Archäologie DCLX : Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß
Debütroman von Manja Präkels
SS-Runen auf dem Hintern - Präkels erzählt von einer Jugend in Brandenburg, oft tieftraurig. Dem Journalisten Moritz von Uslar wirft sie in einem Artikel Verharmlosung des rechten Spektrums vor. (Jens Uthoff, taz, 30. 12. 2017)
- Dass in der Kleinstadt an der Havel etwas Unangenehmes unter der Oberfläche gärt, ahnt Mimi Schulz in etwa zu der Zeit, als sie mit großem Trara in die FDJ aufgenommen wird. Mehr und mehr Menschen „machen rüber“, weil das gelobte sozialistische Paradies nicht hält, was es verspricht. Ihr eigener Vater erkrankt zu dieser Zeit und verbittert immer mehr: „Unbemerkt hatte die Wut jahrelang unterm Pflaster gehockt, unter maroden Dielen, in der Kanalisation, auf den Dachböden und hinter verblichenen Fotografien. Bei uns im Haus konnte ich es knistern hören“, blickt die Icherzählerin zurück auf die späten Achtziger in dem Ort, der im Roman nur „Havelstadt“ genannt wird.
Mit der Havelstadt ist der Ort Zehdenick nördlich von Berlin gemeint, in dem die Schriftstellerin, Journalistin und Sängerin Manja Präkels aufwuchs. In ihrem Romandebüt „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“ erzählt sie vom Leben als Jugendliche in den Wendejahren in dieser Stadt; genauer gesagt vom Leben als „Zecke“, als linke Jugendliche dort. Denn in erster Linie beschreibt sie, wie rechte Skinheads und Nazis – „Gorillas“ nennt sie sie – in den frühen Neunzigern die Hoheit auf den Straßen übernehmen und Angst und Schrecken verbreiten.
Präkels hat 1992 selbst miterlebt, wie ein Bekannter von ihr, Ingo Ludwig, vor einer Dorfdisco von Naziskins überfallen und zu Tode getreten wurde. 17 Jahre alt war sie da. Die Behörden bewerteten damals nicht die Tritte, sondern einen vorangegangenen Treppensturz als todesursächlich. Für die Autorin, die den Fall vor einigen Jahren journalistisch aufgearbeitet hat, war der Todesfall ein Motiv, diesen Roman zu schreiben. Das Buch ist Ingo Ludwig gewidmet, die Figur Krischi an ihn angelehnt...
- Rechte Gewalt: Erstochen, erschlagen, verbrannt – 22 Verdachtsfälle - Die ZEIT, 15. September 2010 : Seite 2/22: Ingo Ludwig – 5. Januar 1992
- Deutsche Dörfer I: Gransee: Angst, Asylanten, Sicherheit
In Brandenburg soll in Gransee eine Unterkunft für Asylsuchende entstehen. Dagegen wehrt sich ein ganzer Landkreis. Pogromstimmung gegen Ausländer und »Zecken« ist dort nicht neu. Von Manja Präkels (Jungle.World, 07.11.2013)
Mein Freund, Herr P. - ein Experte der literarischen und musikalischen Aufarbeitung der DDR, ihres Erbes, der Wende und der Nachwende -, hat mir das Buch empfohlen (und zukommen lassen). Erst jetzt habe ich es gelesen und möchte es unbedingt weiterempfehlen!
Der Rezensent der taz trifft's i.G.; - nicht folgen kann ich ihm hier:
Die Vorgeschichte hätte man vielleicht etwas kürzer fassen können (erst ab Seite 50 nimmt der Roman Fahrt auf) ...
aber im Gesamturteil dann doch:
... danach aber entwickelt „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“ einen beeindruckenden Sog, der einen oft tiefer ins Brandenburg der Nachwendezeit versetzt, als einem das lieb ist.
Ich finde gerade die DDR-Szenen aus der Kinder-/Pubertätsperspektive großartig und für den Fortgang des Romans unverzichtbar: Leseprobe!!
Manja Präkels ist Sängerin und Texterin der Band Der Singende Tresen
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Zur Kontroverse Manja Präkels vs. Moritz von Uslar vgl. die Märkische Allgemeine vom 15.12.2017 (Ein Kopfblatt meiner Lieblings-HAZ)
gebattmer - 2018/02/02 19:14
1:0 Präkels