Warum ist der so dick? - Heiner Flassbeck zum Koalitionsvertrag
Monty Python's
- Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD beeindruckt schon durch sein schieres Volumen (hier kann man ihn anschauen). Bei fast zweihundert Seiten kann man sicher sein, dass sich viele SPD-Mitglieder sagen, wo so viel Arbeit unserer besten Leute drin steckt, das kann ja nicht alles falsch sein. Liest man dann noch die wohlklingende Präambel sorgfältig, ist man eigentlich fest davon überzeugt, dass es sich bei dem Vertrag um ein Werk handelt, bei dem die sozialdemokratische Handschrift offensichtlich und stark ist...
Warum ist er so dick?
Zunächst muss man feststellen, dass die Dicke dieses Vertrages kein Ausweis von Güte und Gründlichkeit, sondern von schierer Phantasielosigkeit ist. Ein solch dickes Werk entsteht nämlich dadurch, dass die amtierende Regierung alle Ressorts (und in den Ressorts alle Referate) bittet, auf der Basis der bisherigen Arbeit Fortschreibungen für die nächsten vier Jahre zu machen, die, wo es angebracht ist, auch die Wahlprogramme der an der Regierung zu beteiligenden Parteien berücksichtigen. Daraufhin setzen sich unzählige Beamte in unzähligen Referaten hin und schreiben das auf, was sie angesichts der politischen Lage in ihrem jeweiligen Bereich für sinnvoll und möglich halten. Daraus entsteht dann ein dickes Konvolut, das die Parteien wieder auseinanderpflücken und in Sachbereiche einteilen, bevor sie sich daran machen, die Sätze anzuschauen und noch einmal zu überprüfen, was zu ihrer Programmatik passt und was nicht.
Schon dieses Verfahren bringt genau das Gegenteil von Aufbruch zustande, weil es ja explizit „piecemeal social engineering“ (K. R. Popper) ist, also das Vermeiden eines großen Wurfs zugunsten der Fortschreibung des Bisherigen. Wer wirklich Aufbruch und Dynamik will, hätte all die hunderte von Winzigkeiten, die in dem Vertrag drin stehen, zugunsten einer Idee oder einer politischen Vision geopfert, die sich auf wenigen Seiten aufschreiben lässt.
So aber lernt der erstaunte Leser, dass man „bundeseinheitliche Regelungen für eine Zertifizierung von Jagdmunition mit optimaler Tötungswirkung bei gleichzeitiger Bleiminimierung“ und einen Schießübungsnachweis für die Jäger- und Falknerausbildung sowie -prüfung schaffen“ will. Wie schön! Auch dass „Einbrüche in Tierställe als Straftatbestand“ effektiv zu ahnden sind, war bisher nicht auf unserer politischen Agenda. Wer das alles nicht wissen will, für den genügt es, sich mit den wenigen programmatischen Sätzen zu begnügen, die in der Präambel und in der Einführung in die Europaproblematik stehen...
Kein Aufbruch, keine Dynamik, kein Zusammenhalt, nur Merkantilismus
Von Heiner Flassbeck (Makroskop, 14.02.2018)
Zugabe: Angela Merkel's poker face problem - Tracey Breaks the News: Episode 1 Preview - BBC One
View on YouTube
gebattmer - 2018/02/14 19:37
Trackback URL:
https://gebattmer.twoday.net/stories/1022645676/modTrackback