Gewinner und Verlierer: Supply Chain Management - Hier kommt die Gurke. Oder: Die Log(ist)ik des Kapitals
Die Süddeutsche berichtet heute über den Start von Amazon Fresh:
Ärgernis Güterverkehr - Verstopfte Straßen, leere Gleise in einer Dokumentation des BR (Mittwoch, 03.05.2017 - zu sehen in der Mediathek)
In Belgien gelingt es einem Mann, die Tricksereien der Spediteure effektiv zu verfolgen. Hauptinspekteur Raymond Lausberg hat erkannt, dass nicht nur Tempo- oder Ladungsüberschreitungen, sondern auch die Einhaltung der Sozialvorschriften wichtig sind für die Verkehrssicherheit. So überprüft er die Ausdrucke der digitalen Tachos und die Angaben der Fahrerkarte, stellt damit Lenk- und Ruhezeiten fest – inklusive Anreise. Er lässt kein Schlupfloch offen und kennt alle Tricks. Ihn ärgert, dass es zwar genügend EU-Verordnungen gibt, um Missstände zu unterbinden, jedoch die Mitgliederstaaten diese nicht zwingend kontrollieren müssen. In Belgien ist man strenger. Hier ist es mittlerweile auch strafbar, wenn der Fahrer seine wöchentliche Ruhezeit im Lkw verbringt. Damit soll das Nomadentum auf der Straße unterbunden werden.
Ich find den Hauptinspekteur toll: Raymond Lausberg sollte als Vorbild gelten, weil er dafür steht, dass der Rechtsstaat Gesetze zum Schutz der Schwachen durchsetzt, - und nicht moralische Verantwortung für Ausbeutung und Sklaverei beim Konsumenten ablädt (- wie es viele Wohlmeinende mit einer BWL-Professorin für "Supply Chain Management" gerne wollten: „Wie viele Sklaven halten Sie?“ von Evi Hartmann)
Den Versuch einer Analyse des Supply-Chain-Kapitalismus unternehmen in Konkret 05/2017
Frederick Coulomb und Julian Stenmanns über die infrastrukturellen Voraussetzungen des Welthandels: Die Log(ist)ik des Kapitals
(Gibt's nicht online: Kaufen und lesen!!)
Frederick Coulomb und Julian Stenmanns' Schlussbemerkung:Wo die Zirkulation von Gütern mittels Logistik immer reibungsloser funktioniert, bleibt dies einem Großteil der Menschen vorenthalten. Die Punkband Die Goldennen Zitronen hat es treffend formuliert:
Die goldenen Zitronen - Wenn ich ein Turnschuh wär
- Das Essen kündigt sich mit einem Piepsen an. Fünf Minuten vor Ankunft meldet sich der Bote per SMS. Amazon hat dem DHL-Fahrer dafür eigens ein glänzend neues Smartphone in die Hand gedrückt. So kann der neugierige Hungrige vom Fenster aus beobachten, wie ein Mann in der gelb-roten Kluft des Paketdienstes zwei Kühltaschen über die Straße zur Haustüre trägt, die so gar nicht in das Bild passen: Statt des Kartonbrauns der üblichen Päckchen sind die Taschen im Grün von Amazon-Fresh gehalten. Und frisch ist die Ware dann auch.
Von Eisbeuteln gekühlte Luft strömt aus den Papiertüten, die der Bote aus den Taschen hebt. Für die Menge an Bestelltem ist die Masse an Verpackung überdimensioniert. Der Fahrer sagt pflichtschuldig: "Ich soll fragen, ob ich schon Pfandflaschen mitnehmen kann."
- Oder anders ausgedrückt: Wie kann man die Menschen mit Obst, Gemüse, Fisch und Frischmilch versorgen, ohne dass sie in den Supermarkt oder Discounter gehen müssen? Die Antwort auf diese Frage ist: mit einer 100-prozentig optimierten Lieferkette, die zwei Bedingungen erfüllt: Erstens muss sie gewährleisten, dass der frische Salatkopf zu einem Preis beim Kunden ankommt, den er noch zu zahlen bereit ist. Und zweitens muss sich die Lieferung auch fürs Unternehmen lohnen.
- Die weitgehend digitalisierten Handelsfunktionen werden in diesem Zusammenhang auch immer deutlicher von der Lieferung der jeweiligen Produkte getrennt, d.h. der Lauf der Rechnung wird immer häufiger vom Lieferweg der Ware entkoppelt. So wird die Rechnung heute gerne in dem Land ausgestellt, das dafür die optimalen Bedingungen hinsichtlich Steuern und Abgaben bereitstellt.
Die Ware selbst wird via Outsourcing über Logistiker, Fulfillment Centres und andere Dienstleister zum Kunden gebracht. Eingeführte landesspezifische Distributoren ersetzt man immer häufiger durch E-Tailer ersetzt, die Warenpositionen international dort aufkaufen, wo der Preis am günstigsten ist - und dort verkaufen, wo der höchste Preis erzielt wird. Die Online-Portale, über welche der Verkauf dann organisiert wird, benötigen dazu kein eigenes Warenlager und keine eigene Rechnungsstellung. Aufgrund der üblichen Vorkasse ist außerdem das Risiko des Zahlungsausfalls überschaubar.
Kein Durchblick für die Marktüberwachung
Welche Wege die Ware aus welchem Lager dann zum Kunden nimmt, ist nur auf den zentralen Servern der jeweiligen Handelssysteme gespeichert und durch Dritte nicht einsehbar. (Christoph Jehle: Strukturwandel im Handel macht die Marktüberwachung ziemlich zahnlos, Telepolis, 30. März 2014 )
- Die 100-prozentig optimierten Lieferketten sind ja nur betriebswirtschaftlich 100-prozentig optimiert; gesamtwirtschaftlich und gesellschaftlich gesehen basieren sie auf einer Externalisierung sozialer und ökologischer Kosten.
Ärgernis Güterverkehr - Verstopfte Straßen, leere Gleise in einer Dokumentation des BR (Mittwoch, 03.05.2017 - zu sehen in der Mediathek)
- Sie sind monatelang am Stück unterwegs, schlafen in der Fahrerkabine, kochen an Parkplätzen auf Gaskochern – und verdienen weit weniger als den Mindestlohn, teilweise gerade einmal ein paar Euro am Tag. Die Kennzeichen ihrer Lastwägen verraten: Immer mehr Lkw-Fahrer kommen aus der Slowakei, Polen, Ungarn oder Rumänien. Doch die meiste Zeit sind sie auf deutschen Straßen unterwegs und unterliegen, falls sie das Land nicht nur passieren, deutschem Recht. Wie etwa der Einhaltung des Mindestlohns. Eigentlich. Doch was schert das die Speditionen, für die sie arbeiten? Die deutschen Bußgelder werden von den Auftraggebern in Kauf genommen, ja teilweise sogar schon einkalkuliert. Die Strafen in Deutschland sind niedrig und die Kontrollen auf deutschen Straßen selten. Illegale Zustände also – mitten auf deutschen Autobahnen und Raststätten ... .... Führend: der deutsche Großlogistiker DB Schenker Logistik - eine Bundesbahntochter! Ansehbefehl!!
In Belgien gelingt es einem Mann, die Tricksereien der Spediteure effektiv zu verfolgen. Hauptinspekteur Raymond Lausberg hat erkannt, dass nicht nur Tempo- oder Ladungsüberschreitungen, sondern auch die Einhaltung der Sozialvorschriften wichtig sind für die Verkehrssicherheit. So überprüft er die Ausdrucke der digitalen Tachos und die Angaben der Fahrerkarte, stellt damit Lenk- und Ruhezeiten fest – inklusive Anreise. Er lässt kein Schlupfloch offen und kennt alle Tricks. Ihn ärgert, dass es zwar genügend EU-Verordnungen gibt, um Missstände zu unterbinden, jedoch die Mitgliederstaaten diese nicht zwingend kontrollieren müssen. In Belgien ist man strenger. Hier ist es mittlerweile auch strafbar, wenn der Fahrer seine wöchentliche Ruhezeit im Lkw verbringt. Damit soll das Nomadentum auf der Straße unterbunden werden.
Ich find den Hauptinspekteur toll: Raymond Lausberg sollte als Vorbild gelten, weil er dafür steht, dass der Rechtsstaat Gesetze zum Schutz der Schwachen durchsetzt, - und nicht moralische Verantwortung für Ausbeutung und Sklaverei beim Konsumenten ablädt (- wie es viele Wohlmeinende mit einer BWL-Professorin für "Supply Chain Management" gerne wollten: „Wie viele Sklaven halten Sie?“ von Evi Hartmann)
Supply-Chain-Kapitalismus
Bisher haben wir uns in der Sphäre der Distribution bewegt (was den LKW-Verkehr angeht allerdings wesentlich bereits in den komplexen transnationalen Produktionsnetzwerken und Wertschöpfungsketten).Den Versuch einer Analyse des Supply-Chain-Kapitalismus unternehmen in Konkret 05/2017
Frederick Coulomb und Julian Stenmanns über die infrastrukturellen Voraussetzungen des Welthandels: Die Log(ist)ik des Kapitals
(Gibt's nicht online: Kaufen und lesen!!)
Frederick Coulomb und Julian Stenmanns' Schlussbemerkung:
Wo die Zirkulation von Gütern mittels Logistik immer reibungsloser funktioniert, bleibt dies einem Großteil der Menschen vorenthalten. Die Punkband Die Goldennen Zitronen hat es treffend formuliert:
Über euer Scheiß-Mittelmeer käm ich, wenn ich ein Turschuh wär!
Die goldenen Zitronen - Wenn ich ein Turnschuh wär gebattmer - 2017/05/05 19:05
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