Zu Fischers r2p II: Grundkurs Völkerrecht
Reinhard Merkel
Die Militärintervention gegen Gaddafi ist illegitim
Die Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrats vom 17. März, die den Weg zur militärischen Intervention in Libyen freigab, und Maß und Ziel dieser Intervention selbst überschreiten die Grenzen des Rechts. Nicht einfach nur die Grenzen positiver Normen – das geschieht im Völkerrecht oft und gehört zum Motor seiner Entwicklung. Sondern die seiner Fundamente: der Prinzipien, auf denen jedes Recht zwischen den Staaten beruht.
Strenger als es der Sicherheitsrat getan hat, müssen zwei denkbare Ziele der Intervention unterschieden werden: die Verhinderung schwerer völkerrechtlicher Verbrechen und die gewaltsame Parteinahme zur Entscheidung eines Bürgerkriegs. Beides unterliegt höchst unterschiedlichen Möglichkeiten der Rechtfertigung. An eine dritte Unterscheidung sei vorsichtshalber erinnert: Ob man Gewalttaten unterbinden oder Diktatoren zum Teufel jagen soll, ist die eine Frage – selbstverständlich soll man das, so gut es geht. Eine ganz andere ist es aber, ob man zu diesem Zweck einen Krieg führen darf, dessen Folgen politisch wie normativ schwer abzusehen sind…
Ganz gewiss: Gaddafi ist ein Schurke, dessen Entfernung von der Macht ein Segen wäre, nicht nur für Libyen. Aber die Annahme, die ihn bekämpfenden Rebellen seien eine Demokratiebewegung mit homogenen freiheitlichen Zielen, ist lebensblind. Niemand durchschaut das dunkle Gemisch politisch-ideologischer Orientierungen unter den Rebellen derzeit auch nur annähernd…
Hätten die Verfasser der Resolution deren humanitäre Begrenzung ernst gemeint, dann hätten sie die drohende Nötigung, mit der Gewalt aufzuhören, deutlich an beide Seiten richten müssen. Das haben sie nicht. Es ist aber ein normatives Unding, zur Befriedung eines militärischen Konflikts die Machtmittel der einen Seite auszuschalten, um denen der anderen zur freien Wirkung zu verhelfen. Nur so freilich lässt sich der Sturz Gaddafis erreichen. Und eben darum geht es.
Nun also: Darf man zum Schutz der Zivilbevölkerung eines anderen Staates gegen diesen Staat Krieg führen? Ja, in Extremfällen darf man das – wenn sich nur so ein Völkermord oder systematische Verbrechen gegen die Menschlichkeit verhindern lassen, wie sie Artikel 7 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs beschreibt…
„Der Diktator führt Krieg gegen sein eigenes Volk, bombardiert systematisch seine eigene Bevölkerung, massakriert die Zivilbevölkerung seines Landes“ – ja, das alles, in den vergangenen Tagen tausendfach wiederholt, wären Beispiele für gravierende Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Aber Gaddafi führt Krieg gegen bewaffnete Rebellen, die ihrerseits Krieg gegen ihn führen...
Quelle: FAZ - via nds
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Exkurs:
Gaddafis Neoliberaler ist nun Rebellenchef
Mahmud Jibril, Chef der Übergangsregierung in Libyen
Der Standart.at vom 28. März 2011
Von Beginn an gaben die libyschen Rebellen Rätsel auf - was dazu beitrug, dass sich die USA ihre Unterstützung relativ lange überlegten. Seit voriger Woche existiert nun eine libysche Gegenregierung, geführt von Mahmud Jibril. ...
Mahmud Jibril, der bereits im Ausland für den Nationalrat verhandelt hat, ist eine der wenigen libyschen Oppositionsfiguren (ausgenommen die Exillibyer), die in der freien Welt ganz gut vernetzt sind. Jibril ist 1952 in Bengasi geboren, hat in Kairo und danach in Pittsburgh in den USA studiert und dort seinen Master und sein Doktorat in "Strategischer Planung" gemacht. Etliche Jahre unterrichtete er sein Fach in Pittsburgh und schrieb dazu Bücher. Für etliche arabische Regierungen - auch die libysche - erstellte und managte er Trainingsprogramme für Führungskräfte, die sich die wirtschaftliche Öffnung ihrer Länder vorgenommen hatten.
2007 trat er vollends in die Dienste Muammar al-Gaddafis: Der Neoliberale Jibril wurde Chef des NEDB, des National Economic Development Board. Die Sanktionszeit war vorbei, die libysche Wirtschaft sollte auf Vordermann gebracht werden. Manche sagen, dass er dabei brav den Ratschlägen von US-Konsulenten folgte und damit auch die Interessen seiner amerikanischen Freunde vertrat...
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Siehe auch (Wiederholung):
das sehr empfehlenswerte Interview mit Reinhard Merkel (Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Hamburg, u. a. durch seine völkerrechtliche Argumentation gegen den Nato-Krieg im Kosovo (1998/99) bekannt) in der taz vom 25.02.11, in dem Merkel sehr präzise grundlegende völkerrechtliche Prinzipien erläutert.
Die Militärintervention gegen Gaddafi ist illegitim
Die Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrats vom 17. März, die den Weg zur militärischen Intervention in Libyen freigab, und Maß und Ziel dieser Intervention selbst überschreiten die Grenzen des Rechts. Nicht einfach nur die Grenzen positiver Normen – das geschieht im Völkerrecht oft und gehört zum Motor seiner Entwicklung. Sondern die seiner Fundamente: der Prinzipien, auf denen jedes Recht zwischen den Staaten beruht.
Strenger als es der Sicherheitsrat getan hat, müssen zwei denkbare Ziele der Intervention unterschieden werden: die Verhinderung schwerer völkerrechtlicher Verbrechen und die gewaltsame Parteinahme zur Entscheidung eines Bürgerkriegs. Beides unterliegt höchst unterschiedlichen Möglichkeiten der Rechtfertigung. An eine dritte Unterscheidung sei vorsichtshalber erinnert: Ob man Gewalttaten unterbinden oder Diktatoren zum Teufel jagen soll, ist die eine Frage – selbstverständlich soll man das, so gut es geht. Eine ganz andere ist es aber, ob man zu diesem Zweck einen Krieg führen darf, dessen Folgen politisch wie normativ schwer abzusehen sind…
Ganz gewiss: Gaddafi ist ein Schurke, dessen Entfernung von der Macht ein Segen wäre, nicht nur für Libyen. Aber die Annahme, die ihn bekämpfenden Rebellen seien eine Demokratiebewegung mit homogenen freiheitlichen Zielen, ist lebensblind. Niemand durchschaut das dunkle Gemisch politisch-ideologischer Orientierungen unter den Rebellen derzeit auch nur annähernd…
Hätten die Verfasser der Resolution deren humanitäre Begrenzung ernst gemeint, dann hätten sie die drohende Nötigung, mit der Gewalt aufzuhören, deutlich an beide Seiten richten müssen. Das haben sie nicht. Es ist aber ein normatives Unding, zur Befriedung eines militärischen Konflikts die Machtmittel der einen Seite auszuschalten, um denen der anderen zur freien Wirkung zu verhelfen. Nur so freilich lässt sich der Sturz Gaddafis erreichen. Und eben darum geht es.
Nun also: Darf man zum Schutz der Zivilbevölkerung eines anderen Staates gegen diesen Staat Krieg führen? Ja, in Extremfällen darf man das – wenn sich nur so ein Völkermord oder systematische Verbrechen gegen die Menschlichkeit verhindern lassen, wie sie Artikel 7 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs beschreibt…
„Der Diktator führt Krieg gegen sein eigenes Volk, bombardiert systematisch seine eigene Bevölkerung, massakriert die Zivilbevölkerung seines Landes“ – ja, das alles, in den vergangenen Tagen tausendfach wiederholt, wären Beispiele für gravierende Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Aber Gaddafi führt Krieg gegen bewaffnete Rebellen, die ihrerseits Krieg gegen ihn führen...
Quelle: FAZ - via nds
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Exkurs:
Gaddafis Neoliberaler ist nun Rebellenchef
Mahmud Jibril, Chef der Übergangsregierung in Libyen
Der Standart.at vom 28. März 2011
Von Beginn an gaben die libyschen Rebellen Rätsel auf - was dazu beitrug, dass sich die USA ihre Unterstützung relativ lange überlegten. Seit voriger Woche existiert nun eine libysche Gegenregierung, geführt von Mahmud Jibril. ...
Mahmud Jibril, der bereits im Ausland für den Nationalrat verhandelt hat, ist eine der wenigen libyschen Oppositionsfiguren (ausgenommen die Exillibyer), die in der freien Welt ganz gut vernetzt sind. Jibril ist 1952 in Bengasi geboren, hat in Kairo und danach in Pittsburgh in den USA studiert und dort seinen Master und sein Doktorat in "Strategischer Planung" gemacht. Etliche Jahre unterrichtete er sein Fach in Pittsburgh und schrieb dazu Bücher. Für etliche arabische Regierungen - auch die libysche - erstellte und managte er Trainingsprogramme für Führungskräfte, die sich die wirtschaftliche Öffnung ihrer Länder vorgenommen hatten.
2007 trat er vollends in die Dienste Muammar al-Gaddafis: Der Neoliberale Jibril wurde Chef des NEDB, des National Economic Development Board. Die Sanktionszeit war vorbei, die libysche Wirtschaft sollte auf Vordermann gebracht werden. Manche sagen, dass er dabei brav den Ratschlägen von US-Konsulenten folgte und damit auch die Interessen seiner amerikanischen Freunde vertrat...
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Siehe auch (Wiederholung):
das sehr empfehlenswerte Interview mit Reinhard Merkel (Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Hamburg, u. a. durch seine völkerrechtliche Argumentation gegen den Nato-Krieg im Kosovo (1998/99) bekannt) in der taz vom 25.02.11, in dem Merkel sehr präzise grundlegende völkerrechtliche Prinzipien erläutert.
gebattmer - 2011/03/23 21:32
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