Leitkulturen: Fleischburka vs. Burkini
To cover or uncover? Women in France are having their liberties stripped in the name of freedom, while others in the name of religion[??]
Khartoon by KhalidAlbaih (Facebook)
via the fevered imagination of exilestreet
Ein scharfer Denker, der Präsident des päpstlichen Kulturrats im Vatikan, Kardinal Gianfranco Ravasi äußerte sich vor einiger Zeit zu dem Konflikt [ich zitiere hier einen Beitrag von 2015-02-04]
- Mit Aussagen über die Legitimität von Schönheitsoperationen hat (er) ... aufhorchen lassen: Es sei "beeindruckend, wie die Schönheits-Operationen zunehmen, um einem äußerlichen Modell zu ähneln", äußerte sich Ravasi bei der Vorstellung des Tagungsprogramms zur am Mittwoch beginnenden Vollversammlung des päpstlichen Rats. "Es ist, als ob Frauen dazu verpflichtet seien, einem Rollenbild der Werbung zu entsprechen", legte der Kurienkardinal am Dienstag in einem Interview mit Radio Vatikan nach. Gleichzeitig sprach er von einer "Diktatur der Ästhetik".
Ähnlich kritisch liest sich auch das Arbeitspapier zur Vollversammlung, die von 4. bis 7. Februar im Vatikan die "Kultur der Frau" thematisiert: Für die Ergebnisse plastischer Chirurgie wird darin der Ausdruck "Fleischburka" verwendet, solang es Frauen nur darum gehe, sich den äußerlichen Normen der Konsumgesellschaft anzupassen.
Des Kardinals Wortschöpfung "Fleischburka" schien mir - und erscheint mir immer noch - treffend, insofern er sich auf zweifelsfrei widerwärtige Erscheinungsformen dessen bezieht, was er Konsumgesellschaft nennt.
Andrea Roedig kann das allerdings präziser beschreiben [ich zitiere hier einen Beitrag von 2016-06-16]
- Vorbemerkung: Die Zugriffsstatistiken zeigen Dir wie oft die Top 25 Beiträge in Deinem Weblog abgerufen wurden:
Meistgelesene Beiträge
1. 30788 23.05.08 Scham heute III - WEIBLICHER KöRPER
- ein Beitrag, der eigentlich nur aus einem längeren Zitat aus diesem Text bestand (nebst einigen Bildern sowie Links zur Scham(losigkeit)):
Andrea Roedig - Der Himmel ist Phantasie, die Erde Fiktion und im Keller waltet das Reale: Charlotte Roches "Feuchtgebiete", die Tochter von Josef F. und die neuen Louis-Vuitton-Handtaschen (FREITAG, 23.05.2008)
Im FREITAG (Ausgabe 24/16) schreibt Andrea Roedig ihre Suche nach dem Charakteristikum des weiblichen Körpers zu Beginn des 21. Jahrhunderts fort:
Das neue Regime - Welche Geschichte wird eigentlich in der Debatte um die mutmaßliche Vergewaltigung Gina-Lisa Lohfinks erzählt?
Ich vesuche es noch einmal mit einem Impulszitat:
Kreislauf der Erregung
Etwas abseits des Offensichtlichen erscheint der Fall als Paradebeispiel jener Gesellschaftsbeschreibung, die Paul B. Preciado in dem kürzlich auf Deutsch erschienenen Buch Testo Junkie gibt. Die These des Buches lautet, kurz gefasst, dass wir seit Mitte des 20. Jahrhunderts einem „pharmapornografischen Regime“ unterworfen seien, das die Körper durch und durch reguliere. Preciado wehrt sich gegen die derzeit gängigen soziologischen Analysen, die von „postmateriellem Kapitalismus“, von „immaterieller Arbeit“ oder auch von „Feminisierung der Arbeit“ sprechen. Sie alle, so meint Preciado, drückten sich um „den feuchten Kern“ der Wahrheit herum, dass der postfordistische Kapitalismus wesentlich auf Produktivmachung und Ausbeutung unserer Genussfähigkeit ziele, also auf Erregung beziehungsweise den ewigen Sucht-Kreislauf von Erregung-Frustration-Erregung. Pharmapornografisch nennt Preciado dieses System, weil pharmazeutisch-synthetische Stoffe und die intendierte Lustproduktion die Gesellschaft wie zwei Tentakel im Griff hätten. In dem den Körper durchdringenden Biokapitalismus wird alles zum Artefakt. Von der Botox-Behandlung bis zur Reproduktionsmedizin ist nichts mehr natürlich...
Sex, Drugs, and Biopolitics in the Pharmacopornographic Era: Meet the 'Testo Junkie' Who Hacks Her Gender with Testosterone (vice August 5, 2014)
Vielleicht reicht das ja wieder, um 30788 Klicks zu kriegen.
Und vielleicht gibt es ja auch einen Zusammenhang zur politisch enthemmten Mitte.
Roedig gibt da einen Hinweis:
- Die eigentliche Frage aber ist: Wieso dachten Sebastian C. und Pardis F. mit ihren Fliegenhirnen, dass sie viel Geld bekommen können für ein Video, das zeigt, wie sie eine ausgeknockte Gina-Lisa Lohfink vergewaltigen? Dieser Porno als Reality-TV bestätigt die alte These, dass sexuelle Gewalt nicht Befriedigung sexueller Triebe will, sondern Macht. Die Gina-Lisa-Subversionspower funktioniert, aber sie provoziert auch Gewalt und die verfickte männliche Freude darüber, eine Frau zu „schänden“, weil es offenbar nicht zu ertragen ist, Frauen nicht zu besitzen...
Was hat das nun mit dem Burkini-Verbot in französischen Badeorten zu tun?
Wer auf sozialen Netzwerken Bilder von Polizeiaktionen gegen Burkini-Trägerinnen teilt, wird verklagt (netzpolitik.org)
Wenn an der These vom „feuchten Kern“ etwas dran ist, könnte man ja schon mutmaßen, dass dem im Kreislauf der Erregung soziailisierten Mann wie der der "Diktatur der Ästhetik" unterworfenen Frau an der Frau im Burkini stört, dass die sich dem Kreislauf entzieht. Sie signalisiert, dass sie nicht besessen werden will, - jedenfalls nicht von dem geilen Blick auf die am Strand (oder auf den Covers der Magazine an den Kiosken) ausgestellten "Fleischburkas" ...
Nun kann man das nochmal drehen: Sie signalisiert das, weil sie bereits besessen wird /ist ... Oder gibt es auch selbstbestimmte Burkini-Trägerinnen? - Die Unterschiede auszumachen, wäre ein interessantes Vorhaben.
Vgl. dazu Daniela Dahn: Der Vollschleier ist kein religiöses Symbol, sondern mehr ein Zeichen für den Missbrauch der Religion (FREITAG, Ausgabe 2814)
Insofern ist dieses Photo (via the fevered imagination of exilestreet - bei Facebook nicht mehr zu sehen) vielleicht daneben, aber es stellt doch noch einmal die Machtfrage:
Dieses auch: Just some nuns at a beach at france - via fefe
Und dieses auch: Transsexualität - Früher war die Türkei das liberalste islamische Land. Heute werden immer wieder Aktivisten ermordet
Wir waren schon mal weiter:
gebattmer - 2016/08/25 19:49
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