Re: Individuelle Macht und kapitalistische Produktion: Piech / Volkswagen (II) - "VW-Patriarch Piëch verkauft Großteil seiner VW-Anteile"
So (ManagerMagazin von heute) vermeldet der hiesige Qualitätsjournalismus - freilich nicht ganz zutreffend (VW-Anteile hat der nicht!) - den jetzt offenbar vollzogenen "Deal" (the realDonald), ohne - wenigstens in einem eingeschobenen Kasten - mal die Frage zu stellen und zu beantworten - woher der "Patriarch" eigentlich die Anteile im Wert von über einer Milliarde Euro eigentlich hat.
1949 übergab die britische Militärregierung das Unternehmen in die Treuhandschaft des Landes Niedersachsen; verbunden mit der Auflage, die Eigentümerrechte gemeinsam mit dem Bund auszuüben und den anderen Bundesländern sowie den Gewerkschaften großen Einfluss einzuräumen. Das Unternehmen wurde von da an als Volkswagenwerk G.m.b.H. geführt.
Bzw. so:
Der Deutsche Bundestag beschloss am 17. März 1960, das in staatlicher Hand befindliche Unternehmen überwiegend zu privatisieren. Die Volkswagenwerk G.m.b.H. wurde in der Folge am 22. August 1960 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, teilprivatisiert und hieß nunmehr „Volkswagenwerk Aktiengesellschaft“. 60 Prozent des VW-Stammkapitals wurden in Form von sogenannten Volksaktien im Gesamtnennwert von 360 Millionen DM an Privatpersonen ausgegeben mit einem Erlös von umgerechnet circa 500 Millionen Euro. Je 20 Prozent der Anteile behielten die Bundesrepublik Deutschland und das Land Niedersachsen. Mit dem Verkaufserlös und den Gewinnansprüchen aus den verbliebenen 40 Prozent Aktien der öffentlichen Hand wurde nach langjährigem Tauziehen zwischen Bund und Niedersachsen 1961 zur Förderung der Wissenschaft die Stiftung Volkswagenwerk als gemeinnützige Stiftung bürgerlichen Rechts mit Sitz in Hannover gegründet. Eine Besonderheit dabei ist das sogenannte VW-Gesetz vom 21. Juli 1960, das nicht nur die Privatisierung regelt, sondern auch trotz Minderheitenposition der öffentlichen Hand deren entscheidenden Einfluss weiter sichern soll. Es besagt, dass kein Anteilseigner mehr als 20 Prozent an Stimmrechten ausüben darf. Damit werden feindliche Übernahmen oder Sperrminoritäten verhindert.
s.u. Krenn: Modell Deutschland
Für die NachDenkSeiten skizzierte anlässlich den Ausscheidens des "Patriarchen" aus dem Aufsichtsrat von Volkswagen Stephan Krull - 16 Jahre lang Mitglied des Betriebsrates bei VW Wolfsburg - seine Sicht der Entwicklung des vermeintlich „volkseigenen“ Unternehmens.
Sehr lesenswert!
- Die Familie Piech-Porsche und das VW-Imperium. Von Winfried Wolf
- Zur Geschichte des VW-Gesetzes
- Karoline Krenn: Der Porsche-Einstieg bei VW und das ‚Modell Deutschland’ – Leben Totgesagte länger? (2006)
- GBlog Revisited: Der Frettchen-Cayenne-Krimi
- So funktioniert der smarte VW-Porsche-Steuertrick. Von Nikolaus Doll | Die WELT 05.07.2012
Und es sei aus aktuellem Anlass auch noch einmal verwiesen auf:
NOx (III): Machtstrukturen als Entwicklungsblockade - Piëch/Schröder vs. Goeudevert: "Truth in engineering"
Aktuell: Nicht mit "Familie Lafontaine" - Schröder warnt SPD vor Linksbündnis - Familienverhältnisse klar.
Aber es bleibt die Frage: Wer fickt hier eigentlich wen?
- Bisher hielt Piëch 14,7 Prozent an der Holding, die wiederum die Mehrheit der Stimmrechte am Autobauer VW hält. Nur noch ein geringer Anteil dieses Aktienpakets bleibt ihm künftig.
Überraschend soll er aber vorerst im Aufsichtsrat der Porsche SE bleiben. Der 79-Jährige sitzt schon seit 1981 in dem Kontrollgremium von Porsche, damals firmierte das Unternehmen noch in der Rechtsform Porsche KG. Auf der Hauptversammlung der Firma Ende Mai in Stuttgart soll er in seinem Amt bestätigt werden.
Die Porsche SE ist seit 2007 eine reine Beteiligungsfirma ohne Autoproduktion. Bei dem einflussreichen Unternehmen haben die Familien Porsche und Piëch das Sagen. Dadurch können sie auch Volkswagen steuern - die Porsche SE hält die Mehrheit der Stimmrechte an Europas größtem Autobauer.
1949 übergab die britische Militärregierung das Unternehmen in die Treuhandschaft des Landes Niedersachsen; verbunden mit der Auflage, die Eigentümerrechte gemeinsam mit dem Bund auszuüben und den anderen Bundesländern sowie den Gewerkschaften großen Einfluss einzuräumen. Das Unternehmen wurde von da an als Volkswagenwerk G.m.b.H. geführt.
Bzw. so:
Der Deutsche Bundestag beschloss am 17. März 1960, das in staatlicher Hand befindliche Unternehmen überwiegend zu privatisieren. Die Volkswagenwerk G.m.b.H. wurde in der Folge am 22. August 1960 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, teilprivatisiert und hieß nunmehr „Volkswagenwerk Aktiengesellschaft“. 60 Prozent des VW-Stammkapitals wurden in Form von sogenannten Volksaktien im Gesamtnennwert von 360 Millionen DM an Privatpersonen ausgegeben mit einem Erlös von umgerechnet circa 500 Millionen Euro. Je 20 Prozent der Anteile behielten die Bundesrepublik Deutschland und das Land Niedersachsen. Mit dem Verkaufserlös und den Gewinnansprüchen aus den verbliebenen 40 Prozent Aktien der öffentlichen Hand wurde nach langjährigem Tauziehen zwischen Bund und Niedersachsen 1961 zur Förderung der Wissenschaft die Stiftung Volkswagenwerk als gemeinnützige Stiftung bürgerlichen Rechts mit Sitz in Hannover gegründet. Eine Besonderheit dabei ist das sogenannte VW-Gesetz vom 21. Juli 1960, das nicht nur die Privatisierung regelt, sondern auch trotz Minderheitenposition der öffentlichen Hand deren entscheidenden Einfluss weiter sichern soll. Es besagt, dass kein Anteilseigner mehr als 20 Prozent an Stimmrechten ausüben darf. Damit werden feindliche Übernahmen oder Sperrminoritäten verhindert.
s.u. Krenn: Modell Deutschland
Zur Geschichte der Raubprivatisierung des VEB Volkswagen- Oder: Wie von den Volksaktien im Gesamtnennwert von 360 Mio. DM (= 60 Prozent des VW-Stammkapitals) 1 Mrd. Euro (= 14,7 Prozent von 52 Prozent von 1.21B EUR bei Piech landete
Für die NachDenkSeiten skizzierte anlässlich den Ausscheidens des "Patriarchen" aus dem Aufsichtsrat von Volkswagen Stephan Krull - 16 Jahre lang Mitglied des Betriebsrates bei VW Wolfsburg - seine Sicht der Entwicklung des vermeintlich „volkseigenen“ Unternehmens.
Sehr lesenswert!
- Der Abgang von Ferdinand Piëch aus dem Aufsichtsrat von Volkswagen ließ die Automobilindustrie erbeben. Die Beschäftigten hielten den Atem an – „Gott sei Dank nicht die Bänder“, so ein Aktionär – und öffentlich bedankten sich VW-Chef Winterkorn und der kommissarische AR-Vorsitzende Berthold Huber bei dem „genialen Techniker“ (Winterkorn), bei dem „großartigen Unternehmer, Ingenieur und Visionär“ der – so Winterkorn – die Automobilindustrie der zurückliegenden fünf Jahrzehnte geprägt hätte. Das sind übrigens die gleichen Zuschreibungen, die seinem Großvater Ferdinand Porsche (SS-Oberführer und Kriegsverbrecher) gemacht wurden – allerdings von Adolf Hitler, der den Titel „genialer Konstrukteur“ bei der Grundsteinlegung des Volkswagenwerkes am 26. Mai 1938 vor 70.000 begeisterten Claqueuren in die Welt setzte. Seither geistert mit Porsche das Attribut „genialer Konstrukteur“ durch die Welt und wird von interessierter Seite immer wieder befeuert.
Porsches Schwiegersohn Anton Piëch, dem fanatischen Nazi und Vater von Ferdinand Piëch, wurde diese zweifelhafte Ehre nicht zu Teil – schließlich war er als Jurist nur der „Geschäftsführer“ des Rüstungsbetriebes „Volkswagenwerk“, dessen Kasse mit 10 Millionen Reichsmark er bei seiner Flucht aus Wolfsburg im Frühjahr 1945 raubte und sicher nach Österreich brachte – eine der Quellen des Reichtums des Familienclans.
Am 10. April 1945 befreiten die Soldaten der US-Army die Überlebenden der 20.000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus den Klauen von Porsche, Piëch und der SS: Zwangsarbeit als weitere Quelle des Reichtums des Clan. Das Volkswagenwerk war „herrenlos“, da die Nazi-Organisation DAF (Deutsche Arbeitsfront), die bisher über das Werk als „Eigentümer“ verfügte, als verbrecherische Organisation aufgelöst war. Finanziert wurden Entwicklung des Fahrzeuges und Bau der Fabrik durch eben diese Nazi-Organisation mit dem den freien Gewerkschaften geraubten Vermögen – der wesentlichen Reichtums-Quelle des Clan.
Im Oktober 1949, kurz nach der Gründung des westdeutschen Teilstaates, übergaben die Briten das Werk „treuhänderisch“ der Bundesregierung. Der vormalige Wehrwirtschaftsführer Heinrich Nordhoff war bereits zum Generaldirektor bestellt (gelegentlich wurde über Werkfunk noch das „Horst-Wessel-Lied“ gespielt). Der kalte Krieg war so weit fortgeschritten, dass an eine Rückgabe an die Gewerkschaften nicht zu denken war. Volkswagen blieb ein „volkseigener Betrieb“ unter Aufsicht des Landes Niedersachsen. Auch die Verbindungen zwischen Volkswagen und Porsche blieben vielfältig – von Lizenzgebühren an Porsche über viele Entwicklungsleistungen und exklusive Vertriebsrechte profitierte der Familienclan mit den beiden Strängen Porsche (Sohn Ferdinand „Ferry“) und Piëch (Tochter Louise, verheiratete Piëch) mit ihrer kleinen Sportwagenfabrik in Stuttgart. Gefestigt wurde die Partnerschaft 1959 durch die Verheiratung der Nordhoff-Tochter Elisabeth mit Porsche-Enkel Ernst Piëch.
Die restaurativen Kräfte in der Bundesrepublik Deutschland drängten immer auf eine Privatisierung dieses „Fremdkörpers“ in der „freien Marktwirtschaft“. 1960 war es soweit, VW wurde in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, 60% der Aktien wurden verkauft, je 20% blieben beim Bund und beim Land Niedersachsen. Verbunden war diese Umwandlung mit der Neu-Inszenierung der Volks- und Betriebsgemeinschaftsideologie der Nazis, indem „Volksaktien“ bzw. „Belegschaftsaktien“ ausgegeben wurden. Zugleich mussten an Gewerkschaft und Belegschaft Zugeständnisse gemacht werden: Die Geburtsstunde des VW-Gesetzes. Dieses gewährt dem Betriebsrat und der Gewerkschaft Mitbestimmungsrechte über das Mitbestimmungsgesetz und das Aktiengesetz hinaus. Gegen den Widerstand der Gewerkschaft wurde 1988 die zweite Teilprivatisierung unter Helmut Kohl gestartet, die Bundesregierung veräußerte ihre Anteile an Volkswagen. Es folgten Angriffe der EU-Kommission – das VW-Gesetz behindere den „freien Kapitalverkehr“; in seiner Substanz konnte das Gesetz jedoch erhalten bleiben.
- Notwendiger Einschub - schwer aktuell -: Durch Emissionsvorgaben der EU (CO2-Richtlinie) sind alle Automobilfirmen gezwungen, ihre Flottenverbräuche zu reduzieren. Insbesondere für Hersteller von Oberklasse-Fahrzeugen ist das eine schwierige Aufgabe, die durch Produkterweiterung in die unteren Segmente gelöst wird. Für die Sportwagenschmiede Porsche, im Eigentum des Familien-Clan, war das keine Option. Porsche musste, um zu überleben, einen Partner finden, mit dem ein Modellmix zu dem maximal zulässigen CO2-Verbrauch führt.
Der strategische Plan, um künftig noch mehr Profit zu realisieren, war eine Vertiefung der Kooperation Porsche und Volkswagen – selbstverständlich unter dem Kommando von Porsche. Porsche-Geschäftsführer Wiedekind wurde beauftragt, die Übernahme des VW-Konzerns in die Wege zu leiten – und ging – so der Verdacht – mit krimineller Energie (Marktmanipulation) daran, die Vorgabe des Familien-Clans zu erfüllen. Als klar wurde, dass der David Porsche den Goliath Volkswagen nicht stemmen kann, stand Porsche mit 11 Milliarden Euro Schulden unmittelbar vor dem Absturz. Nun wurde der Spieß zweimal gedreht: Erst „kaufte“ Volkswagen die Automobilfertigung von Porsche und entschuldete damit den Laden. Die von Wiedekind gekauften Volkswagen-Aktien waren bei der inzwischen neu gegründeten Porsche Holding SE gelandet und verblieben dort. Nun gehört die Automobilfertigung von Porsche zum VW-Konzern, die Hälfte von Volkswagen gehört aber dem Familien-Clan von Porsche und Piëch – weiterer Großaktionär ist das Emirat Katar ...
- Die Familie Piech-Porsche und das VW-Imperium. Von Winfried Wolf
- Zur Geschichte des VW-Gesetzes
- Karoline Krenn: Der Porsche-Einstieg bei VW und das ‚Modell Deutschland’ – Leben Totgesagte länger? (2006)
- GBlog Revisited: Der Frettchen-Cayenne-Krimi
- So funktioniert der smarte VW-Porsche-Steuertrick. Von Nikolaus Doll | Die WELT 05.07.2012
Und es sei aus aktuellem Anlass auch noch einmal verwiesen auf:
NOx (III): Machtstrukturen als Entwicklungsblockade - Piëch/Schröder vs. Goeudevert: "Truth in engineering"
- Way back in 1992
- DER SPIEGEL 9/1992:
Wie eine Hinrichtung - Kompromiß im Machtkampf um die VW-Spitze: Die beiden Kontrahenten sollen den Konzern gemeinsam führen
Unterschiedlicher können Menschen kaum sein. Der eine schwärmt von einem Auto mit 20 Zylindern, drei Turboladern und mehr als 1000 PS: "Das hat noch keiner gemacht."
Der andere findet es schrecklich, daß neue Autos "immer schneller und schwerer" werden, und könnte gar "mit einem Tempolimit leben".
Demnächst werden die beiden gegensätzlichen Typen eng zusammenarbeiten müssen. Audi-Chef Ferdinand Piech, 54, der PS-Begeisterte, und VW-Vorstand Daniel Goeudevert, 50, der Umwelt-Besorgte, sollen die Führung des VW-Konzerns übernehmen.
Aufsichtsratschef Klaus Liesen will noch vor der nächsten Hauptversammlung am 2. Juli das Gerangel um die Nachfolge des Vorstandsvorsitzenden Carl Hahn, 65, beenden. Lange Zeit galt der Franzose Goeudevert als klarer Favorit. Zuletzt aber setzte sich Audi-Manager Piech durch, der kaum ein Mittel scheute, um an den begehrten Posten zu kommen...
Der Ministerpräsident hieß Gerhard Schröder und Sie sollten die interessanten Details hier in Schöllgens Schröder-Biografie nachlesen.
Details zum Machtkampf zwischen Piëch und Goeudevert, der mit Hilfe des legendären José Ignacio López de Arriortúa und seiner Warrior zugunsten Piëchs entschieden wurde, finden Sie hier in Ammann/Austs Porsche Saga.
Das Ergebnis berichtete DER SPIEGEL 27/1993: Neue Gesichter - Weitere Unruhe bei VW: Konzernchef Piech feuert seinen Stellvertreter Goeudevert...
Aktuell: Nicht mit "Familie Lafontaine" - Schröder warnt SPD vor Linksbündnis - Familienverhältnisse klar.
Aber es bleibt die Frage: Wer fickt hier eigentlich wen?
gebattmer - 2017/04/04 18:42
Trackback URL:
https://gebattmer.twoday.net/stories/1022613207/modTrackback