Der Club der toten DenkerInnen: Ökonomisierung als Chance der Sozialen Arbeit (Wer war eigentlich Alice Salomon?)
Die Alice-Salomon-Hochschule ist ja in letzter Zeit etwas ins Gerede gekommen. Man könnte auch sagen, es gab eine Debatte um das Gedicht »avenidas« von Eugen Gomringer an der Fassade des Hochschulgebäudes. Aber wer war eigentlich Alice Salomon?
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- ... Sie gilt als Begründerin der Sozialen Arbeit in Deutschland: Alice Salomon. Geboren wurde sie am 19. April 1872 als viertes Kind einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie in Berlin. Gerne wäre sie Lehrerin geworden. Doch nach dem frühen Tod des Vaters, der ihr noch Privatunterricht ermöglicht hatte, schien dieses Vorhaben aussichtslos. Es war schlicht nicht üblich, dass Mädchen und Frauen ihrer sozialen Schicht überhaupt einen Beruf ergriffen. Mit 21 Jahren nahm sie an der Gründungsversammlung der Berliner »Mädchen- und Frauengruppe für soziale Hilfsarbeit«, einer Art Wohlfahrtsverein, teil. Fortan widmete sich Salomon ehrenamtlich der Unterstützung alleinerziehender Arbeiterinnen und deren Kinder. 1908 wurde sie Mitbegründerin und Leiterin der reichsweit ersten Sozialen Frauenschule in Berlin, die sich zum Ziel gesetzt hatte, junge Mädchen für soziale Hilfstätigkeiten vorzubereiten. Die heutige Alice-Salomon-Hochschule Berlin ist die Nachfolgeeinrichtung dieser damaligen Sozialen Frauenschule. Noch vor deren Gründung wurde Alice Salomon 1906 an der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin in Nationalökonomie promoviert. Für Frauen war schon die Studienzulassung zu dieser Zeit ein Spießrutenlauf. Salomon schreibt dazu: »Wer einen Hörerschein haben wollte, musste die Erlaubnis des Ministers erwirken. Hierauf musste der Universitätsdirektor seine Zustimmung geben, und dann hing der Zutritt noch von der Einwilligung des Hochschullehrers ab, dessen Vorlesung man besuchen wollte. Die Erlaubnis konnte jederzeit zurückgezogen werden, und das geschah manchmal bei geringfügigen Zwischenfällen oder weil die Studenten gegen die Anwesenheit von Frauen protestierten.« Eine weitere Hürde für Alice Salomon: Sie hatte keine Hochschulreife vorzuweisen und wurde erst nach intensiver Prüfung aufgrund ihrer bereits veröffentlichten Aufsätze zugelassen.
Hatte sie zuvor die Sorgen und Nöte der Arbeiterinnen aus erster Hand kennengelernt, boten ihr Studium und Dissertation nun den theoretischen Hintergrund, um sich, auch international, für Arbeiterinnenschutz, Frauenrechte und Wohlfahrtspflege einzusetzen. 1925 gründete Salomon die »Deutsche Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit«. Neben der Fortbildung von Führungskräften in Sozialer Arbeit wurde hier auch mit systematischer Forschung begonnen. Es folgten zahlreiche Veröffentlichungen Salomons, die bereits seit Jahren auch international Vorträge hielt. Im Jahr 1929 rief sie die International Association of Schools of Social Work (dt. »Internationale Vereinigung der Schulen für Sozialarbeit«) ins Leben, deren langjährige Vorsitzende sie ebenfalls war. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere angelangt, wurde 1932 der sechzigste Geburtstag von Alice Salomon gebührend öffentlich begangen. Vom Preußischen Staatsministerium erhielt sie aus diesem Anlass die Silberne Staatsmedaille, die Berliner Universität verlieh ihr die Ehrendoktorwürde, nachdem dies 1929 noch abgelehnt worden war. Doch bereits ein Jahr später wendete sich das Blatt. Die Nationalsozialisten drängten Salomon aus allen Ämtern. 1935 verlor sie die deutsche Staatsbürgerschaft und in der Folge wurden ihr 1937 beide Doktortitel aberkannt. Im gleichen Jahr emigrierte sie über England in die Vereinigten Staaten, wo sie jedoch nicht mehr Fuß fassen konnte. Sie starb einsam und mittellos 1948 in New York. Es sollte bis 1997 dauern, dass die Aberkennung ihrer Doktorwürden für nichtig erklärt wurde.
Dieser Artikel von Sonya Winterberg erschien in der August2017-Ausgabe von OXI
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gebattmer - 2018/02/13 19:26
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