Archäologie (DCXLII) : BRD noir - Die Tankstelle
Es fällt auf, dass die alte Bundesrepublik angesichts aktueller globaler Unsicherheit und Identitätskrisen mehr und mehr romantisiert und idealisiert wird, es wächst die Sehnsucht nach dem scheinbar heimeligen Rheinischen Kapitalismus und dem Biedermeier von Helmut Schmidt und »Wetten Dass?«. In ihrer aus ihren Büchern gespeisten Rückschau erinnern Witzel und Felsch an die untergründige Gewalt und die Düsternis der alten BRD , die ihr ideales Aushängeschild eher in Eduard Zimmermann als in Frank Elstner fand...
Frank Witzel, Philipp Felsch
BRD Noir
- für 4,50 € bei der bpb
In diesem sehr lesenswerten Büchlein entwickeln die beiden schöne Bilder, - im Sinne der analogen Bedeutung des Entwickelns von Bildern: die fotochemische Entwicklung und die Fixierung des Aufnahmematerials. Hier können wir als Leser das Aufnahmematerial Erinnerungen im Entwicklerbad der Theorie verfolgen (iW des Film-Noir und Adornos Minima Moralia).
Sehr treffend: Das Bild der Tankstelle in der Wirtschaftswunder-BRD:
»Kleinindustrie aus den 50er Jahren« heißt das Thema dieser Packung. Sie enthält: eine Klempnerwerkstatt mit typischem Zubehör, eine Hinterhof-Autowerkstatt, eine Stadthaus-Ruine mit Schutthügel, Mauerresten und Abbruchbagger und eine nostalgische ARAL-Tankstelle.

... Und jetzt bricht das Grauen ein: Es geschah am hellichten Tag
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- Im Trailer kommt die Tankstelle, in der Rühmann auf den Mörder wartet, leider nicht vor. ...
Aber sie hatten ja noch die Freunde von der Tankstelle von 1930:
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Frank Witzel, Philipp Felsch
BRD Noir
- für 4,50 € bei der bpb
In diesem sehr lesenswerten Büchlein entwickeln die beiden schöne Bilder, - im Sinne der analogen Bedeutung des Entwickelns von Bildern: die fotochemische Entwicklung und die Fixierung des Aufnahmematerials. Hier können wir als Leser das Aufnahmematerial Erinnerungen im Entwicklerbad der Theorie verfolgen (iW des Film-Noir und Adornos Minima Moralia).
Sehr treffend: Das Bild der Tankstelle in der Wirtschaftswunder-BRD:

- W: Ja, und das wäre einer der typischen Topoi
des Film-Noir. Jemand hat sich unter einem an-
deren Namen an einem abgelegenen Ort eine neue
Existenz aufgebaut. Er lebt dort glücklich und zu-
frieden, das ist das Idyll, das wir sehen. Dann er-
scheint eines Tages jemand aus seiner Vergangen-
heit, der fährt an seiner Tankstelle vor, lässt sich den
Tank füllen und erkennt ihn dabei. Das wäre für
mich eine typische Szene, von der ich meine, sie in
den Filmen der Vierziger-, Fünfzigerjahre zigmal
gesehen zu haben.
F: Absolut.
W: Beide erkennen sich, wissen aber nicht, ob der
andere einen erkannt hat und ob er weiß, dass man
ihn erkannt hat. Scheinbar passiert erst einmal
nichts. Der Besucher aus der Vergangenheit fährt
weiter, es kehrt wieder Ruhe ein. Nach Tagen
kommt dann ein Anruf oder ein Brief und dann
nimmt das Grauen seinen Lauf. Man versucht, die
Bedrohung aus der Vergangenheit auszuschalten
und wird dadurch tatsächlich zum Mörder, der man
vorher nicht unbedingt war. Man muss die neue
Existenz aufgeben, die man sich mühsam erarbeitet
hat. Das alles, finde ich, schwebt im Auftauchen des
Verbrechens auch immer mit.
F: Wenn du das so erzählst, dann scheint Noir
der alten Bundesrepublik wie auf den Leib geschnit-
ten. Aber hat das schon damals jemand in diese dra-
maturgisehe Perspektive gerückt? Ist BRD Noir ein
längst existierendes Genre? Oder kommt das erst
jetzt im historischen Rückblick auf?
W: Ich würde sagen, das kann erst heute, also im
Nachhinein entstehen. Das Interessante ist auch,
um noch mal auf diesen Satz »Jetzt kriegen wir ame-
rikanische Zustände« zurückzukommen, dass man
sich sofort wieder als Opfer sieht.
F: Klar, das war nichts, für das man selber ver-
antwortlich gewesen wäre. Die Moderne kam im-
mer aus dem Westen, das gilt in Deutschland spä-
testens seit Napoleon. Und weil sie aus dem Westen
kam, hat man sie nicht als Befreiung, sondern im-
mer zugleich auch als Unheil und Untergang erlebt.
»Amerikanische Zustände« konnten von daher
nichts Gutes sein.
W: Haargenau, es kommt von außen. Wir haben
doch alles so wunderbar hinbekommen, sitzen in
unserer Vorstadtsiedlung, sind Demokraten, haben
unser Häuschen, haben unser Wirtschaftswunder,
haben unsere Fototapete. Und jetzt bricht das
Grauen ein, aber das kommt von außen über den
großen Teich.
»Kleinindustrie aus den 50er Jahren« heißt das Thema dieser Packung. Sie enthält: eine Klempnerwerkstatt mit typischem Zubehör, eine Hinterhof-Autowerkstatt, eine Stadthaus-Ruine mit Schutthügel, Mauerresten und Abbruchbagger und eine nostalgische ARAL-Tankstelle.

... Und jetzt bricht das Grauen ein: Es geschah am hellichten Tag
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- Im Trailer kommt die Tankstelle, in der Rühmann auf den Mörder wartet, leider nicht vor. ...
Aber sie hatten ja noch die Freunde von der Tankstelle von 1930:
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gebattmer - 2017/11/03 20:02
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