Content Leadership (III) : "Moralkeule mit Mutterwitz"
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Was früher in Qualitätsmedien das Feuilleton war, heißt dort seit dem relaunch "Kultur und Leben". Heute berichtet dort Karim Saab (früher taz, jetzt Märkische Allgemeine, s.o.) über die Entscheidung, Robert Menasse für seinen Roman "Die Hauptstadt" den Deutschen Buchpreis zu verleihen und bespricht diesen bei der Gelegenheit auch gleich. Dabei unterläuft ihm diese Formulierung:
Schon klar, der Jude muss auch beim aktuellen Thema Europa auch noch den Holocaust unterbringen; er kann's halt nicht lassen, der alte Moralkeulenschwinger. Aber wenigstens mit Mutterwitz. Moralkeule ohne Mutterwitz geht gar nicht.
- Wie schon 1998 Martin Walser feststellte: "Auschwitz eignet sich nicht dafür, Drohroutine zu werden, jederzeit einsetzbares Einschüchterungsmittel oder Moralkeule oder auch nur Pflichtübung. Was durch solche Ritualisierung zustande kommt, ist von der Qualität eines Lippengebets."
Das Idiom des von allen Seiten verfolgten Märtyrers ist bei Walser zentral. Von einer ganzen Armee von 'Meinungssoldaten', die ihn, den Schriftsteller, 'mit vorgehaltener Moralpistole in den Meinungsdienst nötigen' und Auschwitz als 'jederzeit einsetzbares Einschüchterungsmittel oder Moralkeule' missbrauchen, fühlt Walser sich bedroht. Die folgende, so genannte Walser-Bubis-Debatte hat gezeigt, wie brüchig der vermeintliche Konsens in der deutschen Gedächtniskulturwar und ist.
Was mich an Karim Saabs Formulierung also (ver-)stört: Dass einer (der ja ausweislich seiner Biografie kein unpolitischer Döllmer ist) nicht merkt, dass zwischen Erfahrung des Holocaust und Moralkeule - verstärkt noch durch das folgende aber - Walsers Provokation von '98 zwischen den beiden Sätzen unausgesprochen (mit-)geteilt wird. Es kann natürlich auch sein, dass das so gemeint ist. *
Aber wie gesagt: Möglicherweise wittere ich immer Subtexte, wo gar keine sind.
Immerhin: Zum "jüdischen Hintergrund" (sagt man wohl heute so) der Menasses:
Eva Menasse: Vienna
_____________________________________________
* Brillante Analyse von Frau M.:
Freunde oder Feinde... die Lust der Differenz ... einer der Theologie und Wirtschaftswissenschaft studierte... herrje ein Döllmer ist er
Was früher in Qualitätsmedien das Feuilleton war, heißt dort seit dem relaunch "Kultur und Leben". Heute berichtet dort Karim Saab (früher taz, jetzt Märkische Allgemeine, s.o.) über die Entscheidung, Robert Menasse für seinen Roman "Die Hauptstadt" den Deutschen Buchpreis zu verleihen und bespricht diesen bei der Gelegenheit auch gleich. Dabei unterläuft ihm diese Formulierung:
Als Autor mit jüdischem Hintergrund hat er dem Buch auch die Erfahrung des Holocaust eingeschrieben. Die Moralkeule wird bei ihm aber mit Mutterwitz geschwungen...
Mag sein, dass ich da übersensibel bin. aber ich lese in dieser Formulierung einen Subtext, der mich verstört:Schon klar, der Jude muss auch beim aktuellen Thema Europa auch noch den Holocaust unterbringen; er kann's halt nicht lassen, der alte Moralkeulenschwinger. Aber wenigstens mit Mutterwitz. Moralkeule ohne Mutterwitz geht gar nicht.
- Wie schon 1998 Martin Walser feststellte: "Auschwitz eignet sich nicht dafür, Drohroutine zu werden, jederzeit einsetzbares Einschüchterungsmittel oder Moralkeule oder auch nur Pflichtübung. Was durch solche Ritualisierung zustande kommt, ist von der Qualität eines Lippengebets."
Das Idiom des von allen Seiten verfolgten Märtyrers ist bei Walser zentral. Von einer ganzen Armee von 'Meinungssoldaten', die ihn, den Schriftsteller, 'mit vorgehaltener Moralpistole in den Meinungsdienst nötigen' und Auschwitz als 'jederzeit einsetzbares Einschüchterungsmittel oder Moralkeule' missbrauchen, fühlt Walser sich bedroht. Die folgende, so genannte Walser-Bubis-Debatte hat gezeigt, wie brüchig der vermeintliche Konsens in der deutschen Gedächtniskulturwar und ist.
Was mich an Karim Saabs Formulierung also (ver-)stört: Dass einer (der ja ausweislich seiner Biografie kein unpolitischer Döllmer ist) nicht merkt, dass zwischen Erfahrung des Holocaust und Moralkeule - verstärkt noch durch das folgende aber - Walsers Provokation von '98 zwischen den beiden Sätzen unausgesprochen (mit-)geteilt wird. Es kann natürlich auch sein, dass das so gemeint ist. *
Aber wie gesagt: Möglicherweise wittere ich immer Subtexte, wo gar keine sind.
Immerhin: Zum "jüdischen Hintergrund" (sagt man wohl heute so) der Menasses:
Eva Menasse: Vienna
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* Brillante Analyse von Frau M.:
Freunde oder Feinde... die Lust der Differenz ... einer der Theologie und Wirtschaftswissenschaft studierte... herrje ein Döllmer ist er
gebattmer - 2017/10/10 18:41
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