Rewind: Guttenberg-Gambolputty's letztes Interview
Dem auch in meiner Blog-Roll grassierenden Gutt-bye will ich mich nicht verschließen; - hier noch einmal das legendäre letzte Interview (dann soll auch Schluss sein):
... bis auf den schönsten Nachruf - von Volker Pispers:
Terrorgefahr gebannt, Kriegsminister erklärt Kapitulation
via chefarztfraulicher: beobachter
... und doch noch einen Nachtrag:
Dieter Hildebrandt über das Verhältnis von Politik und Lüge bei DRadio Daily Agenda (siehe Sidebar rechts).
... und doch einer:
Georg Seeßlen über Berlusconismus - oder: Der Freiherr als Staubsaugervertreter
Guttenberg geht für den Moment, aber er wird wiederkommen. Ein vorläufiger Nachruf auf einen künftigen Politikertypus
Jedes europäische Land auf dem Weg in die Postdemokratie bekommt den Berlusconismus und seine Vertreter, die es verdient. In ihrer äußeren Erscheinung und in ihrer back story mögen sie unterschiedlich sein, die Postdemokraten in Italien, Frankreich, Russland, Polen oder nun eben Deutschland; das Grundmodell ihrer Macht dagegen ähnelt einander verblüffend.
Karl-Theodor zu Guttenberg begründete seinen Rücktritt als Verteidigungsminister mit der veränderten Wahrnehmung seiner Person durch die Medien. Das war keineswegs überraschend: Der berlusconistische Politiker erhält seine Macht nicht so sehr durch die parlamentarisch-demokratischen Institutionen und nicht durch die Hierarchien und Allianzen der Parteien, sondern vor allem durch die Medien. Nicht Wahl oder Diskurs entschieden über seine Macht, sondern seine mediale Präsenz – möglichst überraschend, möglichst „unpolitisch“.
Dementsprechend definiert er sich als meta-parteilich, als unabhängig und solitär. So wird er zur direkten Antwort auf die „Politikverdrossenheit“, die nicht zuletzt eine Parteienverdrossenheit ist: Berlusconismus ist, unter vielem anderen, Politik für Leute, die mit Politik nichts im Sinne haben, sowohl unpolitische Politik als auch politische Un-Politik.
Damit hängt zusammen, dass der berlusconistische Politiker sich nach den Gesetzen der Unterhaltungsindustrie inszeniert. So wie er selber als gecasteter Typus in einer politischen Seifenoper erscheint, verbindet er sich auf einer zweiten Ebene mit dem Entertainment: Der eine heiratet eine Schlagersängerin, der andere lässt sich von Quiz-Kasperles hoffieren, jener unterdrückt und dieser kauft die Zeitungen, die er braucht. Der unsere lässt seine Frau als Pädophilenjägerin im Privatfernsehen auftreten und ist mit eingebetteten Schreibern und Bildermachern unterwegs.
Zur Inszenierung gehört weiter, dass der berlusconistische Politiker Wert auf sein Erscheinungsbild legt, was durchaus karikaturistische Drastik beinhalten kann: Von „Burlesquonis“ Lifting zu Guttenbergs Haargel – stets erscheint eine Art bizarrer, etwas vulgärer Eitelkeit, ein polyvalentes sexuell-ökonomisches Bild. Nicht schön, aber laut....
Er erhält seine Zustimmung, wie medial diese auch immer manipuliert sein mag, nicht trotz, sondern gerade wegen seiner Verstöße gegen Gesetz und die fundamentalen Regeln von Stil und Anstand. Er ist ein Volksheld auch in dem Sinne, dass er sich scheinbar ehrlich – „Blödsinn“ – zu seinem Verhalten bekennt: Ohne bescheißen kommt man zu nichts. Wesenszug dieses Populismus ist der Anti-Intellektualismus. Insofern geht es in der Zustimmung zum Bescheißen nicht nur ums Akzeptieren unehrenhaften Verhaltens, sondern auch um die Abwertung der akademischen Institutionen.
... weiter im Freitag 9/11
... bis auf den schönsten Nachruf - von Volker Pispers:
Terrorgefahr gebannt, Kriegsminister erklärt Kapitulation
via chefarztfraulicher: beobachter
... und doch noch einen Nachtrag:
Dieter Hildebrandt über das Verhältnis von Politik und Lüge bei DRadio Daily Agenda (siehe Sidebar rechts).
... und doch einer:
Georg Seeßlen über Berlusconismus - oder: Der Freiherr als Staubsaugervertreter
Guttenberg geht für den Moment, aber er wird wiederkommen. Ein vorläufiger Nachruf auf einen künftigen Politikertypus
Jedes europäische Land auf dem Weg in die Postdemokratie bekommt den Berlusconismus und seine Vertreter, die es verdient. In ihrer äußeren Erscheinung und in ihrer back story mögen sie unterschiedlich sein, die Postdemokraten in Italien, Frankreich, Russland, Polen oder nun eben Deutschland; das Grundmodell ihrer Macht dagegen ähnelt einander verblüffend.
Karl-Theodor zu Guttenberg begründete seinen Rücktritt als Verteidigungsminister mit der veränderten Wahrnehmung seiner Person durch die Medien. Das war keineswegs überraschend: Der berlusconistische Politiker erhält seine Macht nicht so sehr durch die parlamentarisch-demokratischen Institutionen und nicht durch die Hierarchien und Allianzen der Parteien, sondern vor allem durch die Medien. Nicht Wahl oder Diskurs entschieden über seine Macht, sondern seine mediale Präsenz – möglichst überraschend, möglichst „unpolitisch“.
Dementsprechend definiert er sich als meta-parteilich, als unabhängig und solitär. So wird er zur direkten Antwort auf die „Politikverdrossenheit“, die nicht zuletzt eine Parteienverdrossenheit ist: Berlusconismus ist, unter vielem anderen, Politik für Leute, die mit Politik nichts im Sinne haben, sowohl unpolitische Politik als auch politische Un-Politik.
Damit hängt zusammen, dass der berlusconistische Politiker sich nach den Gesetzen der Unterhaltungsindustrie inszeniert. So wie er selber als gecasteter Typus in einer politischen Seifenoper erscheint, verbindet er sich auf einer zweiten Ebene mit dem Entertainment: Der eine heiratet eine Schlagersängerin, der andere lässt sich von Quiz-Kasperles hoffieren, jener unterdrückt und dieser kauft die Zeitungen, die er braucht. Der unsere lässt seine Frau als Pädophilenjägerin im Privatfernsehen auftreten und ist mit eingebetteten Schreibern und Bildermachern unterwegs.
Zur Inszenierung gehört weiter, dass der berlusconistische Politiker Wert auf sein Erscheinungsbild legt, was durchaus karikaturistische Drastik beinhalten kann: Von „Burlesquonis“ Lifting zu Guttenbergs Haargel – stets erscheint eine Art bizarrer, etwas vulgärer Eitelkeit, ein polyvalentes sexuell-ökonomisches Bild. Nicht schön, aber laut....
Er erhält seine Zustimmung, wie medial diese auch immer manipuliert sein mag, nicht trotz, sondern gerade wegen seiner Verstöße gegen Gesetz und die fundamentalen Regeln von Stil und Anstand. Er ist ein Volksheld auch in dem Sinne, dass er sich scheinbar ehrlich – „Blödsinn“ – zu seinem Verhalten bekennt: Ohne bescheißen kommt man zu nichts. Wesenszug dieses Populismus ist der Anti-Intellektualismus. Insofern geht es in der Zustimmung zum Bescheißen nicht nur ums Akzeptieren unehrenhaften Verhaltens, sondern auch um die Abwertung der akademischen Institutionen.
... weiter im Freitag 9/11
gebattmer - 2011/03/01 20:06
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