Deutsche Leitkultur (III): Mit deutscher Musik in einem tieferen Sinne Deutscher sein - Sir Simon Rattle braucht einen Eimer
Gremliza nimmt sich in seinem aktuellen express (Konkret 09/2016) den Tilman Krause, Leitender Feuilletonredakteur der WELT, vor:
Deutsch werden und sein – das ist harte Arbeit! (Die WELT, 30.07.16 - Sie müssen das jetzt nicht lesen, lieber den Gremliza!)
Ein Auszug reicht:
Ästhetische Auratisierung des Liebestods vs. Absurdität des anonymen Massentods, der zum Signum der gesellschaftlichen Moderne im 20. Jahrhundert geworden ist
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Auf der Suche danach, was eine intensivere, gefühlvollere Bindung an das eigene Volk ermöglicht, als es als nur "Verfassungspatriotismus" könne (weil es ja durchaus legitim sei, wenn identitäre Bewegungen inzwischen in allen Ländern Europas einklagen, dass die Liebesgeschichte, die die meisten von uns mit ihrer Nation haben (und die auch den Hass umfassen kann), ausgelebt, will sagen gefeiert werden darf.), entscheidet sich der Leitende Feuilletonredakteur für die ästhetische Auratisierung des Liebestods und landet im romantisch-deutsch-nationalen Geschwurbel einer bestimmten Gefühlskultur, für die man empfänglich sein muss, um Deutscher sein zu können: Seelenwunder voll Faszination und Verführung
So Xavier-Naidoo-mäßig! ... Fefe meldet: Schusswechsel zwischen Polizisten und Reichsbürgern, Verletzte auf beiden Seiten.
via If Charlie Parker Was a Gunslinger ...
Die GBlogSuche nach »Leitkultur« hat Resultate geliefert.
Deutsch werden und sein – das ist harte Arbeit! (Die WELT, 30.07.16 - Sie müssen das jetzt nicht lesen, lieber den Gremliza!)
Ein Auszug reicht:
- ... Wir selbst mögen unsere Literatur, heute speziell die der klassischen Moderne, für die Namen wie Thomas Mann oder Franz Kafka stehen, in ihrer existenziellen Dringlichkeit für wichtiger halten. Aber assoziiert werden wir nun mal vor allem mit musikalischen Hervorbringungen, und auch das nicht so sehr ihrer Qualität wegen, die ohnehin umstritten ist und auch Konjunkturen unterliegt.
Nein, was die deutsche Musik so einzigartig macht, ist eine bestimmte Gefühlskultur, die in ihr zum Ausdruck kommt. Und wer mit der nichts anfangen kann, wer für sie unempfänglich ist, der sollte sich in der Tat mal fragen, ob er wirklich in einem tieferen Sinne Deutscher ist.
Es gibt, beginnend mit Mozart und auslaufend in den Spätromantikern, in der deutschen Musik ein rauschhaftes Schwelgen in großen Gefühlen, von der tiefen Verzweiflung bis zum höchsten Jubel, das in dieser Amplitude nirgendwo sonst vorkommt..
- Musik von Richard Wagner kann nach Ansicht des britischen Dirigenten Sir Simon Rattle zur Gefahr werden. "Wagners "Tristan" kann einen wahnsinnig machen", sagte der Chef der Berliner Philharmoniker dem Magazin der "Süddeutschen Zeitung". "Die narkotische Musik kann zur Obsession werden."
"Als ich meinen ersten "Tristan" dirigiert habe, stand ein Eimer neben mir, damit ich mich jederzeit übergeben konnte, so schlecht und schwindelig war mir", verriet Rattle. Wenn er über einen längeren Zeitraum Wagner probe, wache er nachts auf und spüre, wie die Musik in ihm arbeite. Sie habe ihn im Griff und sauge ihn wie ein Parasit aus, sagte der 61-Jährige, der im Herbst 2017 Chefdirigent des London Symphony Orchestra wird.
- ...wenn man Platens Gedicht mit dem bezeichnenden Titel «Tristan» wieder liest, dessen Anfangszeilen sich Generationen von Lyrikliebhabern eingeprägt haben:
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen, Ist dem Tode schon anheimgegeben
Thomas Mann hat diese Verse als «platonisches und rauschvoll musikalisches Seelenwunder voll Faszination und Verführung» charakterisiert. Kaum verwunderlich, dass sich der Verfasser des «Zauberbergs» in dieser romantisierenden Konjunktion von Liebe und Tod wiedergefunden hat. «Platen - Tristan», diese zutiefst Wagner'sche Gleichung Thomas Manns hat jedoch vor der Geschichte nicht standgehalten. Der Verklärung des Liebestods steht bei Heine die so viel nüchternere Sicht auf die Sinnlosigkeit des Massensterbens in der Moderne gegenüber, die er in den «Pariser Zuständen» anlässlich der Choleraepidemie des Jahres 1832 evoziert: «Man kann an den Sterbebetten das Sterben lernen und nachher mit heiterer Ruhe den Tod erwarten; aber das Begrabenwerden unter die Choleraleichen, in die Kalkgräber, das kann man nicht lernen.» Mit dieser Radikalität konnte nur der jüdische Aussenseiter in seinem Pariser Exil die Absurdität des anonymen Massentods wahrnehmen, der zum Signum der gesellschaftlichen Moderne im 20. Jahrhundert geworden ist, und damit eine Gegenposition formulieren zu der ästhetischen Auratisierung des Liebestods, deren deutsche Tradition von der schwarzen Romantik bis zu Thomas Mann und darüber hinaus reicht. (Der Streit zwischen August Graf von Platen und Heinrich Heine, NZZ 6.7.2002)
Ästhetische Auratisierung des Liebestods vs. Absurdität des anonymen Massentods, der zum Signum der gesellschaftlichen Moderne im 20. Jahrhundert geworden ist
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Auf der Suche danach, was eine intensivere, gefühlvollere Bindung an das eigene Volk ermöglicht, als es als nur "Verfassungspatriotismus" könne (weil es ja durchaus legitim sei, wenn identitäre Bewegungen inzwischen in allen Ländern Europas einklagen, dass die Liebesgeschichte, die die meisten von uns mit ihrer Nation haben (und die auch den Hass umfassen kann), ausgelebt, will sagen gefeiert werden darf.), entscheidet sich der Leitende Feuilletonredakteur für die ästhetische Auratisierung des Liebestods und landet im romantisch-deutsch-nationalen Geschwurbel einer bestimmten Gefühlskultur, für die man empfänglich sein muss, um Deutscher sein zu können: Seelenwunder voll Faszination und Verführung
So Xavier-Naidoo-mäßig! ... Fefe meldet: Schusswechsel zwischen Polizisten und Reichsbürgern, Verletzte auf beiden Seiten.
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gebattmer - 2016/08/26 17:29
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