Fundstück, geschmacklos: Der traurige König
Es ist Dienstagabend, das erste TV-Interview nach dem Tod von Loki.
Manchmal dachte ich, frag jetzt nicht weiter, Maischberger. Tu ihm nicht weh. Frag den traurigen König nicht, wie er trauert – denn man sah es ja.
Die Augen rot unterlaufen, der Blick meist gesenkt. Es vergehen Minuten, bis er antwortet. Sein Haar ist nicht gekämmt. Er sieht aus wie ein Witwer ohne Frau. Wenn Frau Maischberger über die aktuelle Politik redet, dann wachte der Witwer auf. Dann hat er Geistesblitze.
Helmut Schmidt sagt: „Das war Lokis Meinung und es ist meine Meinung. Wir leben weiter. Kein Molekül, keine Energie ist verloren.“
Zu einem großen Interview gehörten immer zwei. Sandra Maischberger hat ein großes Interview geführt. Note 1, großer Respekt.
Herzlichst
Widerlich wie immer, der Wagner, und Frau Maischberger kann einem leid tun ob dieses Lobs. Die Geistesblitze des Weltökonomen bewegen sich wie immer auf dem Niveau von Wasserstandsmeldungen.
Der Hauptmann der Reserve, ab Juni 1962 Innensenator der Freien und Hansestadt Hamburg erlangte vor allem als Krisenmanager bei der Sturmflut 1962 an der deutschen Nordseeküste in der Nacht vom 16. auf den 17. Februar 1962 Popularität und sehr hohes Ansehen... Ohne dazu durch gesetzliche Grundlagen legimitiert zu sein, nutzte Schmidt bestehende Kontakte zur Bundeswehr und NATO, um auch mit Soldaten, Hilfsgütern, Hubschraubern und Pioniergerät von Bundeswehr und Alliierten schnelle und umfassende Hilfe zu ermöglichen... Er wird hierzu mit den Worten zitiert: „Ich habe das Grundgesetz nicht angeguckt in jenen Tagen“. wikibla
Für 83 Prozent der Bundesbürger verkörpert Helmut Schmidt das Deutschland, das sie sich wünschen. Und er genießt die höchste Achtung als moralische Instanz. SpOn
Michael Schilling
Nachruf voraus
Warum Helmut Schmidt nicht sterben darf.
Hannelore Schmidt scheint, gleichlautenden Nachrufen zum Trotz, eine ganz nette Frau gewesen zu sein. Der Schachtelhalm segne ihr Andenken. Nun jedoch, da der Wunsch der Schmidts, zusammen zu sterben, wie eine hinterbliebene Redakteurin des Norddeutschen Rundfunks trauerte, "leider nicht in Erfüllung gegangen ist", müssen wir stark sein. Denn lang kann es nicht mehr hin sein bis zu den Nachrufen auf den der Loki nunmehr als Single folgenden Altkanzler, den größten Staatsmann aller Zeiten, den tiefsten Denker und mutigsten Lenker, den klügsten Pragmatiker und weisesten Philosophen, den Freund der Künstler und der Künste, den Anwalt der kleinen wie der größten Männer, von den mittleren nicht zu reden.
Keine dumme Kuh wäre groß genug, daß auf ihre Haut ginge, was der Leitartikel, das Feuilleton, der Funk und das Fernsehen über den gerade verblichenen Helmut Schmidt sich zusammenhudeln werden. Maulwerker werden seinen Sarg tragen, die Geistlichen aller Kirchen ihn begleiten. Auf dem Weg zur letzten Ruh' wird ein Trara sein, in dem jede Frage danach untergehen wird, was der Schmidt, außer entschlossen in die Gegend zu gucken und mit sich selbst um die Wette zu paffen, im sogenannten Berichtszeitraum eigentlich Berichtenswertes vollbracht hat.
Nach Abzug seiner Reden über Gott, Kant, Barlach und die Welt, die bei näherem Hinsehen nichts provozieren als Fremdscham (siehe dazu Gremlizas "Rechts, wo der Blinddarm ist" in dem von Ulrich Sonnemann herausgegebenen Wie frei sind unsere Politiker?, 1968, sowie ders. "Schmidt vs. Schmidt" in Literatur Konkret 1988), bleiben von Schmidts Gesammelten Werken nicht mehr als zwei. Die erste Großtat vollbrachte er 1962, indem er als Innensenator von Hamburg die Wasser der Sturmflut eigenhändig über die Deiche zurück ins Flußbett der Elbe schippte, wobei er einen Kommandoton anstimmte, der seinen Bürgermeister Nevermann fragen ließ: "Aber Helmut, die Hamburgische Verfassung gilt doch noch?" Sie galt nicht mehr. Das zweite Opus magnum war, den gelernten SS-Führer Hanns Martin Schleyer der RAF zu überlassen, nicht, freilich, damit sie nachhole, was das Nürnberger Tribunal versäumt hatte, sondern damit der Staat und sein Staatsmann sich als unbeugsam erwiesen.
Seit Jahren frage ich jeden, der den Niedergang der Welt mit dem Seufzer "Ja, früher, als Schmidt noch Kanzler war" begreint, welchen Taten Schmidts seine Bewunderung gelte. Keiner wußte mehr als die angeführten zwei zu nennen, die meisten nicht einmal die. Und so bleibt Schmidts Vita ein neuerliches Attest der Weisheit der beiden Sprüche, mit denen mein Vater mich einst in den Ernst des Lebens hinausgeschickt hat: Wer angibt, hat's nötig. Und: Wer angibt, hat mehr vom Leben.
konkret 01/11
Manchmal dachte ich, frag jetzt nicht weiter, Maischberger. Tu ihm nicht weh. Frag den traurigen König nicht, wie er trauert – denn man sah es ja.
Die Augen rot unterlaufen, der Blick meist gesenkt. Es vergehen Minuten, bis er antwortet. Sein Haar ist nicht gekämmt. Er sieht aus wie ein Witwer ohne Frau. Wenn Frau Maischberger über die aktuelle Politik redet, dann wachte der Witwer auf. Dann hat er Geistesblitze.
Helmut Schmidt sagt: „Das war Lokis Meinung und es ist meine Meinung. Wir leben weiter. Kein Molekül, keine Energie ist verloren.“
Zu einem großen Interview gehörten immer zwei. Sandra Maischberger hat ein großes Interview geführt. Note 1, großer Respekt.
Herzlichst
Widerlich wie immer, der Wagner, und Frau Maischberger kann einem leid tun ob dieses Lobs. Die Geistesblitze des Weltökonomen bewegen sich wie immer auf dem Niveau von Wasserstandsmeldungen.
Der Hauptmann der Reserve, ab Juni 1962 Innensenator der Freien und Hansestadt Hamburg erlangte vor allem als Krisenmanager bei der Sturmflut 1962 an der deutschen Nordseeküste in der Nacht vom 16. auf den 17. Februar 1962 Popularität und sehr hohes Ansehen... Ohne dazu durch gesetzliche Grundlagen legimitiert zu sein, nutzte Schmidt bestehende Kontakte zur Bundeswehr und NATO, um auch mit Soldaten, Hilfsgütern, Hubschraubern und Pioniergerät von Bundeswehr und Alliierten schnelle und umfassende Hilfe zu ermöglichen... Er wird hierzu mit den Worten zitiert: „Ich habe das Grundgesetz nicht angeguckt in jenen Tagen“. wikibla
Für 83 Prozent der Bundesbürger verkörpert Helmut Schmidt das Deutschland, das sie sich wünschen. Und er genießt die höchste Achtung als moralische Instanz. SpOn
Michael Schilling
Nachruf voraus
Warum Helmut Schmidt nicht sterben darf.
Hannelore Schmidt scheint, gleichlautenden Nachrufen zum Trotz, eine ganz nette Frau gewesen zu sein. Der Schachtelhalm segne ihr Andenken. Nun jedoch, da der Wunsch der Schmidts, zusammen zu sterben, wie eine hinterbliebene Redakteurin des Norddeutschen Rundfunks trauerte, "leider nicht in Erfüllung gegangen ist", müssen wir stark sein. Denn lang kann es nicht mehr hin sein bis zu den Nachrufen auf den der Loki nunmehr als Single folgenden Altkanzler, den größten Staatsmann aller Zeiten, den tiefsten Denker und mutigsten Lenker, den klügsten Pragmatiker und weisesten Philosophen, den Freund der Künstler und der Künste, den Anwalt der kleinen wie der größten Männer, von den mittleren nicht zu reden.
Keine dumme Kuh wäre groß genug, daß auf ihre Haut ginge, was der Leitartikel, das Feuilleton, der Funk und das Fernsehen über den gerade verblichenen Helmut Schmidt sich zusammenhudeln werden. Maulwerker werden seinen Sarg tragen, die Geistlichen aller Kirchen ihn begleiten. Auf dem Weg zur letzten Ruh' wird ein Trara sein, in dem jede Frage danach untergehen wird, was der Schmidt, außer entschlossen in die Gegend zu gucken und mit sich selbst um die Wette zu paffen, im sogenannten Berichtszeitraum eigentlich Berichtenswertes vollbracht hat.
Nach Abzug seiner Reden über Gott, Kant, Barlach und die Welt, die bei näherem Hinsehen nichts provozieren als Fremdscham (siehe dazu Gremlizas "Rechts, wo der Blinddarm ist" in dem von Ulrich Sonnemann herausgegebenen Wie frei sind unsere Politiker?, 1968, sowie ders. "Schmidt vs. Schmidt" in Literatur Konkret 1988), bleiben von Schmidts Gesammelten Werken nicht mehr als zwei. Die erste Großtat vollbrachte er 1962, indem er als Innensenator von Hamburg die Wasser der Sturmflut eigenhändig über die Deiche zurück ins Flußbett der Elbe schippte, wobei er einen Kommandoton anstimmte, der seinen Bürgermeister Nevermann fragen ließ: "Aber Helmut, die Hamburgische Verfassung gilt doch noch?" Sie galt nicht mehr. Das zweite Opus magnum war, den gelernten SS-Führer Hanns Martin Schleyer der RAF zu überlassen, nicht, freilich, damit sie nachhole, was das Nürnberger Tribunal versäumt hatte, sondern damit der Staat und sein Staatsmann sich als unbeugsam erwiesen.
Seit Jahren frage ich jeden, der den Niedergang der Welt mit dem Seufzer "Ja, früher, als Schmidt noch Kanzler war" begreint, welchen Taten Schmidts seine Bewunderung gelte. Keiner wußte mehr als die angeführten zwei zu nennen, die meisten nicht einmal die. Und so bleibt Schmidts Vita ein neuerliches Attest der Weisheit der beiden Sprüche, mit denen mein Vater mich einst in den Ernst des Lebens hinausgeschickt hat: Wer angibt, hat's nötig. Und: Wer angibt, hat mehr vom Leben.
konkret 01/11
gebattmer - 2010/12/19 23:29
Schöne Grüße vom Schwarzen Berg