Re: Die anomische Herrschaft der Rackets und der verwilderte Leviathan - Staatsattrappen, Rackets, Regime und Badass Jihadis (XXXIV) / Cold Turkey (II) : Lücken in der Berichterstattung zum Fall Ypsilon/Deniz Yücel
Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert - am 17.02.2017 - die türkischen Behörden auf, den deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel sofort einem Untersuchungsrichter vorzuführen. Der Türkei-Korrespondent der Welt befindet sich nach Angaben des Verlags in Polizeigewahrsam. Yücel wurde im Zusammenhang mit Berichten über eine Hacker-Attacke auf das E-Mail-Konto des türkischen Energieministers gesucht. Die Behörden werfen ihm unter anderem Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Terrorpropaganda vor. Yücel habe sich am Dienstag in das Polizeipräsidium in Istanbul begeben, um sich Fragen der Ermittler zu stellen, berichtet die Welt online.
Soeben (20. Februar 2017, 17:04 Uhr) berichtet die Süddeutsche Zeitung: Deniz Yücel bleibt in Polizeigewahrsam
Interessant ist, was die Süddeutsche nicht berichtet, wohl aber die FAZ: Bei der Verhaftung des Korrespondenten Deniz Yücel geht es nicht nur um Journalismus. Auch auf politischer Ebene steht Einiges auf dem Spiel im Verhältnis zwischen der Türkei und Deutschland. (20.02.2017, von Michael Martens, Athen/Istanbul), - nämlich von wo aus sich Yücel, von dem es offenbar seit dem 25.12.2016 keinen Artikel und keinen Tweet mehr gab (!), am Dienstag in das Polizeipräsidium in Istanbul begeben hat:
- Soweit bisher bekannt, hat Yücel am oder bald nach dem 25. Dezember vergangenen Jahres auf dem Gelände der Kulturakademie in Tarabya Zuflucht gesucht und gefunden. Die Akademie liegt auf dem Gelände der Sommerresidenz des deutschen Botschafters in Istanbul. Dort war Yücel vor dem Zugriff der türkischen Behörden sicher – und gefangen.
Wer sich nach ihm erkundigte, bekam über Umwege aus dem Hause Springer sinngemäß zu hören, dass man über seinen Fall bitte keinesfalls berichten solle, um die Suche nach einer Lösung nicht zu gefährden. Selbstverständlich haben sich alle Informierten daran gehalten. Da alle Journalisten in der Türkei mit guten Gründen vermuten, dass sie abgehört werden, wurden Gespräche über den Fall stets nur in Umschreibungen geführt, sobald mindestens einer der Beteiligten über eine türkische Leitung sprach. Yücels Name wurde nicht genannt, es war stattdessen nur von „der Angelegenheit“ oder „dem Fall Ypsilon“ die Rede.
Eingeweihte verstanden aber durchaus, was Angela Merkel meinte, als sie unlängst bei ihrem Besuch in Ankara sagte, sie habe mit Erdogan „sehr ausführlich“ gesprochen über Pressefreiheit, die Akkreditierung deutscher Journalisten und „verschiedene Fälle, wo wir uns auch durchaus Sorgen machen“. Die größte Sorge war der Fall Ypsilon... Ankara behauptet, es sei völkerrechtlich unzulässig, dass sich ein türkischer Staatsbürger dem Zugriff der einheimischen Justiz entziehe, indem er sich auf das Gelände einer Botschaft flüchte.
...
„Uns ist bekannt, dass sich der Türkei-Korrespondent der ‚Welt‘, Deniz Yücel, seit Dienstag wegen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens in Istanbul in Polizeigewahrsam befindet“, teilte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Freitag vergangener Woche in Berlin mit.
Ich hätte gerne eine Antwort auf die Frage, ob er freiwillig gegangen ist, um sich Fragen der Ermittler zu stellen (WELT) - die türkische Staatsanwaltschaft verdächtigt ihn offenbar, „Mitglied einer Terrorbande“ zu sein und „Terrorpropaganda“ sowie „Datenmissbrauch“ betrieben zu haben (FAZ) - und wie die Regierung der Bundesrepublik Deutschland vorher ihren Staatsbürger gegen Ankaras Behauptung, es sei völkerrechtlich unzulässig, dass sich ein türkischer Staatsbürger dem Zugriff der einheimischen Justiz entziehe, indem er sich auf das Gelände einer Botschaft flüchte, diplomatisch in Schutz genommen hat.
Ich halte es nicht für eine VT, wenn ich davon ausgehe, dass im Hause Springer in einer so wichtigen Angelegenheit nichts rausgeht, das nicht mit der Kanzlerin abgesprochen ist:
- „Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt sagte: „Unser Korrespondent Deniz Yücel leistet exzellente Arbeit. Die türkische Regierung weist immer wieder darauf hin, dass die Türkei ein Rechtsstaat ist. Darum vertrauen wir darauf, dass ein faires Verfahren seine Unschuld ergeben wird.“
Poschardt appellierte zudem an die türkischen Behörden, keine Untersuchungshaft für seinen Korrespondenten zu verhängen. „Deniz Yücel hat seine Bereitschaft gezeigt, an einem rechtsstaatlichen Verfahren mitzuwirken. Das und die Würdigung der Pressefreiheit, wie sie in der türkischen Verfassung festgeschrieben ist, sollten in die Entscheidung einfließen.“
Die anomische Herrschaft der Rackets und der verwilderte Leviathan - Staatsattrappen, Rackets, Regime und Badass Jihadis (XXXIV): Der Putsch. Cold Turkey.
gebattmer - 2017/02/20 18:55
Trackback URL:
https://gebattmer.twoday.net/stories/1022607365/modTrackback