen Fernsehfilmen nach dem Zweiten Weltkrieg die Öffentlichkeit. Aber er beleuchtete die BRD auf ungewohnte Weise. Er war eine schillernde Randfigur, die man in ihrer ästhetischen Eigenart erst heute richtig würdigen kann. Dies zeigt der zweite Teil der Werkausgabe.
Christian Geissler, ein linker und radikaler Einzelgänger im bundesdeutschen Literaturbetrieb, ist im Jahre 2008 im Alter von 79 Jahren gestorben. 1960 debütierte er mit dem Roman "Anfrage", der eine heftige Diskussion auslöste und auch die Grundlage für seine Fernsehspiele war: Der neuberufene Abteilungsleiter Fernsehspiel beim NDR, Egon Monk, machte Geissler sofort das Angebot, den Roman "Anfrage" für das neue Medium zu bearbeiten und gab ihm in den folgenden Jahren weitere Aufträge.
"Anfrage" hatte Monk elektrisiert, der seine ästhetischen und politischen Vorstellungen bei Bertolt Brechts "Berliner Ensemble" geschärft hatte. Und Geisslers für den NDR konzipiertes Original-Fernsehspiel "Schlachtvieh" knüpft da an, wo "Anfrage" geendet hatte: Es geht um die Verdrängung der nationalsozialistischen Vergangenheit in der frühen Bundesrepublik...
Zum ersten Teil der Werkausgabe: Entwurf einer ganz anderen Realität
Christian Geissler: "Wird Zeit, dass wir leben. Geschichte einer exemplarischen Aktion"
Von Helmut Böttiger (dradioKultur 17.02.2014)
Anmerkungen:
“Wird Zeit, dass wir leben” – Rezeption 1976
“Wie bringt einer fünfzig Personen auf knapp 230 Seiten zueinander, gegeneinander und miteinander in Aktion? Und das ohne den tragenden und gelegentlich trägen Rahmen, der Familienromane und Sagas zusammenhält? (…) Kein Wunder, kein Trick, es ist der Stil, der Aufbau, das Tempo, die balladenhaft-lyrischen Präzision und Konzentration, mit der hier sozialkritisch-realistisch ausführliche Beschreibungen vermieden werden.” (Heinrich Böll / Die Weltwoche, 16.3.1977)
Interview mit Christian Geissler (2005) - Wolfgang Lettow, damals Mitglied des Freien Senderkombinats Hamburg (fsk); hier eine Kurzfassung bei Radio Flora Hannover (via freie-radios.net), in der es u.a. um sein Verhältnis zur RAF geht (siehe unten Dellwo).
Inzwischen gibt es eine Christian Geissler Gesellschaft, auf deren Seiten Sie mehr über Christian Geissler und seine Arbeit erfahren können. Lesebefehl!!
Zu Geisslers Tod 2008 schrieb ich hier: Zuweilen (VIII) bemerkt man erst, wenn man vom Tod eines Menschen erfährt, dass er einem eigentlich schon länger gefehlt hat., - und ich zitierte da eines der berührendsten Gedichte überhaupt:
geradezu ungeheuerlich sind seine Gedichte 80/82 "spiel auf ungeheuer" und dort unter "lieder aus dem altersheim" dies:
- zutraulich
als dein jagender atem
niedergemacht hatte klein
all meine wörter
zum trösten
sind um
dich her
ins bersten
geflogen
flüsternamen
aus deiner liebe
viele
jeder
hat seinen gesagt
leise
als wind
unter die last deiner geflügelten angst
Zum Tod von Christian Geissler (BellaStoria Film)
Buchinfos:
Christian Geissler: "Schlachtvieh. Kalte Zeiten", Mit einem Nachwort von Michael Töteberg, Verbrecher Verlag, Berlin 2015, 245 Seiten, Preis: 24,00 Euro
Zugabe:
Ein seltenes Fundstück: "Wir sind bereit den NDR so wie er ist zu übernehmen" ist ein Text des Schriftsteller und Kommunisten Christian Geissler, ehmals freier Mitarbeiter beim Norddeutschen Rundfunk. Der Text wurde von Knarf Rellöm vertont und zusammen mit Nixe (Diana Diamond) gesungen zum Erinnerungsabend am Werk von Christian Geissler am 6. Oktober 2008 in der Vers- und Kaderschmiede beim Polittbüro in Hamburg. (hochgeladen übrigens von Karl-Heinz Dellwo)
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"wir haben nie wieder den traum von unserer befreiung zu träumen, ohne die ungeheuer auch.
aber desweiteren nie haben wir die ungeheuer zu nennen, ohne den traum von unserer befreiung auch. nein. wir sind nicht zu retten.
aber wehe denen, die aufhören, unsere rettung zu suchen, an ihr zu arbeiten, um sie zu kämpfen. (...) es bleibt der schmerz."
gebattmer - 2015/11/30 20:02
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