Kapitalismus ist gut
Kunden werden zu Wertewählern, und moralisches Handeln lohnt sich: Norbert Bolz über den „Karma-Kapitalismus“
Nach Wellness: Selfness werden die Chefdenker des neuen Deutschland noch deutlicher: ein schönes Beispiel für Arschdenk aus meiner Lieblings-HAZ von neulich: Ein Denken ohne Sinngeländer, eine Wortkotze sondergleichen nach dem Motto: Wenn früher Zucker draufstand und Salz drin war, hatten wir ein Problem, jetzt müssen wir neunachdenken megatrenddenken (oder noch besser taggen: einfach mal probeweise ein Label draufkleben: ebay und amazon als Metaphern eines moralischen HedgeFondsKapitalismus ... Alle Fragen sind falsch gestellt; und die Antworten sehen danach aus.
>
Der neue Trendtag, auf dem Sie sprechen werden, hat das griffige Thema „Karma- Kapitalismus“. Was kann man sich darunter vorstellen?
Mit fernöstlicher Weisheit hat das nichts zu tun. Der Begriff kommt aus dem Internet. Karma wird bei Ebay oder Amazon (Bolz verkauft die Idee aber auch weiter an die Lufthansa) für die Bewertung der Anbieter durch ihre Kunden verwendet. Es ist eine moralische Bewertung der Anbieter. Wir werden die Frage diskutieren, ob Moralorientierung das Gegenteil von Profitorientierung ist, oder ob wir nicht in einer Zeit leben, in der sich Idealismus gut verkauft und in der eine moralische Orientierung des Wirtschaftens zu einem Standortvorteil des Unternehmens wird.
Das hieße, dass der Kapitalismus aus sich heraus gut sein könnte.
Richtig. Das ist mein Thema. Das ist nicht nur ein kurzfristiger Trend. Dahinter gibt es auch einen harten empirischen Sachverhalt, der die These fördert – und das ist die Logik der Netzwerke selber. Der gute Kapitalismus wird aus dem Geist der Netzwerke heraus geboren. Einfach deshalb, weil sich in vernetzten Zusammenhängen kooperatives Verhalten lohnt. Es gibt immer eine wirtschaftliche Prämie auf moralisch angemessenes Verhalten.
.. nicht ganz klar, welche Frage sie nun eigentlich diskutieren wollen ...
Wenn harte empirische Sachverhalte Thesen fördern, ist das immer so eine Sache mit der Logik, wenn die Empirie nur aus Logik bestehen soll, weil die ja bekanntlich nicht so schwer empirisch ist, sondern vielleicht doch eher aus dem Geist (wenn auch nicht unbedingt der Netzwerke) geboren ist. Die wirtschaftliche Prämie auf moralisches Verhalten, die es immer gibt, ist dann wahrscheinlich die Einlösung von Aktienoptionen durch Herrn Kleinfeld nach seinem Abgang bei Siemens.
Aber es sind doch nicht alle Unternehmen so mit ihren Kunden vernetzt, dass es stets sofort Rückmeldungen zu gutem oder schlechtem Verhalten gibt.
Es liegt in der Natur des Trendtags, dass es hier eher um die Zeichnung eines Megatrends gehen soll als um eine Beschreibung unseres Alltags. Wir wollen nicht das erzählen, was jeder schon kennt, sondern neue Entwicklungen skizzieren.
Und eine davon markiert das Ende des Raubtierkapitalismus?
Nehmen wir mal den scheinbar härtesten Fall im klassischen Kapitalismus im Sinne von Raubtierkapitalismus: die Hedge-Fonds. Die kriegen aus der Perspektive des Karma-Kapitalismus eine ganz neue Funktion. Die machen sich schon jetzt die wachsende Boykottbereitschaft von Konsumenten zunutze. Sie wetten auf den Niedergang von Aktien durch Proteste und sind natürlich überaus hellhörig, wo es irgendwelche Proteste gegen Unternehmen gibt. Es gibt sogar eine Bank, die Verbindung zwischen Bürgerinitiativen und Hedge-Fonds herstellt. Das ist ein verrücktes Konzept, aber ein Signal für diese neue Zeit.
An zentraler Stelle in Ihrem Gedankengebäude befindet sich die Figur des Kunden.
Richtig. Und zwar der Kunde, der sich immer mehr als Bürger versteht. Ich glaube, man kann gerade eine interessante Wiederverschmelzung dieser früher getrennten Rollen beobachten. Die Kunden werden zu Wertewählern, und diese Wertewähler können sich auf dem Schauplatz des Marktes sehr viel besser ausleben als auf dem klassischen politischen Schauplatz, wo es gar nicht so leicht ist, sein Wertebewusstsein politisch zu artikulieren.
Hier könnte die Marx'sche Unterscheidung von Bourgeois und Citoyen helfen, obwohl irgendwie nicht ganz klar ist, wie Bolz das Wertewählen auf dem Marktplatz (nee, er ist ja von Haus aus Medientheoretiker: also: auf dem Schauplatz des Marktes) hart empirisch gesehen haben will: wahrscheinlich bei den Anrufern der DSDS-Menschenmarkt-Zurichtungsveranstaltungen ...
Bedeutet das ein Schwinden des Feldes der Politik?
In der Tat. Das politische Engagement der Bürger verlagert sich immer mehr in die Welt der Wirtschaft. Und sie bekommen darin ja auch immer die Unterstützung der Politik, die ja selber immer wieder einräumt, dass die Wirtschaft die eigentlich dominierende Wirklichkeit der modernen Welt ist. Insofern handeln die Bürger als Kunden ganz konsequent, wenn sie ihre politischen Ambitionen gleich direkt auf dem Feld der Wirtschaft anmelden.
Der Marxsche Gedanke der Entfremdung hat in dem Konzept des Karma-Kapitalismus natürlich keinen Platz?
Ich komme selber aus einer Welt, die mit diesem Begriff heftig gearbeitet hat. Ich glaube, man hat mittlerweile umgelernt. Man denkt nicht mehr in Klassenkampfkategorien. Stattdessen will jeder selber etwas tun und die Folgen seines Handelns dann auch konkret spüren. Dafür sind solche Dinge wie Boykott natürlich wunderbar geeignet.
Kann es sein, dass Sie sich vom Medien- theoretiker zum Gesellschaftstheoretiker gewandelt haben?
Nein, das kann man nicht sagen. Denn die Grundlage all dessen, was ich beschreibe, ist die Logik der Netzwerke. Für mich überschneiden sich die Bereiche immer mehr. Es wird immer schwieriger, Bereiche wie Medienwissenschaften, Soziologie, Philosophie fein säuberlich in Schubladen zu stecken. Die spannenden Themen findet man ohnehin nur an den Schnittstellen.
Das geht mir auch so: dauernd spannende Themen an Schnittstellen, wie Schwarm-Intelligenz oder Rudel-Demenz oder Herden-Bunzdummheit
Zensur: Den folgenden unerträglichen Quatsch zum Feminismus habe ich gestrichen ...
Nein, ich habe in meinem Buch „Die Helden der Familie“ alles untergebracht, was zu dem Thema aus meiner Sicht zu sagen ist. Das wäre mir viel zu langweilig, mich über meine eigenen Thesen immer wieder neu zu verbreiten.
Das Thema „Karma-Kapitalismus“ ist aber auch nicht ganz neu. Einer der letzten Trendtage widmete sich der „Schwarm- Intelligenz“, die im Grunde dasselbe Phänomen beschreibt.
Das stimmt. Ich hatte beim Thema „Karma-Kapitalismus“ auch das Gefühl, dass hier viele Fäden früherer Trendtage zusammenlaufen. So eine intellektuelle Kohärenz ist natürlich sehr erfreulich. Alles das, was bei früheren Trendtagen über Konsumentendemokratie oder die Vorteile von Kooperation gesagt wurde, fügt sich hier allmählich zusammen. Und daraus ziehe ich den größenwahnsinnigen Schluss: Es muss etwas mit der Wirklichkeit zu tun haben.
Ein schöner Schluss: wenn sich was zusammenfügt, muss es was mit der Wirklichkeit zu tun haben! Ich stell mir das so vor: Bolz und Horx verstehen sich, was gut sein kann (wiewohl sie auf dem Schauplatz des Marktes natürlich konkurrieren um die jederzeit beste marktkompatible Verabschiede-das-Denken -ins-Karma-Idee) und halten das für einen Beweis dafür, dass das kleine Fenster zu dem, was sie für Realität halten, noch offen ist...
Ich nehme stark an, der Meyer-Arlt hat das veröffentlicht, um den Bolz bei den Lesern der HAZ endgültig fertig zu machen ....
Interview: Ronald Meyer-Arlt
Ausgabe: HAZ Datum: 03.05.2007
Nachtrag:
Heuschrecken-Alarm im Ashram
Jörg Auf dem Hövel berichtet vom Trendtag (tp)
Nach Wellness: Selfness werden die Chefdenker des neuen Deutschland noch deutlicher: ein schönes Beispiel für Arschdenk aus meiner Lieblings-HAZ von neulich: Ein Denken ohne Sinngeländer, eine Wortkotze sondergleichen nach dem Motto: Wenn früher Zucker draufstand und Salz drin war, hatten wir ein Problem, jetzt müssen wir neu
>
Der neue Trendtag, auf dem Sie sprechen werden, hat das griffige Thema „Karma- Kapitalismus“. Was kann man sich darunter vorstellen?
Mit fernöstlicher Weisheit hat das nichts zu tun. Der Begriff kommt aus dem Internet. Karma wird bei Ebay oder Amazon (Bolz verkauft die Idee aber auch weiter an die Lufthansa) für die Bewertung der Anbieter durch ihre Kunden verwendet. Es ist eine moralische Bewertung der Anbieter. Wir werden die Frage diskutieren, ob Moralorientierung das Gegenteil von Profitorientierung ist, oder ob wir nicht in einer Zeit leben, in der sich Idealismus gut verkauft und in der eine moralische Orientierung des Wirtschaftens zu einem Standortvorteil des Unternehmens wird.
Das hieße, dass der Kapitalismus aus sich heraus gut sein könnte.
Richtig. Das ist mein Thema. Das ist nicht nur ein kurzfristiger Trend. Dahinter gibt es auch einen harten empirischen Sachverhalt, der die These fördert – und das ist die Logik der Netzwerke selber. Der gute Kapitalismus wird aus dem Geist der Netzwerke heraus geboren. Einfach deshalb, weil sich in vernetzten Zusammenhängen kooperatives Verhalten lohnt. Es gibt immer eine wirtschaftliche Prämie auf moralisch angemessenes Verhalten.
.. nicht ganz klar, welche Frage sie nun eigentlich diskutieren wollen ...
Wenn harte empirische Sachverhalte Thesen fördern, ist das immer so eine Sache mit der Logik, wenn die Empirie nur aus Logik bestehen soll, weil die ja bekanntlich nicht so schwer empirisch ist, sondern vielleicht doch eher aus dem Geist (wenn auch nicht unbedingt der Netzwerke) geboren ist. Die wirtschaftliche Prämie auf moralisches Verhalten, die es immer gibt, ist dann wahrscheinlich die Einlösung von Aktienoptionen durch Herrn Kleinfeld nach seinem Abgang bei Siemens.
Aber es sind doch nicht alle Unternehmen so mit ihren Kunden vernetzt, dass es stets sofort Rückmeldungen zu gutem oder schlechtem Verhalten gibt.
Es liegt in der Natur des Trendtags, dass es hier eher um die Zeichnung eines Megatrends gehen soll als um eine Beschreibung unseres Alltags. Wir wollen nicht das erzählen, was jeder schon kennt, sondern neue Entwicklungen skizzieren.
Und eine davon markiert das Ende des Raubtierkapitalismus?
Nehmen wir mal den scheinbar härtesten Fall im klassischen Kapitalismus im Sinne von Raubtierkapitalismus: die Hedge-Fonds. Die kriegen aus der Perspektive des Karma-Kapitalismus eine ganz neue Funktion. Die machen sich schon jetzt die wachsende Boykottbereitschaft von Konsumenten zunutze. Sie wetten auf den Niedergang von Aktien durch Proteste und sind natürlich überaus hellhörig, wo es irgendwelche Proteste gegen Unternehmen gibt. Es gibt sogar eine Bank, die Verbindung zwischen Bürgerinitiativen und Hedge-Fonds herstellt. Das ist ein verrücktes Konzept, aber ein Signal für diese neue Zeit.
An zentraler Stelle in Ihrem Gedankengebäude befindet sich die Figur des Kunden.
Richtig. Und zwar der Kunde, der sich immer mehr als Bürger versteht. Ich glaube, man kann gerade eine interessante Wiederverschmelzung dieser früher getrennten Rollen beobachten. Die Kunden werden zu Wertewählern, und diese Wertewähler können sich auf dem Schauplatz des Marktes sehr viel besser ausleben als auf dem klassischen politischen Schauplatz, wo es gar nicht so leicht ist, sein Wertebewusstsein politisch zu artikulieren.
Hier könnte die Marx'sche Unterscheidung von Bourgeois und Citoyen helfen, obwohl irgendwie nicht ganz klar ist, wie Bolz das Wertewählen auf dem Marktplatz (nee, er ist ja von Haus aus Medientheoretiker: also: auf dem Schauplatz des Marktes) hart empirisch gesehen haben will: wahrscheinlich bei den Anrufern der DSDS-Menschenmarkt-Zurichtungsveranstaltungen ...
Bedeutet das ein Schwinden des Feldes der Politik?
In der Tat. Das politische Engagement der Bürger verlagert sich immer mehr in die Welt der Wirtschaft. Und sie bekommen darin ja auch immer die Unterstützung der Politik, die ja selber immer wieder einräumt, dass die Wirtschaft die eigentlich dominierende Wirklichkeit der modernen Welt ist. Insofern handeln die Bürger als Kunden ganz konsequent, wenn sie ihre politischen Ambitionen gleich direkt auf dem Feld der Wirtschaft anmelden.
Der Marxsche Gedanke der Entfremdung hat in dem Konzept des Karma-Kapitalismus natürlich keinen Platz?
Ich komme selber aus einer Welt, die mit diesem Begriff heftig gearbeitet hat. Ich glaube, man hat mittlerweile umgelernt. Man denkt nicht mehr in Klassenkampfkategorien. Stattdessen will jeder selber etwas tun und die Folgen seines Handelns dann auch konkret spüren. Dafür sind solche Dinge wie Boykott natürlich wunderbar geeignet.
Kann es sein, dass Sie sich vom Medien- theoretiker zum Gesellschaftstheoretiker gewandelt haben?
Nein, das kann man nicht sagen. Denn die Grundlage all dessen, was ich beschreibe, ist die Logik der Netzwerke. Für mich überschneiden sich die Bereiche immer mehr. Es wird immer schwieriger, Bereiche wie Medienwissenschaften, Soziologie, Philosophie fein säuberlich in Schubladen zu stecken. Die spannenden Themen findet man ohnehin nur an den Schnittstellen.
Das geht mir auch so: dauernd spannende Themen an Schnittstellen, wie Schwarm-Intelligenz oder Rudel-Demenz oder Herden-Bunzdummheit
Zensur: Den folgenden unerträglichen Quatsch zum Feminismus habe ich gestrichen ...
Nein, ich habe in meinem Buch „Die Helden der Familie“ alles untergebracht, was zu dem Thema aus meiner Sicht zu sagen ist. Das wäre mir viel zu langweilig, mich über meine eigenen Thesen immer wieder neu zu verbreiten.
Das Thema „Karma-Kapitalismus“ ist aber auch nicht ganz neu. Einer der letzten Trendtage widmete sich der „Schwarm- Intelligenz“, die im Grunde dasselbe Phänomen beschreibt.
Das stimmt. Ich hatte beim Thema „Karma-Kapitalismus“ auch das Gefühl, dass hier viele Fäden früherer Trendtage zusammenlaufen. So eine intellektuelle Kohärenz ist natürlich sehr erfreulich. Alles das, was bei früheren Trendtagen über Konsumentendemokratie oder die Vorteile von Kooperation gesagt wurde, fügt sich hier allmählich zusammen. Und daraus ziehe ich den größenwahnsinnigen Schluss: Es muss etwas mit der Wirklichkeit zu tun haben.
Ein schöner Schluss: wenn sich was zusammenfügt, muss es was mit der Wirklichkeit zu tun haben! Ich stell mir das so vor: Bolz und Horx verstehen sich, was gut sein kann (wiewohl sie auf dem Schauplatz des Marktes natürlich konkurrieren um die jederzeit beste marktkompatible Verabschiede-das-Denken -ins-Karma-Idee) und halten das für einen Beweis dafür, dass das kleine Fenster zu dem, was sie für Realität halten, noch offen ist...
Ich nehme stark an, der Meyer-Arlt hat das veröffentlicht, um den Bolz bei den Lesern der HAZ endgültig fertig zu machen ....
Interview: Ronald Meyer-Arlt
Ausgabe: HAZ Datum: 03.05.2007
Nachtrag:
Heuschrecken-Alarm im Ashram
Jörg Auf dem Hövel berichtet vom Trendtag (tp)
gebattmer - 2007/05/08 22:53
Trackback URL:
https://gebattmer.twoday.net/stories/3704782/modTrackback