Lesenswert: Merkelismus, die Blutspur des Geldes und die Agenda 2010
Georg Seeßlen fasst seine Überlegungen zu der Frage Was ist Merkelismus? (auf die hier immer mal wieder hingewiesen wurde) in seinen neuesten
Skizzen zu einem postdemokratischen Herrschaftssystem zusammen:
Das Herrschaftssystem des Merkelismus basiert auf einem Ineinander von Opportunismus und Dogmatismus; es geht um ständige Anpassungen bei gleichzeitiger unbeugsamer Zielrichtung. Die „marktkonforme Demokratie“ ist vorstellbar nur als eine Art des Kapitalismus, die mit stalinistischer Unbeirrbarkeit vorgeführt wird: Das System ist wichtiger als der Mensch, so wie auch Joachim Gaucks Idee von Freiheit eine Abstraktion ist, die jenseits des Menschen zu funktionieren scheint. ...
Lesebefehl!
Alexander Hagelüken fasst in der Süddeutschen Zeitung vom 10. März 2013 seine Erkenntnisse als leitender Redakteur des Wirtschaftsressorts über Profite der Banken in der Krise zusammen:
Die Blutspur des Geldes
Von Irland bis Spanien, von Großbritannien bis Zypern: Die Banken nehmen mit ihren Problemen ganz Europa in Geiselhaft. Die Steuerzahler blechen dafür - mit 1600.000.000.000 Euro. Die Politik muss sich von dieser modernen Pest befreien.
Ebenfalls Lesebefehl!
Heribert Prantl in derselben Ausgabe der SZ zum 10jährigen Jubiläum des Steinmeier-Papiers:
Die giftige Agenda (dankenswerterweise verlinkt vom SPD-Ortsverein Stuhr!!)
... Die Hartz-Gesetze waren kleinlich, schlampig, schikanös; sie haben auf ungute Weise pauschaliert. Sie haben Langzeitarbeitslose gezwungen, ihr kleines Vermögen zu verscherbeln, ihre Lebensversicherungen zu einem Spottpreis zu verkaufen, also das fürs Alter Ersparte aufzuzehren. Die Gerichte, das Bundesverfassungsgericht zuoberst, haben einen Teil des legislativen Wahnsinns korrigiert, Karlsruhe hat die Hartz-IV-Sätze für verfassungswidrig erklärt und ihre ordentliche Berechnung erzwungen. Die Energie, die die Politik verbrauchte, um das verfassungswidrige Hartz-Gesetz zu verteidigen, hätte besser genutzt werden können.
'Hartzer': Das ist nun der Name für die Armen in Deutschland; und 'IV': Das ist die Bezeichnung für die steile Rutsche, die in die Armut führt. Dieses Gerät hat das soziale Netz ersetzt. Es ist bezeichnend, dass sich die Zahl der Tafeln, an der Bedürftige Lebensmittel erhalten, seit der Agenda vervielfacht hat. Diese Agenda wird heute südeuropäischen Staaten als Gesundungsrezept angedient: Privatisierung, Deregulierung, Prekarisierung. Die Agenda nun also für Europa? Man soll aus Fehlern lernen; man soll sie nicht repetieren, potenzieren, europäisieren.
Noch ein Lesebefehl!
Und zusammenfassend nochmal Seeßlen:
1. Die marktkonforme Demokratie ist die Super-Idee hinter dieser Politik.
2. Eine Form des Staatskapitalismus, der auch die Außenpolitik bestimmt und eine Nation aus dem Wettbewerb definiert.
...
14. Solange Merkelismus erfolgreich ist, kann er Reste der Sozialstaatlichkeit „seinem“ Volk gewähren, er nimmt aber sofort, wenn der Markt es erfordert, und er kann sich darin als gnadenloser Vollstrecker des Schröderismus gebaren.
15. Merkelismus reproduziert die oligarche Struktur der Postdemokratie insofern er zum Machterhalt Ausschließungskriterien erzeugt. Der Merkelismus stellt sich selber nicht zur Wahl. Sein Inhalt ist unsichtbar, seine „Entscheidungen“ sind „alternativlos“, seine Ideologie ist Unterhaltung.
Skizzen zu einem postdemokratischen Herrschaftssystem zusammen:
Das Herrschaftssystem des Merkelismus basiert auf einem Ineinander von Opportunismus und Dogmatismus; es geht um ständige Anpassungen bei gleichzeitiger unbeugsamer Zielrichtung. Die „marktkonforme Demokratie“ ist vorstellbar nur als eine Art des Kapitalismus, die mit stalinistischer Unbeirrbarkeit vorgeführt wird: Das System ist wichtiger als der Mensch, so wie auch Joachim Gaucks Idee von Freiheit eine Abstraktion ist, die jenseits des Menschen zu funktionieren scheint. ...
Lesebefehl!
Alexander Hagelüken fasst in der Süddeutschen Zeitung vom 10. März 2013 seine Erkenntnisse als leitender Redakteur des Wirtschaftsressorts über Profite der Banken in der Krise zusammen:
Die Blutspur des Geldes
Von Irland bis Spanien, von Großbritannien bis Zypern: Die Banken nehmen mit ihren Problemen ganz Europa in Geiselhaft. Die Steuerzahler blechen dafür - mit 1600.000.000.000 Euro. Die Politik muss sich von dieser modernen Pest befreien.
Ebenfalls Lesebefehl!
Heribert Prantl in derselben Ausgabe der SZ zum 10jährigen Jubiläum des Steinmeier-Papiers:
Die giftige Agenda (dankenswerterweise verlinkt vom SPD-Ortsverein Stuhr!!)
... Die Hartz-Gesetze waren kleinlich, schlampig, schikanös; sie haben auf ungute Weise pauschaliert. Sie haben Langzeitarbeitslose gezwungen, ihr kleines Vermögen zu verscherbeln, ihre Lebensversicherungen zu einem Spottpreis zu verkaufen, also das fürs Alter Ersparte aufzuzehren. Die Gerichte, das Bundesverfassungsgericht zuoberst, haben einen Teil des legislativen Wahnsinns korrigiert, Karlsruhe hat die Hartz-IV-Sätze für verfassungswidrig erklärt und ihre ordentliche Berechnung erzwungen. Die Energie, die die Politik verbrauchte, um das verfassungswidrige Hartz-Gesetz zu verteidigen, hätte besser genutzt werden können.
'Hartzer': Das ist nun der Name für die Armen in Deutschland; und 'IV': Das ist die Bezeichnung für die steile Rutsche, die in die Armut führt. Dieses Gerät hat das soziale Netz ersetzt. Es ist bezeichnend, dass sich die Zahl der Tafeln, an der Bedürftige Lebensmittel erhalten, seit der Agenda vervielfacht hat. Diese Agenda wird heute südeuropäischen Staaten als Gesundungsrezept angedient: Privatisierung, Deregulierung, Prekarisierung. Die Agenda nun also für Europa? Man soll aus Fehlern lernen; man soll sie nicht repetieren, potenzieren, europäisieren.
Noch ein Lesebefehl!
Und zusammenfassend nochmal Seeßlen:
1. Die marktkonforme Demokratie ist die Super-Idee hinter dieser Politik.
2. Eine Form des Staatskapitalismus, der auch die Außenpolitik bestimmt und eine Nation aus dem Wettbewerb definiert.
...
14. Solange Merkelismus erfolgreich ist, kann er Reste der Sozialstaatlichkeit „seinem“ Volk gewähren, er nimmt aber sofort, wenn der Markt es erfordert, und er kann sich darin als gnadenloser Vollstrecker des Schröderismus gebaren.
15. Merkelismus reproduziert die oligarche Struktur der Postdemokratie insofern er zum Machterhalt Ausschließungskriterien erzeugt. Der Merkelismus stellt sich selber nicht zur Wahl. Sein Inhalt ist unsichtbar, seine „Entscheidungen“ sind „alternativlos“, seine Ideologie ist Unterhaltung.
gebattmer - 2013/03/11 17:46
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