Die anomische Herrschaft der Rackets und der verwilderte Leviathan (XXVII) & Wenn ein Millionenheer von Flüchtlingen zu Gast ist bei der reichen Frau (XIV): Der Tahrir-Platz von Köln - Abrechnung mit den landläufigen Illusionen in der Flüchtlingskrise
- I am a Arab or North African. Hath not a Arab or North African eyes? hath not a Arab or North African hands, organs, dimensions, senses, affections, passions? fed with the same food, hurt with the same weapons, subject to the same diseases, healed by the same means, warmed and cooled by the same winter and summer, as a Christian is? If you prick us, do we not bleed? if you tickle us, do we not laugh? if you poison us, do we not die? and if you wrong us, shall we not revenge? If we are like you in the rest, we will resemble you in that. If an Arab or North African wrong a Christian, what is his humility? Revenge. If a Christian wrong an Arab or North African, what should his sufferance be by Christian example? Why, revenge. The villany you teach me, I will execute, and it shall go hard but I will better the instruction. (Shylocks Monolog aktuell variiert)
Was am Kölner Hauptbahnhof in der Nacht vom 31.12.15 auf den 01.01.16 geschehen ist, wissen wir bis heute nicht genau. Die verlässlichsten Bilder, wenn Bilder denn verlässlich sein können, findet man mE bei RT (‘New dimension of crime’: Crowd of ‘Arab origin’ blamed for mass sexual assaults in Cologne on NYE) - immerhin alles in Anführungszeichen. Und da wird u.a. verlinkt auf Aufnahmen von Markus Böhm, dessen Seite (Top24News Portal) keine der massenhaften Dreckschleudern bei youtube usw. (So wütet der Sex-Mob!) ist, - weshalb ich seine Bilder hier zitiere:
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Relativ sachlich wird der Tathergang auf der Webseite der Kölner Polizei geschildert. Da heißt es ganz ohne ethnische Zuschreibung ...
Doch die mediale Aufarbeitung der Vorfälle geht in eine andere Richtung. Nicht Männergewalt, sondern Ausländerkriminalität steht im Mittelpunkt. "Plötzlich geht es, die Wahrheit auszusprechen", heißt es auf der rechten Webseite PI. Was die rechte Wahrheit ist, wird auch gleich deutlich gemacht. Dass mit den Flüchtlingen mehr Kriminalität ins Land komme und dass angeblich ausländische Straftäter eingedeutscht werden. Auf PI-News Wird nicht zufällig positiv auf die Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer bezug genommen, obwohl dortsonst auch immer gegen Genderpolitik mobilisiert wird. Doch beim Versuch, Gewalt gegen Frauen zu einem Ausländerthema zu machen; sind sich Emma und PI einig. "Das sind die Folgen einer falschen Toleranz", schreibt Alice Schwarzer. (Ist der Sexist immer der Moslem? Wie die patriarchalen Angriffe auf Frauen instrumentalisiert werden - Peter Nowak, tp 06.01.2016)
Dazu haben i.Ü. die Prinzessinnenreporter (Silvester in Köln – einige Anmerkungen) das Notwendige gesagt. Sascha Lobo legt nach (Übergriffe in Köln: Mob und Gegenmob - Als Antwort auf den Kölner Silvestermob ist eine Welle der Empörung im Netz losgebrochen. Dabei schert sich ein Großteil der Öffentlichkeit wenig um sexuelle Gewalt. Außer sie kommt von "nordafrikanisch oder arabisch aussehenden" Männern.)
Abrechnung mit den landläufigen Illusionen in der Flüchtlingskrise (Der Tahrir-Platz von Köln. Tomasz Konicz, tp 05.01.2016)
Es war die "dunkle Seite" der Massenproteste gegen das Mubarak-Regime in Ägypten: Hunderte von Frauen sind während der Proteste und Auseinandersetzungen auf dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo Opfer von Übergriffen und Vergewaltigungen von Banden junger Männer geworden, berichtete die Zeit im Juli 2013:
- Die Täter, die in Banden organisiert sind, gehen immer nach dem gleichen Muster vor. Sie umringen ihr Opfer, trennen es von seinen männlichen Begleitern, reißen der Frau die Kleider vom Leib und machen sich dann über sie her. Augenzeugen, die einschreiten wollen, werden zusammengeschlagen oder wüst beschimpft.
- Diese Vorfälle lassen nun sehr schnell eine Illusion verschwinden, die Illusion von der moralischen Überlegenheit der Opfer von Krieg und Vertreibung. Die Hölle aus Staatszerfall und Bürgerkrieg, der die Flüchtlinge entkommen sind, hat diese selbstverständlich geprägt, sie hat Spuren hinterlassen. Die Flucht aus dieser Anomie in die erodierenden Zentren des krisengeschüttelten kapitalistischen Weltsystems schaffen ohnehin nur die Stärksten: Die jungen Männer und diejenigen, die es sich noch leisten können, dies zu bezahlen.
Es fliehen traumatisierte - oder brutalisierte - Menschen, die selbstverständlich die Hölle, der sie entkommen sind, nicht einfach hinter sich lassen, sondern in sich mit tragen. Die Krisenideologie des Islamismus wirkt oftmals auch bei all jenen nach, die ihm zum entkommen trachten. Die Flüchtlinge haben ein Recht zur Flucht - nicht weil sie als Opfer bessere Menschen sind, sondern weil sie Menschen sind. Die Erwartung, Flüchtlinge aus den Zerfallsregionen der Peripherie, die es bis in die BRD schaffen, würden sich besonders gut betragen und ein vorbildliches staatsbürgerliches Verhalten an den Tag legen, ist entweder naiv oder rassistisch.
Angesicht der offensichtlich global auf allen Ebenen eskalierenden Krisendynamik, die eben solche Rackets und Banden hervorbringt, zerfällt auch eine weitere liberale Illusion. Die Illusion des "Wir schaffen es!" Hierunter ist im Kern die Integration der geflüchteten Menschen in die deutsche Arbeitsgesellschaft gemeint, ihre Verwertung in der deutschen Industrie, die Deutschland einen zweiten konjunkturellen Frühling verschaffen solle.
Vgl. Heitmeyer: Desintegrationstheorie – ein Erklärungsansatz. Die ungenügenden Integrationsleistungen einer modernen Gesellschaft
Vgl. auch Desintegration und Unruhezyklen
Ein vorläufiges Fazit: Es kann keiner ernsthaft behaupten, dass das, was als Integration bezeichnet bzw. eingefordert wird, konflikt- und gewaltfrei abgehen kann. Die Frage ist doch, wie eine Gesellschaft mit den auch gewaltförmigen Erscheinungsformen der unvermeidbaren Konflikte umgeht ...
Die aktuellen Wortkotzeauswürfe in den asoazialen Medien lassen nichts Gutes erhoffen ...
Die Schwundstufe von Demokratie und Politik, die wir gegenwärtig erleben, auch nicht ...
Update
- Drei Vorschläge, wie man über Köln reden kann; Yassin Musharbash (ZEIT-Blog 8. Januar 2016)
- Die Folgen von Köln für die Bürgerrechte. By John F. Nebel / Metronaut 09 Jan 2016
- Silvesternacht: Immer mehr Strafanzeigen - nicht nur in Köln; Florian Rötzer, tp 10.01.2016
- Geht es um eine neue, mit den Flüchtlingen einhergehende Dimension der (sexuellen) Gewalt oder um mehr Aufmerksamkeit, die von Köln ausgelöst wurde? Genau das ist zZ die Frage!
- ... Die Bild-Zeitung schiebt immer kräftig mit und heizt mit der Überschrift "Sex-Mobs in ganz Europa" die Stimmung auf, als würde nun ganz Europa plötzlich und erstmalig von sexbessesenen Gewalttätern heimgesucht, die mit der Flüchtlingswelle aus den muslimischen Ländern eingewandert sind. Ganz Europa besteht aus dabei aus Österreich, Schweden und Finnland. Der Focus brachte einen Titel mit einer nackten Frau, auf deren Körper die schwarzen Spuren von Händen zu sehen sind, die sie angelangt haben sollen. Plumper kann man Rassismus bzw. das Schüren von Rassismus kaum machen...
Man muss allerdings der Bild-Zeitung, so sehr sie auch Emotionen schürt, zugestehen, dass sie auch andere Informationen wie diese veröffentlicht: "Laut Statistik des Bundeskriminalamts ist die Zahl der polizeilich erfassten Vergewaltigungen und schweren sexuellen Nötigungen mit etwa 8000 pro Jahr seit 15 Jahren etwa gleich hoch. Die Täter sind vor allem Verwandte und Bekannte. Drei von zehn Tatverdächtigen bei Vergewaltigung und sexueller Nötigung sind laut BKA nicht deutsch. Unter ihnen stellen türkische Staatsangehörige mit 24,9 Prozent die größte Gruppe. 11,4 Prozent der ausländischen Tatverdächtigen sind Asylbewerber."
gebattmer - 2016/01/06 20:56
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