Multisensory Keynote zum Fest
Mir geht's heute wie Roberto De Lapuente gestern: Ich weiß nicht mehr, was ich dazu noch sagen soll. Auch ich hatte Hoffnung, dass sich 2013 etwas zum Besseren wenden könnte, dass sich zumindest Widersprüche zuspitzen oder wichtige Debatten entzünden könnten, aber seit ich die ganzseitige Anzeige in meiner LieblingsHAZ vom Wochenende gelesen habe, in der sie ihr Expertenforum 2013 annonciert, muss ich jede Hoffnung fahren lassen.
Da werden hochinteressante Themen und erstklassige Referenten ... zehn Dienstagabende ... voller Wissen und Praxisnähe im Expowal (?!), Chicago Lane 9 (!!!!?) in 30539 Hannover angekündigt, zum Preis von 499,00 € im Paket - einzeln müssten Sie für die keynotes je 69,90 in die Hand nehmen oder wie das heute heißt.
"Von den Besten profitieren"
Diese Besten sind Infotainer, Mentalcoache(s - oder wie ist Plural dazu im Deutschen?), Expertinnen für Karriere-Netzwerke, Top- und Keynote-Speaker, Trendforscher und Hardselling-Experten und eben deshalb bzw. angesichts der Tatsache, dass es Leute gibt, die dafür 500 Euro in die Hand nehmen, ist es mit meiner Hoffnung so wie es ist. Lesen Sie mal die Ankündigungen! Dann wissen Sie, was auf uns zukommt:
Branding = Brandzeichen, in die Haut gebranntes Zeichen zur Erkennung von Pferden oder Rindern, und das war ja wohl immer schon multisensorisch, jedenfalls für die Betroffenen. Insofern stellt sich doch die Frage, was der Diplomkaufmann da Neues erzählen wird ...
Dann hat's auch noch einen Professor, der fordert ein Ende der Kreidezeit in den Schulen und eine Kultur, in der „Hirn verpflichtet“, sich selbst zu bilden. Das künftige Bildungssystem muss ganz anders sein. Alibi-Milliarden reichen nicht. Kopfreform!
Was bitte ist Bedeutung von dieses?
Wissen ist im iPad überall verfügbar. In der kommenden „Wissensgesellschaft“ müssen wir eher etwas wirklich können als nur wissen: Beraten, helfen, verstehen, kommunizieren, Probleme lösen, multikulturell agieren. Unser jetzt schon antiquiertes Bildungssystem belädt uns nur mit Faktenwissen!
Abgesehen davon, dass der Mann abgehackte Windmühlenflügel umrennt, weil im Zuge der Kompetenzorientierung das Wissen bereits weitgehend abgeschafft wurde, so dass unser - auch sehr schön formuliert - jetzt schon antiquiertes Bildungssystem (wenn nicht jetzt, wann dann?) an die Wand gefahren wurde. Und zwar von denen, die wie der Herr Professor meinen, man könne etwas können ohne Wissen und das Wissen sei im iPad. Soviel ich weiß, sind da nur elektronische Bauteile drin, überwiegend von der Firma Samsung hergestellt und zusammengeschraubt von chinesischen Wanderarbeitern! So ganz einig ist man sich auch nicht, was das Wissen angeht: immerhin kündigt die HAZ Dienstagabende voller Wissen und Praxisnähe an! Andererseits könnte der Auftritt einer Diplom-Politologin, Gedächtnisweltmeisterin und Bestseller-Autorin am 16. April 2013 erkennen lassen, dass die Kompetenz, sich Stichworte, Zahlen oder Namen und Gesichter besser einzuprägen oder Telefonbücher auswendig zu lernen, nichts mit Wissen zu tun hat!
Was das Wissen im iPad oder in der Birne der Weltmeisterin angeht, ist der Evolutionsbiologe Mark Pagel von der University of Reading skeptisch (der von der HAZ nicht eingeladen, aber in der Süddeutschen Zeitung - "Das Echo der Geschwätzigkeit" - zitiert wurde):
Durch das spracharme Verweisen komme man "einfach nicht mehr auf neue Ideen. Muss man ja auch nicht. Je mehr wir vernetzt sind, umso mehr können wir kopieren. Wir müssen nichts mehr erfinden, denn Google und Facebook lehren uns, dass neue Ideen leicht zu haben sind. Es könnte sogar sein, dass fügsame, gelehrige Kopisten jetzt erfolgreicher sind als diejenigen, die innovativ sind. Das hat es in der Menschheitsgeschichte noch nie gegeben."
Diesen Verdacht hegte schon vor Jahren Zachary "Spokker Jones" Gutierrez, der Autor der Comedy-Website Something Awful. Er schrieb: "In vierzig Jahren, wenn das Netz in einer gigantischen Implosion von Dummheit zusammengebrochen sein wird, möchte ich sagen können: ,Ja, ich bin dabei gewesen!'"
Na gut, Sie haben's gemerkt: Ich habe jetzt auch dauernd verwiesen! ... Aber ich war dabei ... und verweise nochmal!!
My favorite keynote speaker: Nico Semsrott live in der Anstalt (18.12.2012)
Da werden hochinteressante Themen und erstklassige Referenten ... zehn Dienstagabende ... voller Wissen und Praxisnähe im Expowal (?!), Chicago Lane 9 (!!!!?) in 30539 Hannover angekündigt, zum Preis von 499,00 € im Paket - einzeln müssten Sie für die keynotes je 69,90 in die Hand nehmen oder wie das heute heißt.
"Von den Besten profitieren"
Diese Besten sind Infotainer, Mentalcoache(s - oder wie ist Plural dazu im Deutschen?), Expertinnen für Karriere-Netzwerke, Top- und Keynote-Speaker, Trendforscher und Hardselling-Experten und eben deshalb bzw. angesichts der Tatsache, dass es Leute gibt, die dafür 500 Euro in die Hand nehmen, ist es mit meiner Hoffnung so wie es ist. Lesen Sie mal die Ankündigungen! Dann wissen Sie, was auf uns zukommt:
Phrasenauswurf und Wortkotze, syntaktisch hemmungslos und mit schwach verankerten Sinngeländern
Da gibt es einen, der verbindet modernste Erkenntnisse aus der Psychologie mit seiner Erfahrung als Coach und Infotainer zu einem einzigartigen Gesamtkonzept. Cristián Gálvez schafft Wirkung. Wirkung schaffen finde ich Klasse: generieren wäre auch gut, aber schaffen klingt bodenständiger und trotzdem nach Ausssicht auf Mehrwert! Ganz toll finde ich auch einen Keynote Speaker für Multisensorik. Ich gebe zu, dass sich da einer wirkungsmäßig etwas zu hoch aufhängt, wenn er, der alleine spricht, sich zum Hauptredner erklärt. Andererseits ist es aber - wie man heute gerne fomuliert - hoch spannend (zu übertreffen nur von Höchstspannungsleitungen), weil es ja um Multisensory Branding geht, d.h. darum, uns irgendwelche Scheiße, die wir weder haben wollen noch brauchen, mithilfe von visuellem, akustischem, olfaktorischem, gustatorischem und haptischem Branding anzudrehen. (Vorsicht, - wenn man die Seites seines Institut Corporate Senses aufruft, bratzt einem ein akustischer Müll um die Ohren, dass man sich fragt, was aus der fucking keynote geworden ist!).Branding = Brandzeichen, in die Haut gebranntes Zeichen zur Erkennung von Pferden oder Rindern, und das war ja wohl immer schon multisensorisch, jedenfalls für die Betroffenen. Insofern stellt sich doch die Frage, was der Diplomkaufmann da Neues erzählen wird ...
Dann hat's auch noch einen Professor, der fordert ein Ende der Kreidezeit in den Schulen und eine Kultur, in der „Hirn verpflichtet“, sich selbst zu bilden. Das künftige Bildungssystem muss ganz anders sein. Alibi-Milliarden reichen nicht. Kopfreform!
Was bitte ist Bedeutung von dieses?
Wissen ist im iPad überall verfügbar. In der kommenden „Wissensgesellschaft“ müssen wir eher etwas wirklich können als nur wissen: Beraten, helfen, verstehen, kommunizieren, Probleme lösen, multikulturell agieren. Unser jetzt schon antiquiertes Bildungssystem belädt uns nur mit Faktenwissen!
Abgesehen davon, dass der Mann abgehackte Windmühlenflügel umrennt, weil im Zuge der Kompetenzorientierung das Wissen bereits weitgehend abgeschafft wurde, so dass unser - auch sehr schön formuliert - jetzt schon antiquiertes Bildungssystem (wenn nicht jetzt, wann dann?) an die Wand gefahren wurde. Und zwar von denen, die wie der Herr Professor meinen, man könne etwas können ohne Wissen und das Wissen sei im iPad. Soviel ich weiß, sind da nur elektronische Bauteile drin, überwiegend von der Firma Samsung hergestellt und zusammengeschraubt von chinesischen Wanderarbeitern! So ganz einig ist man sich auch nicht, was das Wissen angeht: immerhin kündigt die HAZ Dienstagabende voller Wissen und Praxisnähe an! Andererseits könnte der Auftritt einer Diplom-Politologin, Gedächtnisweltmeisterin und Bestseller-Autorin am 16. April 2013 erkennen lassen, dass die Kompetenz, sich Stichworte, Zahlen oder Namen und Gesichter besser einzuprägen oder Telefonbücher auswendig zu lernen, nichts mit Wissen zu tun hat!
Was das Wissen im iPad oder in der Birne der Weltmeisterin angeht, ist der Evolutionsbiologe Mark Pagel von der University of Reading skeptisch (der von der HAZ nicht eingeladen, aber in der Süddeutschen Zeitung - "Das Echo der Geschwätzigkeit" - zitiert wurde):
Durch das spracharme Verweisen komme man "einfach nicht mehr auf neue Ideen. Muss man ja auch nicht. Je mehr wir vernetzt sind, umso mehr können wir kopieren. Wir müssen nichts mehr erfinden, denn Google und Facebook lehren uns, dass neue Ideen leicht zu haben sind. Es könnte sogar sein, dass fügsame, gelehrige Kopisten jetzt erfolgreicher sind als diejenigen, die innovativ sind. Das hat es in der Menschheitsgeschichte noch nie gegeben."
Diesen Verdacht hegte schon vor Jahren Zachary "Spokker Jones" Gutierrez, der Autor der Comedy-Website Something Awful. Er schrieb: "In vierzig Jahren, wenn das Netz in einer gigantischen Implosion von Dummheit zusammengebrochen sein wird, möchte ich sagen können: ,Ja, ich bin dabei gewesen!'"
Na gut, Sie haben's gemerkt: Ich habe jetzt auch dauernd verwiesen! ... Aber ich war dabei ... und verweise nochmal!!
My favorite keynote speaker: Nico Semsrott live in der Anstalt (18.12.2012)
gebattmer - 2012/12/23 18:59
Trackback URL:
https://gebattmer.twoday.net/stories/232599889/modTrackback