Archäologie (CCXX) : Lyrik im Simplicissimus: worship oil
Heute aus der Ausgabe vom 11.02.1929
700 Intellektuelle beten einen Öltank an
Von Bertolt Brecht
Ohne Einladung
Sind wir gekommen
Siebenhundert (und viele sind noch unterwegs)
Überall her,
Wo kein Wind mehr weht,
Von den Mühlen, die langsam mahlen, und
Von den Öfen, hinter denen es heißt,
Daß kein Hund mehr vorkommt.
Und haben Dich gesehen
Plötzlich über Nacht,
Öltank.
Gestern warst Du noch nicht da,
Aber heute
Bist nur Du mehr.
Eilet herbei, alle,
Die ihr absägt den Ast, auf dem ihr sitzet,
Werktätige!
Gott ist wiedergekommen
In Gestalt eines Öltanks.
Du Häßlicher,
Du bist der Schönste!
Tue uns Gewalt an,
Du Sachlicher!
Lösche aus unser Ich!
Mache uns kollektiv!
Denn nicht wie wir wollen,
Sondern wie Du willst.
Du bist nicht gemacht aus Elfenbein und Ebenholz,
sondern aus Eisen.
Herrlich, herrlich, herrlich!
Du Unscheinbarer!
Du bist kein Unsichtbarer,
Nicht unendlich bist Du!
Sondern sieben Meter hoch.
In Dir ist kein Geheimnis,
Sondern Öl,
Und Du verfährst mit uns
Nicht nach Gutdünken, noch unerforschlich,
Sondern nach Berechnung.
Was ist für Dich ein Gras?
Du sitzest darauf.
Wo ehedem ein Gras war,
Da sitzest jetzt Du, Öltank!
Und vor Dir ist ein Gefühl
Nichts.
Darum erhöre uns
Und erlöse uns von dem Übel des Geistes
Im Namen der Elektrifizierung,
Der Ratio und der Statistik!
... verdruckste Intellektuelle bei der Verrichtung ihres täglichen kleinen Verrats: Das ist kein schöner Anblick. (GBlog-Archiv).
Nichts wird entschuldigt bei Brecht: Ohne Einladung / Sind wir gekommen.
Einiges wird erklärt: Die fehlende Bereitschaft, die Mühen zu ertragen in den Mühlen zu arbeiten, die langsam mahlen; die Zwänge des Marktes, jeden Tag, um den eigenen Marktwert zu erhalten, den Hund mit neuer Aufregung hinter dem Ofen hervorzulocken, der aber gar nicht vorkommen will, weil er weiß, dass er, lässt er sich hervorlocken, schon damit den Ast absägt, auf dem er sitzt ...
In Zeiten des frühen Fordismus beten sie den Öltank an. Noch vor wenigen Jahren konnte man lesen: Ich bin zwei Öltanks. Das war das alte Wachstumsmodell.
Ist Peak Oil erreicht, das Öl verbrannt, kommt Gott wieder - in postfordistisch reinerer Gestalt : der Finanzmärkte, der reinen Zahl, der Chiffre (aus G - W - G' wird G - G' - G''...), der reinen Abstraktion.
Setzen Sie probeweise einmal dies oder jenes für den angebeteten Öltank ein. Das Gedicht beginnt dann zu arbeiten ...
... und/oder lesen Sie in der neuesten Ausgabe der
real-world economics review - Issue no. 61, 26 September 2012
z. B. den Artikel Degrowth, expensive oil, and the new economics of energy
von Samuel Alexander, download hier oder hier - und dann das Gedicht noch einmal.
Note: Forecast using energy estimates in Figure 6 divided by UN world population estimates. Amounts before the black line are actual; after the black line are estimates.
Source: Gail Tverberg, OurFiniteWorld.com
700 Intellektuelle beten einen Öltank an
Von Bertolt Brecht
Ohne Einladung
Sind wir gekommen
Siebenhundert (und viele sind noch unterwegs)
Überall her,
Wo kein Wind mehr weht,
Von den Mühlen, die langsam mahlen, und
Von den Öfen, hinter denen es heißt,
Daß kein Hund mehr vorkommt.
Und haben Dich gesehen
Plötzlich über Nacht,
Öltank.
Gestern warst Du noch nicht da,
Aber heute
Bist nur Du mehr.
Eilet herbei, alle,
Die ihr absägt den Ast, auf dem ihr sitzet,
Werktätige!
Gott ist wiedergekommen
In Gestalt eines Öltanks.
Du Häßlicher,
Du bist der Schönste!
Tue uns Gewalt an,
Du Sachlicher!
Lösche aus unser Ich!
Mache uns kollektiv!
Denn nicht wie wir wollen,
Sondern wie Du willst.
Du bist nicht gemacht aus Elfenbein und Ebenholz,
sondern aus Eisen.
Herrlich, herrlich, herrlich!
Du Unscheinbarer!
Du bist kein Unsichtbarer,
Nicht unendlich bist Du!
Sondern sieben Meter hoch.
In Dir ist kein Geheimnis,
Sondern Öl,
Und Du verfährst mit uns
Nicht nach Gutdünken, noch unerforschlich,
Sondern nach Berechnung.
Was ist für Dich ein Gras?
Du sitzest darauf.
Wo ehedem ein Gras war,
Da sitzest jetzt Du, Öltank!
Und vor Dir ist ein Gefühl
Nichts.
Darum erhöre uns
Und erlöse uns von dem Übel des Geistes
Im Namen der Elektrifizierung,
Der Ratio und der Statistik!
... verdruckste Intellektuelle bei der Verrichtung ihres täglichen kleinen Verrats: Das ist kein schöner Anblick. (GBlog-Archiv).
Nichts wird entschuldigt bei Brecht: Ohne Einladung / Sind wir gekommen.
Einiges wird erklärt: Die fehlende Bereitschaft, die Mühen zu ertragen in den Mühlen zu arbeiten, die langsam mahlen; die Zwänge des Marktes, jeden Tag, um den eigenen Marktwert zu erhalten, den Hund mit neuer Aufregung hinter dem Ofen hervorzulocken, der aber gar nicht vorkommen will, weil er weiß, dass er, lässt er sich hervorlocken, schon damit den Ast absägt, auf dem er sitzt ...
In Zeiten des frühen Fordismus beten sie den Öltank an. Noch vor wenigen Jahren konnte man lesen: Ich bin zwei Öltanks. Das war das alte Wachstumsmodell.
Ist Peak Oil erreicht, das Öl verbrannt, kommt Gott wieder - in postfordistisch reinerer Gestalt : der Finanzmärkte, der reinen Zahl, der Chiffre (aus G - W - G' wird G - G' - G''...), der reinen Abstraktion.
Setzen Sie probeweise einmal dies oder jenes für den angebeteten Öltank ein. Das Gedicht beginnt dann zu arbeiten ...
... und/oder lesen Sie in der neuesten Ausgabe der
real-world economics review - Issue no. 61, 26 September 2012
z. B. den Artikel Degrowth, expensive oil, and the new economics of energy
von Samuel Alexander, download hier oder hier - und dann das Gedicht noch einmal.
Note: Forecast using energy estimates in Figure 6 divided by UN world population estimates. Amounts before the black line are actual; after the black line are estimates.
Source: Gail Tverberg, OurFiniteWorld.com
gebattmer - 2012/09/26 19:40
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