Powerpointlessness
ein interessanter Vortrag von Burkhard Spinnen zur Powerpointisierung des Alltags und des Präsentierens: „Denken mit Powerpoint – vom Niedergang der Vortragskultur“ in der Reihe Aula von swr2 (via Konsumpf; - nebenbei bemerkt: schön, dass es noch öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt! Jakob Augstein im Freitag über die Kritiker des örR bei faz und spon: Hier ist eine Generation am Werk, der beigebracht wurde, allem Öffentlichen zu misstrauen und das Heil im Privaten zu suchen. Aber entweder pfeifen die Kollegen dabei auf Grundgesetz und Verfassungsgericht. Oder sie verfolgen eigene Interessen. Man kann getrost davon ausgehen, dass beides der Fall ist.)
... Gründe dafür, dass man besser heute als morgen der gängigen Praxis des Powerpointens ein Ende machen sollte.
Erster Grund: Ein Programm formatiert das Denken und Reden.
... Formatierung des Denkens und Redens erfolgt nicht durch geheime Features des Programms, sondern – und ungleich stärker – über die fraglose Ineinssetzung von Kommunikationsakt und Programmgebrauch. Bald herrscht die Gleichung: Ich will etwas sagen – also werde Genau darin aber liegt ein Gutteil der Katastrophe Powerpoint: dass dieses Programm eine technische Möglichkeit zum Standard, eine Variante zur Regel erhoben hat....
Der zweite Grund: Powerpoint verführt zur Kopie.
... Powerpoint kreiert einen digitalen „Horror vacui“. Überlebensgroß an die Wand
gebeamt, ist die halb leere weiße Seite noch viel leerer als ihre kleine papierene
Schwester. Der Wunsch, alles noch bunter, noch üppiger, noch belebter zu machen,
verführt den Powerpointer zu einer permanenten Einkaufsreise durch die Weiten des
Netzes, bei der freilich der Einkaufskorb immer voller wird, während das
Portemonnaie geschlossen bleibt. Oder anders gesagt: Wer powerpointet, klinkt sich
mehr oder minder automatisch in ein Bewusstsein ein, für das Netzinhalte wie
selbstverständlich zur Instrumentierung der eigenen Kommunikation bereitstehen...
Und schließlich mein dritter und wichtigster Grund: Powerpoint treibt den Menschen aus seinem Sprechen.
Nun könnte man mir ja immer noch entgegenhalten, dass all das, was ich hier
beschworen habe, durchaus passieren kann, aber eben nicht passieren muss.
Menschen können das Programm Powerpoint doch auf eine individuelle und kreative
Art und Weise nutzen; sie können damit, wenn sie nur wollen, auch die
authentischen Produkte ihrer eigenen Kreativität vermitteln...
... ganz unabhängig davon, wie selbstbestimmt und kreativ
das Programm im Einzelfall genutzt wird und wie wertvoll seine Inhalte sein mögen –
es ist doch jede, aber auch jede Powerpoint-Präsentation ganz auf die
programmeigene Dramaturgie verpflichtet. Und in dieser Dramaturgie sehe ich vor
allem die Austreibung des Menschen aus seinem Sprechen realisiert. Denn was
passiert: Aus dem Redner wird der Kommentator einer digitalen Diaschau. Aus den
Zuhörern werden Zuschauer; ihre Blickrichtung ist nicht mehr am Sprechenden,
sondern an der Wand neben oder hinter ihm ausgerichtet....

Das komplette Manuskript der Sendung hier und der Vortrag als mp3 hier!
... Gründe dafür, dass man besser heute als morgen der gängigen Praxis des Powerpointens ein Ende machen sollte.
Erster Grund: Ein Programm formatiert das Denken und Reden.
... Formatierung des Denkens und Redens erfolgt nicht durch geheime Features des Programms, sondern – und ungleich stärker – über die fraglose Ineinssetzung von Kommunikationsakt und Programmgebrauch. Bald herrscht die Gleichung: Ich will etwas sagen – also werde Genau darin aber liegt ein Gutteil der Katastrophe Powerpoint: dass dieses Programm eine technische Möglichkeit zum Standard, eine Variante zur Regel erhoben hat....
Der zweite Grund: Powerpoint verführt zur Kopie.
... Powerpoint kreiert einen digitalen „Horror vacui“. Überlebensgroß an die Wand
gebeamt, ist die halb leere weiße Seite noch viel leerer als ihre kleine papierene
Schwester. Der Wunsch, alles noch bunter, noch üppiger, noch belebter zu machen,
verführt den Powerpointer zu einer permanenten Einkaufsreise durch die Weiten des
Netzes, bei der freilich der Einkaufskorb immer voller wird, während das
Portemonnaie geschlossen bleibt. Oder anders gesagt: Wer powerpointet, klinkt sich
mehr oder minder automatisch in ein Bewusstsein ein, für das Netzinhalte wie
selbstverständlich zur Instrumentierung der eigenen Kommunikation bereitstehen...
Und schließlich mein dritter und wichtigster Grund: Powerpoint treibt den Menschen aus seinem Sprechen.
Nun könnte man mir ja immer noch entgegenhalten, dass all das, was ich hier
beschworen habe, durchaus passieren kann, aber eben nicht passieren muss.
Menschen können das Programm Powerpoint doch auf eine individuelle und kreative
Art und Weise nutzen; sie können damit, wenn sie nur wollen, auch die
authentischen Produkte ihrer eigenen Kreativität vermitteln...
... ganz unabhängig davon, wie selbstbestimmt und kreativ
das Programm im Einzelfall genutzt wird und wie wertvoll seine Inhalte sein mögen –
es ist doch jede, aber auch jede Powerpoint-Präsentation ganz auf die
programmeigene Dramaturgie verpflichtet. Und in dieser Dramaturgie sehe ich vor
allem die Austreibung des Menschen aus seinem Sprechen realisiert. Denn was
passiert: Aus dem Redner wird der Kommentator einer digitalen Diaschau. Aus den
Zuhörern werden Zuschauer; ihre Blickrichtung ist nicht mehr am Sprechenden,
sondern an der Wand neben oder hinter ihm ausgerichtet....

Das komplette Manuskript der Sendung hier und der Vortrag als mp3 hier!
gebattmer - 2011/06/10 19:18
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