Archäologie (DLXXIX) : Bernard de Mandeville: Die Bienenfabel. Oder: Wie Reichtum und Armut zusammenhängen. Oder auch: »Die Utopie ist obsolet geworden, aber sie ist die einzige Tugend, die uns bleibt.«
Rudolf Walther erinnert (OXI Begriff des Tages, 09.02.2017) an Bernard Mandeville (1670–1733):
Der Autor der 300 Jahre alten »Bienenfabel« beeindruckte Karl Marx und Friedrich August von Hayek. Warum seine Beobachtungen noch immer aktuell sind.
- "Das einzige also, was den arbeitenden Mann fleißig machen kann, ist ein mäßiger Arbeitslohn. Ein zu geringer macht ihn je nach seinem Temperament kleinmütig oder verzweifelt, ein zu großer frech und faul." - The Fable of the Bees, 5. Auflage (1728), S. 213
"Um die Gesellschaft (die natürlich aus den Nichtarbeitern besteht) glücklich und das Volk selbst in kümmerlichsten Zuständen zufrieden zu machen, ist es nötig, daß die große Mehrheit sowohl unwissend als arm bleibt. Kenntnisse erweitern und vervielfachen unsere Bedürfnisse, und je weniger ein Mann bedarf, desto leichter können seine Notwendigkeiten befriedigt werden." - The Fable of the Bees, 5. Auflage (1728), S. 328
Überleitung:
»Es ist doch süß, sich Staatsverfassungen auszudenken, die den Forderungen der Vernunft … entsprechen; aber vermessen, sie vorzuschlagen, und strafbar, das Volk zur Abschaffung der jetzt bestehenden aufzuwiegeln.« (I. Kant, Streit der Fakultäten, 2. Abs. 9, Anm.)
- Der Utopie-Begriff des Thomas Morus ist nicht getragen von dem Gedanken an das, was künftig machbar wäre und wünschenswert. Er wird vielmehr bestimmt von dem, was notwendig ist, um Zukunft überhaupt zu garantieren. »Utopia« ist kein Fortschritt in die Zukunft, sondern ein Rücktritt von einem Denken, das die Zukunft in Frage stellt...
Der von Morus definierte Inbegriff von Utopie zeigt Traditionslinien, die weit zurückreichen, bis hinein in die alttestamentliche Prophetie und die neutestamentliche Predigt von der Metanoia, von der Umkehr. Doch nicht schon das bloße Modell einer Stadt, eines Staates ist Utopie in des Wortes Bedeutung. Der Staatsroman als solcher muß nicht utopisch sein, auch wenn er sich durchweg an Idealem orientiert. Utopien beschreiben nicht das Ideale, sie modellieren Antithesen, die den Ausweg suchen.
»Utopia« sieht nur einen Ausweg: das Ganze eines Staates muß verändert werden, und schon das Denken selbst bedarf der radikalen Korrektur...
Fazit: Wer heute überhaupt noch von Utopie sprechen will, der muß sich fragen lassen, mit wem er es zu halten bereit und in der Lage ist. Und wer sich politisch bis zu Morus zurück – bzw. heraufarbeiten will, der muß damit rechnen, daß er sich im Sinne Kants strafbar macht. Aber ein anderer Utopie-Begriff als der in »Utopia« zur Welt gekommene macht heute ohnehin keinen Sinn mehr, er wäre, um Hacks das letzte Wort zu lassen, nichts als peinlich...
(Utopie – Verständnis und Mißverständnis einer verbogenen Kategorie. Dieter Kraft in: Utopie Magazin fuer Sinn & Verstand)
gebattmer - 2017/02/09 18:45
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