Die anomische Herrschaft der Rackets und der verwilderte Leviathan (XXVIII): Hadschi Wilhelm el-Almani und die Awacs-Aufklärer in der Türkei - Auslandseinsatz ohne Bundestagsabstimmung - Risiko
Die Bundeswehr richtet sich im Zuge des Syrien-Konflikts auf einen weiteren Auslandseinsatz deutscher Soldaten ein. Zur Unterstützung der Türkei verlegt die Nato vorübergehend mehrere Awacs-Aufklärungsflugzeuge vom nordrhein-westfälischen Geilenkirchen auf den türkischen Einsatzflugplatz Konya, wie aus einem Informationsschreiben der Bundesregierung an die zuständigen Bundestagsausschüsse hervorgeht ...
Dem Sprecher zufolge ist kein Bundestagsmandat für den Einsatz notwendig, da die in türkischem Luftraum fliegenden Militärmaschinen nur zur Erstellung des Luftlagebilds beitragen sollen. Außerdem sei derzeit kein Einsatz von Waffengewalt zu erwarten. Zur Begründung heißt es in dem Schreiben des Auswärtigen Amts und des Verteidigungsministeriums an die Abgeordneten mit Datum vom 18. Dezember, die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) habe keine eigenen Luftstreitkräfte - und das syrische Regime werde voraussichtlich keine eigenen Militärflugzeuge gegen die Türkei einsetzen.... (FAZ, 27.12.2015)
Das nenne ich mal eine saubere Lageanalyse: das syrische Regime werde voraussichtlich keine eigenen Militärflugzeuge gegen die Türkei einsetzen ... Wieso übrigens keine eigenen? Welche kommen sonst in Frage: Geleaste, russische? Oder ihre Aérospatiale SA 342 „Gazelle“-Kampfhubschrauber aus Frankreich?? - Aber das wären ja eigene, gehen wir mal davon aus, dass sie inzwischen bezahlt sind ...
Mit der Behauptung, das syrische Regime werde voraussichtlich keine eigenen Militärflugzeuge gegen die Türkei einsetzen will man das Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Mai 2008 aushebeln – 2 BvE 1/03 – (was jetzt auch dem Lammert aufgefallen ist!):
- Für den Einsatz deutscher Soldaten in AWACS-Flugzeugen der NATO zur Luftraumüberwachung über dem Hoheitsgebiet der Türkei im Frühjahr 2003 hätte die Bundesregierung die Zustimmung des Deutschen Bundestags einholen müssen. Dies entschied der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Urteil vom 7. Mai 2008. Der wehrverfassungsrechtliche Parlamentsvorbehalt für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte greift ein, wenn nach dem jeweiligen Einsatzzusammenhang und den einzelnen rechtlichen und tatsächlichen Umständen die Einbeziehung deutscher Soldaten in bewaffnete Auseinandersetzungen konkret zu erwarten ist. Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Mit der Luftraumüberwachung der Türkei in AWACS- Flugzeugen der NATO haben sich deutsche Soldaten an einem Militäreinsatz beteiligt, bei dem greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine drohende Verstrickung in bewaffnete Auseinandersetzungen bestanden.
(Zum Sachverhalt vgl. Pressemitteilung Nr. 4 vom 21. Januar 2008, vgl. auch Political Education: Il y a des juges III)
Freispruch des Bundeswehrmajors Florian Pfaff vom Vorwurf der Gehorsamsverweigerung. Soweit bekannt, handelt es sich bei Pfaff um den einzigen deutschen Soldaten, der den Mut hatte, sich Befehlen zu widersetzen, die ihn wissentlich an dem von den USA und Großbritannien angezettelten Angriffskrieg gegen den Irak beteiligt hätten.
- Der Soldat musste nicht damit rechnen, dass die an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) und damit auch an das geltende Völkerrecht gebundene Regierung der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit einem Krieg, gegen den gravierende völkerrechtliche Bedenken bestehen, militärische Unterstützungsleistungen zugunsten der USA und ihrer Verbündeten beschließen und erbringen würde, und dass in diesem Kontext des Irak-Krieges die nicht auszuschließende Möglichkeit bestand, dass er mit seiner konkreten dienstlichen Tätigkeit in solche Unterstützungshandlungen verstrickt würde. ... Auf dieser Grundlage formulierte der Soldat für sich die Schlussfolgerung, er sei ›nicht nur rechtlich, sondern auch moralisch verpflichtet, nach Kräften passiv und aktiv für die Wiederherstellung des Rechts und eine Beendigung der Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der mörderischen Besetzung des Irak durch die USA (und andere) einzutreten‹. Der daraus resultierende Gewissenskonflikt ist in sich schlüssig und damit nachvollziehbar. ... Der Soldat hat hier die ihm erteilten beiden Befehle nicht ausgeführt, die er aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht auszuführen brauchte, weil er aufgrund der Schutzwirkung des Grundrechts der Freiheit des Gewissens (Art. 4 Abs. 1 GG) einen Anspruch darauf hatte, dass ihm durch seine zuständigen Vorgesetzten eine gewissenschonende Handlungsalternative zur Verfügung gestellt wird. ... Sein Verhalten lässt im Übrigen keinerlei Rückschlüsse auf ein mangelhaftes und unzureichendes Pflichtenverständnis oder auf eine fehlende Gesetzes- und Rechtstreue zu. (Il y a des juges à Leipzig)
Die Formulierung muss man sich auf der Zunge oder sonstwo zergehen lassen:
Der Soldat musste nicht damit rechnen, dass die an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) und damit auch an das geltende Völkerrecht gebundene Regierung der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit einem Krieg, gegen den gravierende völkerrechtliche Bedenken bestehen, militärische Unterstützungsleistungen zugunsten der USA und ihrer Verbündeten beschließen und erbringen würde, und dass in diesem Kontext des Irak-Krieges die nicht auszuschließende Möglichkeit bestand, dass er mit seiner konkreten dienstlichen Tätigkeit in solche Unterstützungshandlungen verstrickt würde.
Wenn ich das richtig sehe, soll der Einsatz der deutschen Hightech-Flieger (auch so ein SPIEGEL-Online-Heeresberichterstattungs-Euphemismus) einen Beitrag zur Sicherung der türkischen Südgrenze leisten ... - denn im Nachbarland Syrien wird weiter heftig gekämpft. "Die Türkei befindet sich an ihrer südöstlichen Flanke in einem Krisengebiet", so die Bundesregierung. Mit anderen Worten: Mit der Luftraumüberwachung der Türkei in AWACS- Flugzeugen der NATO werden deutsche Soldaten an einem Militäreinsatz beteiligt, bei dem greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine drohende Verstrickung in bewaffnete Auseinandersetzungen bestehen (s.o. BVerfG).
Oder?? Warum sonst Sicherung der türkischen Südgrenze??
Also sehr windig die Argumentation-mag-ich-das nicht-nennen: die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) habe keine eigenen Luftstreitkräfte - und das syrische Regime werde voraussichtlich keine eigenen Militärflugzeuge gegen die Türkei einsetzen....
Darüber hinaus stellt sich - mit Bezug zum zitierten Urteil des BVerwG - die Frage, wie die von der Bundesregierung zur Begründung des Einsatzes herangezogenen Kämpfe im Nachbarland Syrien völkerrechtlich zu bewerten sind. Es dürfte immerhin nicht zu leugnen sein, dass gegen die Luftangriffe in Syrien durch US-amerikanische Streitkräfte unter Beteiligung einiger arabischer Staaten - erstmals in der Nacht zum 23. September 2014 und mittlerweile auch durch französische russische Luftstreitkräfte und solche der sog. islamischen Allianz gegen Terror - gravierende völkerrechtliche Bedenken bestehen; - vgl. z. B. Militäraktion gegen ISIS: ein Präzedenzfall für eine Aufweichung des völkerrechtlichen Gewaltverbots? Mehrdad Payandeh (Verfassungsblog, 24 Sep 2014)
Wenn ich die Urteile des BVerfG und des BVerwG richtig verstehe, kann man doch nur jedem Soldaten raten, die ihm erteilten Befehle nicht auszuführen, die er aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht auszuführen braucht, weil er aufgrund der Schutzwirkung des Grundrechts der Freiheit des Gewissens (Art. 4 Abs. 1 GG) einen Anspruch darauf hat, dass ihm durch seine zuständigen Vorgesetzten eine gewissenschonende Handlungsalternative zur Verfügung gestellt wird.
Sonst geht es ihm noch so wie Hauptmann Keller in Aufruhr in Damaskus (Deutschland 1939)
- Im deutschen Hauptquartier in Damaskus (!) gelingt es Keller trotz anfänglicher Schwierigkeiten,
nicht nur Munition, sondern auch Lebensmittel für die Truppe im Fort zu beschaffen. Mit dem
Nachschub kehren er und seine Männer zurück in die Wüste.
Keller und die Seinen geben nicht auf, denn der Krieg, so die nationalsozialistische
Ideologie, dauert an. Für die Erneuerung und Wiedergeburt des deutschen Volkes.
Aufruhr in Damaskus hat ein offenes Ende. In der Logik des Films geht
es um die Notwendigkeit, weiter zu kämpfen.
(Der globale Krieg. Der Erste Weltkrieg und das Kino - Aufruhr in Damaskus -
Filmeinführung vov Irit Neidhardt)
Damaskus, Aleppo : Von welchem Kriegsschauplatz auch die Rede ist: Deutsche Soldaten waren schon mal da!
Wenn Sie in den Film mal reinschauen wollen, empfehle ich diesen upload; - es gibt noch einen anderen aus dem braunen Sumpf, der meint: Dieser Film dient nicht der politischen Manipulation, sondern vielmehr der unverfälschten, objektiveren und unzensierten Geschichtserforschung. Das gesunde Auseinandersetzen mit der Geschichte kann zwar emotionale Spannungen erzeugen, löst aber vielmehr innere Blockaden.
... Denkbrühe, Phrasenauswurf und Wortkotze, syntaktisch hemmungslos und mit schwach verankerten Sinngeländern.
Bezeichnend, dass einer gesunde, unverfälschte, objektivere und unzensierte Geschichtserforschung betreibt mit einem Film, in dem gar nichts stimmt:
Statt im titelgebenden Damaskus mit seinem architektonisch einzigartigen Zentrum spielen die Stadtszenen von Aufruhr in Damaskus in der Medina des libyschen Tripolis mit ihrer typisch maurischen Bauweise. Die Kleidung der Araber im Film ist nordafrikanisch und ähnelt der d er Levante kaum. Die Entfernung zwischen Damaskus und Tripolis ist nur unwesentlich geringer als die zwischen Damaskus und Berlin. Das wenige Arabisch, das im Film gesprochen wird, hat den falschen Dialekt und führt zuweilen inhaltlich in die Irre. (s.o. Neidhard)
Ich bin übrigens immer noch bei der Lektüre von Steffen Kopetzkys Risiko. Teilweise etwas zu sehr kunsthandwerklich angelegt, aber schöne Figurenzeichnungen und eben historische Aufklärung: also sehr zu empfehlen.
- Hadschi Wilhelm el-Almani hatte auf seiner geheim durchgeführten Wallfahrt gen Mekka geschworen, der starke Beschützer aller dreihundert Millionen Moslems zu sein und zusammen mit seinem Bruder Sultan Mehmed Resat, dem wahren Kalifen, die ungläubigen Imperialisten aus den Ländern der Gläubigen zu vertreiben. Jeder Mann, der sich zum Propheten Mohammed bekenne, solle zu den Waffen greifen und in den Dschihad ziehen, den der Kalif befohlen habe ...
Vgl. auch Roberto Bolaño: Das Dritte Reich Vom Kriegsspiel in die Wirklichkeit ist es nur ein kleiner Schritt (FAZ)
+ Bücher sind Wege, die nirgendwohin führen, auf die man sich aber dennoch begeben muss ...
+ Risiko Evolution: Postapokalypse
Soweit erstmal zu westlichen Werten und aufgeklärtem Denken.
For more information please reread.
gebattmer - 2016/01/07 17:52
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